Das Schweizer U20-Nationalteam hat an der WM in Kanada turbulente Tage hinter sich. Trainer Marco Bayer blickt im Interview mit der Nachrichtenagentur Keystone-SDA zurück und voraus.
Nach der 2:4-Niederlage Auftaktniederlage gegen Russland fiel die zweite Partie gegen Titelverteidiger USA wegen Corona-Fällen beim Gegner aus. Sie wird 1:0 für die Schweiz gewertet. In der Nacht auf Freitag steht das Schlüsselspiel gegen die Slowakei an.
Marco Bayer, die Partie gegen die USA musste abgesagt werden. Einerseits ist das positiv, da Ihr nun drei Punkte auf dem Konto habt. Andererseits tretet Ihr nun zur wichtigen Partie gegen die Slowakei praktisch ohne Spielpraxis an. Welches Gefühl herrscht vor?
Bayer: «Es ist beides. Als die Mitteilung von der Absage kam, waren die Jungs im ersten Moment brutal enttäuscht. Wir hatten uns super vorbereitet, waren im Flow und hätten extrem gerne gespielt. Jedoch ist die Situation auf der Welt derzeit von Tag zu Tag anders. Es ist nicht der erste Stein, der uns in den Weg gelegt wird. Wir müssen auch das akzeptieren und stellen uns dieser Herausforderung. Anderes können wir gar nicht tun. Wir bereiten uns nun einfach auf die Slowakei vor. Punkt.»
Wie schwierig ist die ganze Situation mental, nie genau zu wissen, was einen erwartet, immer befürchten zu müssen, dass jemand positiv getestet wird?
«Das musst du ausblenden. Ich bin für den Sport verantwortlich, für alles, was die Administration betrifft, ist unser Teammanager zuständig und für alles im Zusammenhang mit Corona unser Arzt. Jeder arbeitet in seiner Charge, wir haben volles Selbstvertrauen ineinander. Aber logisch, die Angst ist immer da. Man weiss nicht, was morgen, was übermorgen ist. Dennoch muss ich als Anführer der Mannschaft vorausgehen und positiv bleiben.»
Ihr musstet am 23. Dezember kurz vor dem Turnierstart erneut für zwei Tage in Quarantäne. Was habt Ihr gemacht, um dennoch bereit zu sein?
«Wir hatten zweimal pro Tag Kontakt mit den Jungs, um den Teamgedanken zu fördern. Weitere zweimal pro Tag absolvierten wir Trainingseinheiten via Zoom, Ausdauer und Mobilisation. Das ist ein Muss. Man kann die Jungs nicht 24 Stunden alleine im Zimmer lassen ohne Bewegung. So hatten sie eine Tagesstruktur, obwohl sie sich im Hotelzimmer aufhalten mussten. Logischerweise darf das Soziale auch nicht fehlen. Die Jungs haben an einem Abend selber etwas organisiert via Zoom. Da sieht man den Zusammenhalt dieses Teams. Das ist entscheidend, wir können nur mit gutem Teamwork Erfolge feiern. Sonst haben wir keine Chance.»
Der Auftritt gegen Russland war jedenfalls trotz der schwierigen Vorbereitung und des Ausfalls des designierten Captains Simon Knak schon einmal ziemlich solid. Wie sehen Sie das?
«Ich glaube, wir machten das gut innerhalb des Coaching Staffs. Wir sagten immer wieder, egal was passiert, wir ziehen die Jungs erhobenen Hauptes mit, versuchen sie auf die bevorstehenden Aufgaben einzustellen. Schlimm wäre gewesen, wenn wir gejammert hätten. Wir konzentrierten uns auf unsere Aufgaben, unsere Ziele. Es ist die Leistung des gesamten Staffs, dass es gegen Russland so gut funktioniert hat. Die Jungs waren auf die Sekunde bereit, das zeigt, dass wir den richtigen Plan hatten.»
Und es zeigt auch, dass der Charakter der Mannschaft stimmt.
«Absolut. Wir brachten sie dorthin mit unserer Einstellung, mit unseren Worten, mit unseren Massnahmen. Die Mannschaft ist zu einer verschworenen Einheit zusammengewachsen. Uns wurden so viele Steine in den Weg gelegt, seit wir das OYM (Trainingsstätte in Cham) verlassen haben. Wir sagten, wir müssen die negative Energie in positive ummünzen und zeigen, was in uns steckt. Das gelang uns gegen Russland sehr gut. Natürlich fehlte uns zu Beginn die internationale Pace. Zudem war die Ehrfurcht vor den Russen am Anfang zu gross. Aber je länger die Partie dauerte, je mehr trauten wir uns zu und kamen zu unseren Chancen. Wir wuchsen innerhalb des Spiels. Das System funktionierte sehr gut, wir liessen nicht viel zu. Die Mannschaft ist viel weiter wie im vergangenen Jahr.»
Wie blicken Sie auf das Schlüsselspiel gegen die Slowakei voraus?
«Die Slowaken verfügen über unglaublich talentierte Jahrgänge. In den nächsten zwei, drei Jahren werden sie um die WM-Medaillen mitspielen. Das heisst allerdings nicht, dass wir sie nicht bezwingen können. Wir werden wieder aus einer sehr starken Defensive agieren müssen, aber ich gehe davon aus, dass wir offensiv mehr kreieren können als gegen Russland. Wir werden auf unsere Chancen warten, eine hohe Pace gehen, werden physisch spielen und schauen, dass wir keine Strafen kassieren, um dann zum richtigen Zeitpunkt zuschlagen zu können.»