Ungeliebter Preis Warum die Schweizer Musikszene den «Swiss Music Award» ablehnt

Lukas Rüttimann

15.2.2020

Nemo mit den vier Music Awards, die er 2018 gewann.
Nemo mit den vier Music Awards, die er 2018 gewann.
Bild: Keystone

Award Shows haben derzeit einen schweren Stand. Beim «Swiss Music Award» kommt Liebesentzug jener Szene dazu, für die er eigentlich erfunden wurde.

Nein, es ist wahrlich keine gute Zeit für Preisverleihungen. Erst kürzlich wurde bekannt, dass die ARD beim «Bambi,» dem jährlichen deutschen Fernseh- und Medienpreis, aussteigt. Das ist zwar nicht das Ende des seit 1948 (!) verliehenen Preises, doch der «Bambi» blickt in eine ungewisse Zukunft.

Bereits vor einem halben Jahr schon hatte das ZDF angekündigt, dass man die «Goldene Kamera» aus dem Programm kippt. Doch das Award-Sterben ist kein rein deutsches Phänomen: Hierzulande ist der «Swiss Award» schon seit 2017 Geschichte, und die diesjährige Oscar-Zeremonie schockte seine Macher mit den miesesten Zuschauerzahlen aller Zeiten und einem Ratings-Rückgang von über 20 Prozent gegenüber dem Vorjahr.

Überbleibsel von vorgestern?

Das alles giesst Öl ins Feuer im Lager all jener, die Award Shows ohnehin für ein Relikt aus längst vergangenen Tagen halten. Die Medien ändern sich, die Konsumenten auch, und tatsächlich ist die Frage berechtigt, ob langatmige Preisverleihungen in schnelllebigen Zeiten wie heute noch ihre Berechtigungen haben.

Zudem hat sich auch die Attitüde der Konsumenten verändert: Wurden Kritikerlob oder Auszeichnungen früher als autoritärer Gradmesser für die Qualität von Musik, Film oder Fernsehbeiträgen geschätzt, kann heute auf Social Media jeder und jede seinen Senf dazu geben. Die Diskrepanz zwischen Kritikerlob und Publikumsauflauf war jedenfalls noch selten so gross wie heute.

Auf der anderen Seite sind Awards gerade in Zeiten der Überreizung aller Sinne nach wie vor eine Orientierungshilfe. Wer das Gefühl kennt, sich vom riesigen Angebot auf Netflix erschlagen zu fühlen, weiss um den Nutzen von Auszeichnungen. Eine Oscar-Nomination oder ein -Gewinn sind noch immer ein Argument, einen Film zumindest anzusehen und sich eine eigene Meinung zu bilden. Auch in der Musikszene schmücken sich die Stars nur allzu gern mit der Vielzahl an Grammys, die sie gewonnen haben.

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Ein Preis, der niemand will

Das ist das Problem beim «Swiss Music Award», der Ende Februar zum 13. Mal vergeben wird. Niemand läuft herum und bezeichnet sich stolz als Gewinner des «SMA»; nicht mal Stress, der den Preis gefühlte siebenhundert Mal gewonnen hat. Denn die Beziehung der Schweizer Musikszene zu einem Preis, der sie eigentlich zelebrieren sollte, ist nachhaltig gestört. Auch deshalb steht die Show heuer vor einem Neuanfang, der mit neuem Produktionsteam, neuem Konzept und neuer Moderation das Ruder herumreissen soll.

Ansetzen müsste man jedoch nicht primär bei der Form. Denn die Ursachen für die Ablehnung des «Swiss Music Award» in weiten Teilen der Schweizer Musikszene hat mit dem Inhalt zu tun – der Musik. Der «SMA» hat es nie geschafft, das Image eines reinen Marketingpreises von und für die Industrie abzustreifen. Dabei ist an der Idee an und für sich gar nichts auszusetzen: Kommerziell erfolgreiche Schweizer Künstler sollen für ihre Leistung geehrt werden und so der Musikindustrie in schwierigen Zeiten Relevanz, Glamour und bessere Absatzzahlen bescheren.

Auf der Strecke bleibt dabei jedoch die Kunst, die Kreativität. Vor allem in den Anfangsjahren mit den immer gleichen Preisträgern aus der Ecke Bligg, Baschi, Stress oder Stern wurde offensichtlich, dass die unschönen Betonklötze von einem eher oberflächlich an Musik interessierten Konglomerat von Marketingfachleuten und Hitradio-Machern verteilt wurden. Vergessen ging dabei, dass die Schweiz als kleines Land eine beeindruckende Szene an musikalischen Subkulturen vorzuweisen hat, deren Stars es nicht drauf anlegen, im «besten Mix der 80er, 90er und heute» gespielt zu werden.

Ablehnung spürbar

Als man diesen Fehler nach den ersten Ausgaben erkannte und vorsichtig begann, Metal-, Jazz-, Hip Hop- oder Elektro-Combos in die «Swiss Music Awards» einzubinden, war das Tischtuch längst zerschnitten. Unvergessen, wie die Laudatoren um Coroner-Gitarrist und Produzent Tommy Vetterli bei der postumen Ehrung des verstorbenen Celtic Frost-Mitbegründers Martin Eric Ain 2018 keinen Hehl daraus machten, dass sowohl sie wie auch der Verstorbene nie viel von den «Swiss Music Awards» gehalten hatte.

Auch die Minen der Preisträger in der Kategorie Lebenswerk, die sich oft irgendwo zwischen gelangweilt und verächtlich bewegten, zeigten in den letzten Jahren, dass der Schweizer Musikpreis in der hiesigen Musikszene nicht wirklich hoch angesehen ist.

Brugger wie Gervais?

Wo ansetzen, ums besser zu machen? Als erstes müssten sich Kommerz, Kunst und Kult besser ergänzen. Niemand hat etwas dagegen, wenn erfolgreiche Acts geehrt werden. Doch daneben sollten auch Künstler ausgezeichnet werden, die etwas für die Kunst tun. Dafür müsste man jedoch die vorhandenen Kompetenzen nutzen und jene über die jeweiligen Szenen entscheiden lassen, die darin auch etwas zu sagen haben und drauskommen. Schliesslich ist ein Award nur so viel wert, wie die Jury, die ihn vergibt.

Nicht umsonst hat der Oscar trotz schwindender Ratings noch immer ein extrem hohes Standing in der Filmindustrie. Denn der Preis wird von den besten Filmschaffenden der Welt an die besten Filmschaffenden vergeben – und schafft es fast jedes Jahr, Kommerz und Kunst zu vereinen. Ob solche Massnahmen beim «SMA» zu besseren Einschaltquoten führen würden, sei dahingestellt. Wahrscheinlich eher nicht. Doch ein Award, der in der eigenen Szene kaum Rückhalt geniesst, ist dem Ende geweiht.

Nichtsdestotrotz darf man sich dieses Jahr auf die «SMA» freuen. Denn die neue Moderatorin Hazel Brugger dürfte im Luzerner KKL für viel smarten Biss sorgen – und vielleicht sogar Erinnerungen an die diesjährigen Golden Globes aufkommen lassen. Die Award Show mit der bitterbösen Hollywood-Abrechnung des Komikers Ricky Gervais haben zwar auch weniger Leute gesehen als im Vorjahr. Aber immerhin wars verdammt lustig.

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