TV-Tipp Mit Mord die Midlife-Crisis bekämpfen

tsch

27.8.2018

Woody Allen veröffentlichte mit «Irrational Man» eine für sein Werk idealtypische Tragikomödie. SRF zwei zeigt sie nun erstmals, zu später Stunde.

Kurz nach dem Start seines Films «Irrational Man» feiert Woody Allen im Dezember 2015 seinen 80. Geburtstag. Überaus passend lieferte die gelungene Tragikomödie einen erzählerischen Querschnitt durch die Arbeit des Meisters - im Guten wie Schlechten.

Ganz wie die frühen, von ihm selbst verkörperten Hauptfiguren, etwa in «Manhattan» (1979) oder «Der Stadtneurotiker» (1977), ist auch der Protagonist in «Irrational Man» ein getriebener, zweifelnder, sinnsuchender Intellektueller: Joaquin Phoenix schafft es einigermassen überraschend, dem im US-Indie-Kino oft bemühten Klischee-Typus des existenzialistisch daherredenden Philosophie-Professors glaubhafte Züge zu verleihen. Abe Lucas, so der Name der Figur, quält sich als lebende Koryphäe des Fachs und einst in Krisengebieten Engagierter mit der Frage nach dem Nutzen seiner Arbeit ab.

Für einmal Klein- statt Grossstadt

Selbstverständlich folgt Allen trotz der belebenden Ausflüge in «Midnight in Paris» (2011) und «Blue Jasmine» (2013) seinem seit Jahrzehnten wohlbekannten Muster in Sachen Beziehungs-Blabla. So trifft der alte Professor in seinem kleinen Uni-Städchen (als Gegenstück zu Allens sonstiger Grossstadt-Affinität) auf eine junge Studentin namens Jill - verkörpert von Allens damaliger Muse Emma Stone, die ebenso herzerfrischend klug und grandios patzig auftritt wie bereits in «Magic in the Moonlight» (2014), an dessen langweiliger Beliebigkeit auch sie nichts zu ändern vermochte.

Ihre kokette Figur Jill vermag indes mit ihrem ungeheuchelten philosophischen Interesse den betrübten Zustand Abes rasch aufzuhellen. Zunächst geht das noch recht platonisch vonstatten - mit auch für den Zuschauer erheiternden Gesprächen, die von Kant bis Kierkegaard ganz im Geiste des 70er-Jahre-Allens ein ironisch angedeutetes akademisches Bonmot nach dem anderen streuen. Bald schon möchte die junge Intellektuelle jedoch mehr von ihrem Professor, der die eindeutigen Liebes-Avancen zunächst ablehnt.

Wie in seinem Spätwerk nun schon des Öfteren findet Allen in «Irrational Man» zu einer frischeren, emanzipierteren Version der langweiligen Herrenfantasie vom alten Mann und dem jungen unschuldigen Mädchen: Wenn Letztere in Gestalt Jills nämlich den aktiven Part übernimmt, kommt der von seiner Verehrerin überraschte Denker gar nicht erst dazu, seine Studentin zu verführen. Und, umso besser: begreift sie nicht als Muse, die ihm aus einer finsteren Midlife-Crisis helfen soll.

Verbrechen als Ausweg

Das schafft Abe und damit Regisseur Allen nämlich auf eine ganz andere Art, die schon Filme wie «Verbrechen und andere Kleinigkeiten» (1989), «Schmalspurganoven» (2000) aber vor allem die düsterere europäische Phase von «Match Point» (2005) bis «Cassandras Traum» (2007) prägte: mit einem Verbrechen, einem Mord, einem Schuldigwerden. Jenen Ansatz, der Allen immer gut stand, vermisste man in den Seichtheiten der letzten Filme. In «Irrational Man» kommt er in der titelgebenden Irrationalität der Hauptfigur wieder zum Vorschein: Abe will einen Mann umbringen.

Nicht irgendeinen jedoch: Um seinem Leben wieder einen Sinn zu verleihen - und zugegebenermassen auch, um seine Erektionsprobleme zu überwinden - will Abe einen als Fiesling in Szene gesetzten Richter ermorden, der einer armen Frau unverdientermassen das Sorgerecht für ihr Kind aberkennen möchte. Wie Woody Allen anhand der Thematisierung des «ethisch richtigen Verbrechens» grundlegende existenzialistische Fragen und psychologische Muster diskutiert, ist bravourös.

Im Gegensatz zu ungefähr der Hälfte seiner Werke zieht Allen in «Irrational Man» den Spannungsbogen nicht aus der Liebesaffäre als solcher. Vielmehr strauchelt er sich dank eines erhabenen Drehbuchs, begabter Darsteller und seinem herausragenden Händchen für den tragischen Witz durch eine unterhaltsame Intellektuellen-Mord-Romanze.

«Irrational Man» läuft am Montag, 27. August, um 23 Uhr auf SRF zwei. Mit Swisscom TV Replay können Sie die Sendung bis zu sieben Tage nach der Ausstrahlung anschauen.

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