Interview Wie sich ein «Prepper» für den Fall einer Katastrophe wappnet

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11.10.2018

Was tun, wenn die Apokalypse naht? – Benjamin Arlet zählt zu den Vorreitern der deutschen «Prepper»-Bewegung. Im Interview spricht er auch über den Realitätsbezug von Seriendystopien wie «The Walking Dead».

Es lebe die Endzeitstimmung: Auch im hiesigen Fernsehen faszinieren Dystopien wie die Kultserie «The Walking Dead» ein Millionenpublikum. Doch so reizvoll die postapokalyptischen Szenarien in Literatur, Film und Fernsehen auch sind – wer wirklich an einen solchen Ernstfall denkt, wird zumindest hierzulande eher belächelt. Benjamin Arlet kann damit umgehen. Er zählt zu den Vorreitern der deutschen «Prepper»-Bewegung, das heisst: Der Mann will vorbereitet sein für den Fall der Fälle, er hat daraus sogar ein Geschäftsmodell gemacht. Der Berliner bringt den Leuten bei, «wie sie in Krisensituationen improvisieren können». Vor der deutschen Free-TV-Premiere der achten Staffel von «The Walking Dead» (ab Freitag, 12. Oktober, 23 Uhr, bei RTL 2; täglich in Doppelfolgen) spricht der renommierte Survival-Experte über den Realitätsgehalt fiktionaler Weltuntergangsszenarien und verrät, wie sich jeder wappnen sollte. Da es in einer Welt am Abgrund schon mit den überlebenden Menschen reichlich kompliziert werden könnte, klammert er den Zombie-Bezug lieber aus.

Herr Arlet, in Literatur, Film und Fernsehen hat die Apokalypse Konjunktur wie nie zuvor. Doch in der Realität mag sich kaum ein Mensch mit dem Thema Endzeit beschäftigen. Ist dieses Ausblenden für Sie nachvollziehbar?

Ja, weil die konkrete Auseinandersetzung damit für die Psyche sicherlich nicht gesund wäre. Auch ich beschäftige mich ja keineswegs mit dem Ende aller Tage. Das ist ein grosses Missverständnis: Mein Thema sind Krisensituationen, aber ich rede nie von Apokalypse und irgendwelchen Weltuntergangsszenarien – so faszinierend auch ich einschlägige Bücher, Filme oder Serien finde.

Marc Elsbergs Thriller ‹Blackout - Morgen ist es zu spät› erzählt davon, wie ein Stromausfall binnen zwei Wochen ganz Europa in den Ausnahmezustand versetzt. Realistisch?

Durchaus. Allerdings gehört so eine gigantische Störung wie etwa auch eine jahrelange Dürre oder eine Art Eiszeit schon zu den gewaltigsten Szenarien, die man sich so ausmalen kann. Für deutlich wahrscheinlicher halte ich kleinere, zeitlich und regional begrenzte Ernstfälle: dass plötzlich wichtige Infrastrukturen nicht mehr funktionieren – also Strom, öffentliche Verkehrsmittel, die Wasserversorgung ausfallen. Dass ich aufgrund einer Evakuierung meine Wohnung Hals über Kopf verlassen muss. Dass wir es mit einem heftigen Hochwasser zu tun bekommen, sodass weite Gebiete geräumt werden müssen. Oder denken Sie an einen gewaltigen Waldbrand oder auch an einen Zwischenfall in einem der älteren Atomkraftwerke. Um solche Dinge geht es. Jeder sollte sich fragen: Was mache ich, wenn eines Tages jemand an meine Tür klopft und sagt: ‹Guten Tag, wir müssen Ihre Strasse oder Ihr Dorf evakuieren – packen Sie das Nötigste ein, Sie haben zehn Minuten Zeit!› Es ist absolut angebracht, für solche Fälle vorzusorgen.

Was soll man tun?

