Colin Kaepernick Vom Sportler zum Symbol des Widerstands gegen Rassismus

Von Fabian Tschamper

8.7.2020

Colin Kaepernick steht nach wie vor zu seiner Entscheidung, sogar nachdem es ihn die Karriere gekostet hat – es war ein notwendiges Opfer.
Colin Kaepernick steht nach wie vor zu seiner Entscheidung, sogar nachdem es ihn die Karriere gekostet hat – es war ein notwendiges Opfer.
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Colin Kaepernick. Sein Kniefall 2016 ist zum Symbol gegen Polizeigewalt und Rassismus geworden. Disney und Netflix wollen nun sein Anliegen unterstützen – allerdings nicht ohne Hintergedanken.

Nur gerade fünf Jahre spielte der heute 32-jährige Colin Kaepernick in der amerikanischen National Football League. Der ehemalige Quarterback der San Francisco 49ers ist seit Anfang 2017 ein sogenannter Free Agent, er hat also keinen Vertrag bei einer Mannschaft – dies ist vermutlich auf seine Provokation im August 2016 zurückzuführen, Kritiker behaupten, es sei aufgrund seiner schwächelnden Leistung als Spieler.

Nun unterschrieb Kaepernick allerdings doch noch einen Vertrag, wenn auch einen unerwarteten: Der ehemalige Footballspieler tut sich mit Disney und Netflix zusammen – aus dem Sportler wurde ein positiv motivierter Medienmacher.

Doch werfen wir erst einen Blick zurück.

Mitte 2016 kam es vor einem Trainingsspiel zum Eklat, als 240 US-Soldaten auf dem Spielfeld eine Flagge der Vereinigten Staaten präsentierten. Kaepernick erhob sich nicht für die Hymne, die vor jedem Match gespielt wird. Mit dieser Verweigerung protestierte er gegen Rassismus und Polizeigewalt gegen Schwarze in den USA – er dürfte also gerade jetzt als Vorreiter einer monumentalen Bewegung gelten.

«Ich werde nicht aufstehen und Stolz für eine Fahne demonstrieren, die für ein Land steht, das Schwarze und andere Farbige unterdrückt», beschloss Kaepernick damals.

Vielerorts wurde Kaepernicks Nummer «7» getragen – als Statement gegen den institutionellen Rassismus in den USA.
Vielerorts wurde Kaepernicks Nummer «7» getragen – als Statement gegen den institutionellen Rassismus in den USA.
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Amnesty International verlieh ihm daraufhin die Auszeichnung als Botschafter des Gewissens. Der Sportartikelhersteller Nike zeigte sich indes solidarisch, als sie ihn, Tennisspielerin Serena Williams und Basketballer LeBron James für eine Kampagne engagierte und ihren Slogan «Just Do It» feierte. Dies ging Kritikern von Kaepernick gegen den Strich: Sie verbrannten oder zerschnitten ihre Nike-Schuhe und -Artikel auf den sozialen Medien.

Kaepernick selbst wurde dabei zum Symbol der Bürgerrechtler. Sein Trikot mit der Nummer sieben wurde im Smithsonian National Museum in Washington, D.C., im Rahmen einer Black-Lives-Matter-Ausstellung aufgehängt.



Mit seinem knienden Protest inspirierte Kaepernick zudem seine Kollegen, es ihm gleichzutun. Gleich mehrere Profis demonstrierten mit dem Kniefall gegen Polizeigewalt und rassistisch motivierte Ungleichheit. US-Präsident Donald Trump forderte damals, dass diese Spieler allesamt gefeuert werden.

Momentan findet in den USA ein allgemeines Umdenken statt – dies aufgrund des Mords an George Floyd durch eben jene Polizeigewalt. Kaepernick scheint darum gewillt, seine Botschaft weiter in die Gesellschaft hineinzutragen.

Mit seiner eigens gegründeten Produktionsfirma «Ra Vision Media» trifft er auf US-amerikanische Medienkonzerne, die sich zum Teil explizit an die Seite der Demonstrierenden stellen. Sie lassen keine Gelegenheit verstreichen, sich als divers, aufgeschlossen und modern zu präsentieren.

Eli Harold (Nr. 58, links), Colin Kaepernick (Nr. 7) und Eric Reid (Nr. 35) von den San Francisco 49ers protestieren kniend während der amerikanischen Hymne.
Eli Harold (Nr. 58, links), Colin Kaepernick (Nr. 7) und Eric Reid (Nr. 35) von den San Francisco 49ers protestieren kniend während der amerikanischen Hymne.
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Netflix beispielsweise liess Ende Juni verlauten, dass sie eine sechsteilige Dokumentation über die Kindheit und Jugend des Football-Stars plant, der bei weissen Adoptiveltern aufwuchs. Kaepernick selbst soll dabei als Sprecher fungieren, Regisseurin Ava DuVernay («Selma», «When They See Us») übernimmt das Ruder.

Doch damit nicht genug im Hause Kaepernick: Wie Disney jüngst publik machte, hat der Medienmogul einen noch grösseren Deal mit dem 32-Jährigen abgeschlossen. Das Konglomerat mit vielen verschiedenen Plattformen will mit Kaepernick unterschiedliche Formate für seine diversen Sender und Streamingplattformen entwickeln. Die Themen: Das Streben nach Gleichheit und Fairness und sie wollen ausserdem die Arbeiten schwarzer Kreativköpfe ins Scheinwerferlicht rücken. Ein konkretes Projekt ist eine weitere Doku-Serie, die die Ereignisse rund um Kaepernicks Kniefall nachzeichnen.

Nicht lange nach Kaepernicks Rauswurf bei den 49ers enthüllte Nike ihre Kampagne mit seinem Gesicht: «Glaube an etwas, auch wenn du alles dafür opfern musst.»
Nicht lange nach Kaepernicks Rauswurf bei den 49ers enthüllte Nike ihre Kampagne mit seinem Gesicht: «Glaube an etwas, auch wenn du alles dafür opfern musst.»
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Komplett altruistisch sind die Deals mit Netflix und Disney freilich nicht. Dass sich Netflix für eine Doku entschieden hat, überrascht wenig. Der Streamingservice hat diverse politische Themen im Repertoire und der Exklusivdeal mit den Obamas dient als Sprachrohr für das liberale Bürgertum. Bei Disney hingegen ist es verwunderlich, der Medienmogul scheute lange Zeit eine Einmischung in aktuelle politische Debatten.

Friede, Freude, Eierkuchen: Die heile, biedere und grösstenteils weisse Welt wird bei Disney mit Themenparks und Kreuzfahrten zugekleistert – ein dezidiert unpolitisches Geschäftsmodell. Doch auch dieser Konzern kann die rasanten gesellschaftlichen Entwicklungen der letzten Jahre nicht ignorieren. Antrieb für den Vertrag mit Kaepernick dürfte die Angst sein, den Anschluss zu verlieren.

Die überharmonische Welt von Disney entspricht nicht mehr dem Zeitgeist. Denn auch Unterhaltungsformate kommen nicht mehr an den notwendigen gesellschaftlichen Debatten vorbei.

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