Jérémy Desplanches ist an der EM in Belgrad zum voraussichtlich allerletzten Mal über 200 m Lagen angetreten. Drei Jahre nach dem Gewinn von Olympia-Bronze scheitert er an der Limite für Paris.
Der Misserfolg in Belgrad gibt Desplanches zu denken. Er markiert das Ende einer Ära, denn der Genfer wird seine Karriere nach den Spielen in Frankreichs Hauptstadt beenden. Vor knapp drei Jahren in Tokio ist der WM-Zweite von 2019 die 200 m Lagen in 1:56,17 Minuten geschwommen. Noch immer belegt er mit dieser Zeit Platz 19 in der ewigen Bestenliste. Die damals schon massgebende Zeit für eine Qualifikation für Paris, 1:57,94 Minuten, stellte für den grossen Blonden in jener Zeit nur eine Formsache dar.
Diese Olympia-Medaille sei eine unglaubliche Sache, sagte Desplanches damals in Tokio. «Sie macht Lust, für Paris zu arbeiten.» Doch dann verspekulierte sich der Romand. Zur Überraschung aller plante er einen neuen Olympia-Zyklus, nachdem er die vorherige Phase wegen der Corona-Pandemie ein Jahr später als vorgesehen hatte abschliessen müssen. Desplanches wähnte sich bei all seinen Planungen gleichwohl auf der sicheren Seite. «Ich darf nicht den Fehler machen, einfach loszulegen ohne nachzudenken. Ich muss mich körperlich und geistig erholen. Die letzten Jahre waren hart», sagte er damals.
Drei Jahre voller Probleme
Die drei Jahre seit den Spielen in Tokio wurden dann aber von einer Aneinanderreihung von Problemen geprägt. Auslöser der schwierigen Zeit war Desplanches' Entscheid, seinen Mentor Fabrice Pellerin in Nizza zu verlassen und sich der Gruppe von Coach Philippe Lucas in Martigues anzuschliessen. Der Trainerwechsel machte damals Sinn, denn Desplanches hatte das Gefühl, sich nach sieben Jahren in Nizza nicht mehr weiterentwickeln zu können. Dann aber machte ihm eine Covid-Erkrankung einen Strich durch die Rechnung. Wegen der gesundheitlichen Probleme bekundete er in der neuen Umgebung Mühe, wieder einen Rhythmus zu finden.
Nunmehr ist dem bald 30-jährigen Genfer bewusst, dass er sich und seine Widerstandsfähigkeit überschätzt hat. Immer wieder war etwas dazwischen gekommen – insbesondere das Pfeiffersche Drüsenfieber, später ein «Burnout». Die Bestform fand Desplanches nie mehr.
Desplanches, der zwischen 2018, dem Gewinn des ersten Europameistertitels, und den Olympischen Spielen in Tokio der Mann schlechthin für Grossanlässe war, schaffte es in den vergangenen zwei Jahren nicht mehr, auf den Punkt in Form zu sein. Er wurde Vierter bei den Europameisterschaften 2022 in Rom und scheiterte sowohl an den Weltmeisterschaften 2023 in Fukuoka in Japan als auch im Februar dieses Jahres in Doha vorzeitig. Stets schwamm er in den Vorläufen schneller als in den Halbfinals.
Der Grund: Der Genfer sah sich nicht in der Lage, drei Rennen innerhalb von zwei Tagen auf dem erforderlichen hohen Niveau zu schwimmen. Deshalb beschloss er, in den morgendlichen Vorläufen alles zu geben. Dabei verpasste er die Olympia-Limite in diesen Rennen, die der Konkurrenz bloss als Einlaufrennen dienen, jeweils knapp – um sechs Hundertstel in Fukuoka, um 23 Hundertstel in Doha.
Torschlusspanik
Nach dem Scheitern in Katar kam bei Desplanches Torschlusspanik auf. Erneut krempelte er für seinen Alltag als Spitzensportler alles um und trainierte er fortan wieder in Genf bei Clément Bailly. Dank Mikronährstoffen nahm er fünf Kilo ab, um sein gewünschtes Gewicht zu erlangen. Aber es half alles nichts mehr. An der EM in Belgrad fehlte noch viel mehr – über eine Sekunde – zur Limite. «Es macht mich krank, dass ich das nicht geschafft habe», so Desplanches. «Ab jetzt geht es aber darum, meine dritten Olympischen Spiele bestmöglich vorzubereiten.»
Desplanches wird in Paris in der Staffel antreten können – entweder über 4x100 m Lagen oder über 4x200 m Crawl. Ein letztes Mal wird er in Paris den «grossen Bruder» spielen für die neue, erfolgreiche Generation des Schweizer Schwimmsports. Dann tritt er ab. Desplanches: «Aber es ist kein Abschied im Groll. ich kann trotzdem an viele grossartige Momente zurückdenken.»