Im Grunde sagt uns das doch der gesunde Menschenverstand – und auch das (deutsche, Anm. d. Red.) Bundesamt für Katastrophenschutz im Rahmen des Konzepts der zivilen Verteidigung: Jeder soll für den Fall der Fälle seine wichtigsten Papiere griffbereit halten und zu Hause Vorräte und Ausrüstung, vom Schlafsack bis zur Wechselkleidung, fertig gepackt in einem Rucksack bereitliegen haben. Es geht darum, sich notfalls für einige Tage selbst helfen und schützen zu können, solange, bis irgendwann fremde oder öffentlich organisierte Hilfe kommt. Diese sogenannte «Selbsthilfefähigkeit» ist als Grundpfeiler im deutschen Katastrophenschutz verankert. Das ist sehr vielen Leuten nur nicht bewusst. Wahrscheinlich, weil in unserem Alltagsleben immer alles im Überfluss verfügbar ist. Da vergisst man wohl die Notwendigkeit zur Vorsorge.

Sind Prepper wie Sie also einfach ängstlicher als andere?

Ich bin ängstlich, ja: so ängstlich wie ein Pilot, der in sein Flugzeug steigt und einen Fallschirm dabei hat. Oder wie ein Autofahrer, der regelmässig Fahrsicherheitstrainings absolviert. Oder ein Hausbesitzer, der sich gegen Elementarschäden versichert. Ich betreibe Krisenvorsorge, will mir im Fall der Fälle selbst helfen können - und ich empfinde das als absolut seriös. Seit zwei Jahren engagiere ich mich sogar beim THW (die deutsche Bundesanstalt Technisches Hilfswerk, Anm. d. Red.).

Und Sie haben einen Beruf daraus gemacht: Sie sind Geschäftsführer und Trainer der Berliner Firma ‹SurviCamp›, die Outdoor-Kurse und Survival-Trainings anbietet. Worum geht es dabei?

Wir bringen den Leuten bei, wie sie in Krisensituationen improvisieren können - im urbanen Umfeld genauso wie auf dem Land und in der freien Natur, im Sommer wie im Winter. Unsere Kundschaft kommt aus allen möglichen Altersgruppen und Milieus: ein Drittel sind Frauen, zwei Drittel Männer. Wir haben Handwerker, Anwälte, Ärzte. Die einen wollen wirklich Anleitung, um für Eventualitäten gewappnet zu sein, andere suchen eher ein bisschen Abenteuer. Manche fürchten sich in der Tat vor Naturkatastrophen oder ähnlichen Szenarien. Es kommen aber beispielsweise auch Leute, die einfach eine Weltreise planen und wissen wollen, wie sie sich für bestimmte Bedingungen und Regionen vorbereiten und ausrüsten sollen.

Worauf präparieren Sie sich persönlich?

Grob gesagt – für zwei Szenarien: einen längeren Stromausfall, der ja sehr bald den Verzicht von allen möglichen Annehmlichkeiten unseres Alltags nach sich ziehen würde, und für eine kurzfristige Evakuierung aus meiner Wohnung – durch welche Ursachen auch immer. Also habe ich lange haltbare Lebensmittel und Wasservorräte zu Hause. Auch solche Dinge wie eine Camping-Toilette, einen kleinen Brenner, ein Kurbelradio und eine Erste-Hilfe-Ausrüstung sowie vermeintliche Banalitäten wie Feuerzeuge, Müllsäcke, Batterien, Toilettenpapier und andere Hygieneartikel sind bei mir umfangreich vorrätig. Ausserdem habe ich eine komplette Trekkingausrüstung griffbereit - da ist neben Dokumenten und Bargeld alles drin, um ausserhalb meiner vier Wände mindestens zwei Wochen lang zurechtzukommen. Nach dieser Zeit würde es kritisch werden. Bis dahin sollte ich irgendwo hingekommen sein, wo ein gewisses Mass an Versorgung gewährleistet ist.

Wo hätte man im Krisenfall grundsätzlich bessere Chancen: auf dem Land oder in der Grossstadt?

