Aufstieg einer Klempnertochter Wie «Hitlers Regisseurin» zum Film kam: Riefenstahls zweite Karriere

von Andreas Heimann, dpa, uri

19.6.2018

Gross rauskommen will sie auf jeden Fall. Dabei hat Leni Riefenstahl lange erst ans Tanzen gedacht. Dann lernt sie den Regisseur Arnold Fanck kennen. Mit ihm fährt sie zum Filmen bis nach Grönland. Es ist das bis dahin teuerste Filmprojekt der Geschichte.

Leni Riefenstahl will eigentlich Tänzerin werden. Dass es dann doch ganz anders kommt, liegt an einer Knieverletzung und an Arnold Fanck. Die 1902 in Berlin geborene Klempnertochter tanzt bereits am Deutschen Theater in der Hauptstadt. Dann machen die Schmerzen im Knie eine weitere Karriere unwahrscheinlich. Im Kino sieht sie 1925 einen Film von Fanck und ist fasziniert - auf die Leinwand will sie nun auch. Fanck (1889-1974) gehört damals zu den angesagtesten Regisseuren der Weimarer Republik. Ohne ihn hätte Riefenstahl für ihre zweite Karriere beim Film wohl schlechte Karten. Aber kaum hat er die junge Berlinerin kennengelernt, bringt er sie ganz gross raus.

Riefenstahl und Fanck - Erfolgsduo des deutschen Kinos

Die aufwendig recherchierte Arte-Dokumentation «Eiskalte Leidenschaft - Leni Riefenstahl und Arnold Fanck zwischen Hitler und Hollywood» (Regie: Annette Baumeister) widmet sich dieser interessanten Beziehung. Der deutsch-französische Sender zeigt sie am Mittwoch, 20. Juni (22.20 Uhr). Leni Riefenstahl ist für ihre Propagandafilme für die Nazis bekannt, «Triumph des Willens» etwa über den NS-Parteitag in Nürnberg, in dem sie Menschenmassen, Reichsadler und Hakenkreuze immer wieder effektiv in Szene setzt.

Aber das hatte nichts mit der Welt von Arnold Fanck zu tun. Er war der Spezialist für ambitionierte Bergfilme, drehte in der rauen Welt der Alpen, zeigte einsame Gipfel und bedrohlich abgehende Lawinen - grosses Kino mit vielen Naturaufnahmen. Das Genre war sein Baby.

Für Riefenstahl schrieb Fanck das Drehbuch zu «Der heilige Berg», der 1926 gedreht wurde - mit Luis Trencker in der männlichen Hauptrolle, auch ein Star aus der Bergwelt. In dem Film gab sie ihr Debüt als Schauspielerin. Und das war erst der Auftakt - Riefenstahl und Fanck wurden bald zum Erfolgsduo des deutschen Kinos. Und ihre Filme wie «Die weisse Hölle vom Piz Palü» (1929) oder «Stürme über dem Mont Blanc» (1930) Kassenschlager.

Riefenstahl startet in der Nazi-Diktatur richtig durch

Die Dokumentation erzählt all das, zeigt viele Filmausschnitte, lässt Zeitzeugen zu Wort kommen und Experten wie den früheren Skirennläufer Willi Bogner jr und den Bergsteiger Reinhold Messner. Einen Schwerpunkt legt de Regisseurin Annette Baumeister allerdings auf den Film «SOS Eisberg». Für die aufwendigen und kostspieligen Dreharbeiten brach die Filmcrew im Mai 1932 für fünf Monate nach Grönland auf.

Das Geld für den ersten deutsch-amerikanischen Spielfilm, eine Million Reichsmark, kommt aus Hollywood, vom Gründer der Universal Studios, dem aus Schwaben ausgewanderten Filmpionier Carl Laemmle . Das bis dahin teuerste Spielfilmprojekt der Geschichte gilt als riskant. Fanck hat den Mund voll genommen - doch wie angekündigt dreht er zehn Tage nach der Ankunft die ersten Szenen von einem Eisberg aus. Es gibt spektakuläre Bilder von einem Gletscher, bei dem grössere Eismassen abbrechen. Auch sonst ist der Dreh aufregend. Fanck schreibt Riefenstahl Liebesgedichte, die Schauspielerin hat eine Affäre mit Kameramann Hans Ertl. Aber am Ende wird der Film fertig.

Für Fanck geht die Karriere nach «SOS Eisberg» nur zögerlich weiter. Leni Riefenstahl startet dagegen mit Beginn der Nazi-Diktatur 1933 erst richtig durch. Noch kurz vor der Abreise zu den Dreharbeiten in Grönland hat sie Hitler getroffen - und schwärmt seitdem von ihm. Alles, was sie von Fanck gelernt hat, setzt sie bald für ein ganz anderes Genre ein: Um heroische Menschen geht es auch weiterhin, nun allerdings ganz im ideologischen Verständnis der neuen Machthaber.

«Eiskalte Leidenschaft - Leni Riefenstahl und Arnold Fanck zwischen Hitler und Hollywood» läuft am Mittwoch, 20. Juni, um 22.20 Uhr auf Arte. Mit Swisscom TV Replay können Sie die Sendung bis zu sieben Tage nach der Ausstrahlung anschauen.

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