Ab dem 1. August wird es auch im Radsport Gelbe Karten geben. Diese vom Weltverband UCI neu vorgesehene Möglichkeit, gefährliche Aktionen zu ahnden, findet bei den Schweizer Profis Zustimmung.
Die Sicherheit und deren Verbesserung sind seit jeher zentrale Aspekt im Radsport – und zugleich ein ständiges Diskussionsthema. Dass nun mit den Gelben Karten, die an Fahrer, aber auch an die Sportlichen Leiter und an andere am Rennen beteiligte Personen ausgeteilt werden können, eine zusätzliche Sanktionsmöglichkeit eingeführt wird, wird von praktisch allen Beteiligten begrüsst.
«Gelbe Karten sind eine gute Sache», sagt Mauro Schmid. Er habe schon in einer früheren Phase der Diskussion gefordert, dass dieses Element der Sanktion eingeführt werden soll, so der Zürcher. Stefan Bissegger findet es «sinnvoll, dass man genauer hinschaut und das Ganze regelt. Denn es gibt immer wieder Fahrer, die andere gefährden. Weil es, vielleicht auch nur mit Glück, gut ausgegangen ist, ist es aber zu wenig für einen Rennausschluss». Der Thurgauer sieht es in solchen Fällen als gerechtfertigt, dem Verursacher der Gefährdung die Gelbe Karte zu zeigen.
Künftig würde ein Fahrer bei zwei Gelben Karten in einem Rennen disqualifiziert und für sieben Tage gesperrt. Drei Gelbe Karten innert eines Monats ergäben eine Sperre von 14 Tagen. Wer sich innerhalb eines Jahres sechs solcher «leichter» Vergehen leistet, müsste 30 Tage pausieren. Bissegger sieht durchaus «gewisse Fahrer mit solchen Verhaltensmustern, die sich nicht nur einmal pro Jahr zeigen». Nun besteht bald die Möglichkeit, solches Verhalten zu sanktionieren – und bei den Verursachern durch drohende Sperren eine Anpassung zu erzwingen.
«Grenzwertig, was manchmal abgeht»
Für Michael Schär, Ende letzter Saison nach 18 Profi-Jahren zurückgetreten und nun Sportlicher Leiter beim Team Lidl-Trek, «verleihen diese Gelben Karten dem ganzen System an Sanktionen etwas mehr Struktur. Gut finde ich auch, dass das System auf alle angewendet wird, also auch auf die Begleitautos und Motorräder. Das bekomme ich erst jetzt als Sportlicher Leiter so richtig mit, was da im ganze Konvoi abgeht. Das ist manchmal wirklich grenzwertig.»
Mauro Schmid ist wichtig, «dass das System richtig angewendet wird». Das ist exakt der Punkt, den auch Stefan Küng anspricht. Stand jetzt erscheine ihm alles «noch etwas vage». Bis zur Einführung am 1. August fordert der Thurgauer Routinier von der UCI, «ganz klar auszuformulieren, wann es Gelbe Karten absetzt». Geht es nach Küng, gehört sicherlich das Fahren auf dem Trottoir in den Index. Dieses führe immer wieder zu sehr gefährlichen Situationen. «Es wurde aber bislang zu wenig stark geahndet. Das Problem ist, dass du vom Trottoir auch wieder auf die Strasse zurückkommen musst. Gerade wenn das Feld kompakt ist, gibt es dadurch eine Wellenbewegung, das Risiko von Stürzen steigt.»
Wenn man da genauer hinschaue, «dann setzt in den Köpfen ein Umdenken ein», hofft Küng. «Nämlich, dass Trottoir quasi wie Lava ist, man da also keineswegs hingeht.» Es gebe noch ein paar weiterer solcher Regeln, die durchgesetzt werden sollten, so Küng, der aber eines nicht verbieten will: «Die Ellenbogen soll man weiterhin ausfahren dürfen, denn das gehört zum Radsport. Gerade in den Sprints sieht es manchmal fast kriminell aus. Aber solange es die Fahrer im Griff haben, sollte man da nicht eingreifen.»
Funk kann zu Stress führen
Beim Thema Funk will die UCI ebenfalls aktiv werden. Ab August sollen in einzelnen Rennen testweise nur noch ein paar wenige Fahrer Kopfhörer tragen und mit ihren Sportlichen Leitern kommunizieren dürfen. Michael Schär ist als Sportlicher Leiter neuerdings in einer Funktion, in der er den Fahrern möglichst viele Informationen zukommen lassen möchte. Dennoch findet der Luzerner, dass man den reduzierten Funkverkehr versuchen soll. «Alles, was hilft, um das Sturzrisiko zu vermindern, ist prüfenswert.»
Silvan Dillier fände es «grundsätzlich gut», sollte den Fahrern wieder mehr Verantwortung übertragen werden und sollten sie sich wieder mehr aufs Rennen vorbereiten müssen. «Denn mittlerweile muss man kaum mehr selbst den Parcours anschauen, weil man den im Meeting durchgeht und danach den Sportlichen Leiter im Ohr hat, der einem jede Kurve ansagen kann. Solche Anweisungen führen zgu mehr Stress im Feld.»
Stefan Küng spricht in diesem Zusammenhang von einem «Herdentrieb». Eigentlich könnten die Fahrer gut selber auf Gefahren reagieren, so der zweifache Zeitfahr-Europameister. «Aber manchmal werden am Funk künstlich Gefahren geschaffen, wenn es heisst, dass die Strasse schmaler wird. Normalerweise bremst man ab, wenn die Strasse schmaler wird. Doch so ist die Reaktion oftmals, dass man bei der engen Stelle vorne sein will. Also wird sogar beschleunigt. Diese Anweisungen machen das Ganze also gefährlicher.»
Weniger Hektik im Etappenfinale
Einen weiteren Punkt, den der Radsport-Weltverband in der zweiten Saisonhälfte testen will, ist die Ausweitung der Drei-Kilometer-Regel auf fünf Kilometer. Diese Regel besagt, dass ein Fahrer, der in der finalen Phase des Rennens stürzt oder einen technischen Defekt verzeichnet, in der gleichen Zeit klassiert wird wie die anderen Fahrer der Gruppe, in der er sich zum Zeitpunkt des Zwischenfalls befunden hat.
Die Ausweitung sei sinnvoll, so die Schweizer Fahrer unisono. Küng: «Denn in den letzten zwanzig Jahren, als man die Regel von einem auf drei Kilometer angepasst hatte, haben sich die Städte und Agglomerationen verändert.» Der Aargauer Dillier hofft, dass sich damit die Situation zwischen den Sprinter-Teams und den Equipen, die ihren Anwärter aufs Gesamtklassement in eine gute Position bringen wollen, «entspannt und etwas mehr Ruhe ins Finale einer Etappe einkehrt».
Die UCI habe die richtige Richtung eingeschlagen, so der allgemeine Tenor von Bissegger, Dillier, Küng und Schmid. Doch am Ende seien es noch immer die Fahrer, die das Rennen gestalten – und manche dieser Fahrer wollten eben fast um jeden Preis gewinnen.