Auf dem Land! In den Dörfern ist nach meiner Erfahrung das Thema Krisenvorsorge deutlich weiter verbreitet. Es dürfte dort viel mehr Menschen geben, die sich Vorräte angelegt haben als in der Stadt – und vermutlich ist auch die Hilfsbereitschaft etwas stärker ausgeprägt. In der Stadt träfen Sie zwar vermutlich auf viele andere betroffene Menschen – aber bedenken Sie, dass da auch einige dabei sein könnten, die Ihnen nichts Gutes wollen. Da ist «The Walking Dead» genau wie die meisten Filme und Bücher nach meiner Einschätzung sehr realistisch aufgebaut. Dass etwa nach den schweren Hurricans in den USA die Ladenbesitzer in den Städten mit der Schrotflinte in der Hand vor ihren Geschäften sitzen, um ihr Hab und Gut zu verteidigen, hat ja Gründe ... Das hängt natürlich alles von der Gewalt des Szenarios ab, mit dem Sie es zu tun haben.

Wäre der Besitz einer Schusswaffe ratsam?

Das muss jeder für sich selbst entscheiden. Ich denke, wer sich eine Schusswaffe anschafft, sollte vorher sehr genau darüber nachdenken, was das alles mit sich bringt. Damit meine ich zum einen den hohen bürokratische und finanziellen Aufwand. Zum anderen bedeutet es auch, dass ich regelmässig – also mindestens jeden Monat – üben muss, damit umzugehen, sonst kann ich die Waffe in einer Stresssituation gar nicht einsetzen oder verletze mich selbst. Und ich muss mir ganz klar bewusst sein, dass diese Waffe im Zweifelsfall jemanden töten wird, wenn ich sie zum berechtigten Selbstschutz einsetze. Wer nicht bereit ist, alle diese Dinge auf sich zu nehmen, sollte das mit der Schusswaffe lieber bleiben lassen.

Gibt es Typen, die in einem Krisenszenario besser zurechtkommen als andere?

Auf jeden Fall: Die besten Chancen habe ich, wenn ich gesund, körperlich belastbar und in der Lage bin, mit anderen Menschen zu agieren und kommunizieren. Wer gruppenfähig ist, hat bessere Karten als ein Eigenbrötler. Auch eine gewisse Stressresistenz wäre hilfreich. Genauso Erfahrungen im Outdoor-Sport sowie die innere Bereitschaft, für einige Tage auf jeglichen gewohnten Komfort zu verzichten. Darum geht es beispielsweise auch in unseren Trainings.

Nicht zuletzt ist so ein Szenario wohl eine psychische Herausforderung.

Klar im Vorteil ist, wer sich von der Krise nicht komplett überwältigen lässt: Wer lösungsorientiert bleibt, nach vorne denkt und eine positive Einstellung zu den Dingen findet – sei die Lage auch noch so schwer. Natürlich könnte sehr schnell auch die Einsamkeit zu einem grossen Problem werden. Also geht es darum, sich Gruppen anzuschliessen oder an Sammelpunkte und öffentliche Einrichtungen zu gelangen. Es ist grundsätzlich geboten, im Ernstfall schnellstmöglich in eine gewisse Infrastruktur zurückzufinden.

Wobei gerade «The Walking Dead» sehr nachvollziehbar aufzeigt, dass auch die Gruppendynamik enorme Gefahrenpotenziale hat ...

So ist es. Gerade das finde ich so faszinierend an dem apokalyptischen Zombie-Stoff: Es gilt auch in Zeiten der totalen Anarchie wie eigentlich immer im Leben, aufmerksam und vorsichtig zu bleiben, sich genau anzuschauen, mit wem man es zu tun hat. Wem kann ich vertrauen? Wer denkt nur an sich? Wer hat Allmachtsfantasien? Und wer würde für seinen eigenen Vorteil im wahrsten Sinne des Wortes über Leichen gehen?

Die achte Staffel von «The Walking Dead» läuft ab Freitag, 12. Oktober, 23 Uhr, als Free-TV-Premiere bei RTL 2. Mit Swisscom TV Replay können Sie die Sendung bis zu sieben Tage nach der Ausstrahlung anschauen.

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