Die Tour de Suisse erlebt einen der schwärzesten Tage ihres 90-jährigen Bestehens. Gino Mäder wurde am Tag nach seinem schlimmen Sturz am Albulapass aus dem Leben gerissen.
Die Tour de Suisse wird am Freitag mächtig durchgeschüttelt. Auf den nächtlichen und glimpflich verlaufenen Felssturz in Brienz, der die Organisatoren zu einer Verkürzung der 6. Etappe von La Punt nach Oberwil-Lieli gezwungen hat, folgte wenige Stunden später die Hiobsbotschaft vom Tod von Gino Mäder. Der 26-jährige Schweizer erlag um 11.30 Uhr im Kantonsspital in Chur seinen Verletzungen, die er sich tags zuvor bei seinem schweren Sturz in der Abfahrt vom Albulapass zugezogen hatte.
Niederschmetternde Todesnachricht vor dem Start
Die Nachricht von Mäders Team Bahrain-Victorious erwischte den Tour-Tross kurz vor dem Start in Chur mit voller Wucht. Noch am Vorabend hiess es, Mäders Zustand sei stabil. Genauere Angaben über die Art der Verletzungen wurden aber nie publik. «Auch wir haben nie wirklich Informationen über den Gesundheitszustand von Gino gehabt», hält Olivier Senn, der Direktor der Tour de Suisse, am Freitag fest.
Nach einer langen Nacht mit der Organisation der Verlegung des Startorts erhielt Senn am Morgen die Nachricht, Mäders Zustand sei unverändert. «Wir waren überzeugt, das ist ein gutes Signal. Doch dann erreichte uns die Todesnachricht, die für alle Beteiligten sehr niederschmetternd war.»
Die Bilder, die sich danach im Fahrerlager abspielten, sprachen Bände. Viele lagen sich tröstend in den Armen, konnten die Tränen nicht zurückhalten. Die Trauer war allgegenwärtig, an ein Velorennen zu diesem Zeitpunkt nicht zu denken. «Zusammen mit den Vertretern der Teams, der Fahrer, dem Weltverband UCI und dem Team Bahrain selbst kamen wir ziemlich schnell überein, dass wir kein Rennen bestreiten werden», so Senn.
Gedenkfahrt nach Oberwil-Lieli
Stattdessen entschieden sich die Tour-Organisatoren in Absprache mit Mäders Team und seiner Familie für eine Gedenkfahrt. So bestritten die Fahrer ohne Zeitmessung die letzten gut 20 km nach Oberwil-Lieli – in Gedanken an den Verstorbenen. Im Ziel wurde der Tross mit einem warmem Applaus empfangen. Senn sprach danach von der «emotionalsten Stunde meines Lebens».
Wie es mit der Tour de Suisse am Samstag weiter geht, wollten die Organisatoren bewusst erst nachher entscheiden. «Wichtig ist, dass alle Involvierten miteinbezogen werden. Die Fahrer, die Teams, wir als Organisator», so Senn. «Wir müssen herausfinden, ob unsere Leute in der Lage sind, eine Tour de Suisse zu organisieren.»
25 Minuten Reanimation
Über die genaue Todesursache machte Mäders Team keine Angaben, als es die Todesnachricht publik machte. Roland Kretsch, der Rennarzt der Tour de Suisse, war als Erstversorger an der Unfallstelle und gab am Freitag im Schweizer Fernsehen Auskunft über das Geschehen. «Als wir an der Unfallstelle waren, fanden wir den Fahrer bewusstlos und pulslos in einem Ausgussbecken quer zur Flussrichtung. Wir haben ihn herausgezogen und direkt reanimiert.»
25 Minuten soll die erfolgreiche Reanimation gedauert haben. Danach wurde Mäder transportfähig gemacht und mit dem Rega-Helikopter nach Chur in die Traumatologie des Kantonsspitals geflogen, wo er weiter versorgt wurde. Laut Kretsch bestand der Verdacht auf ein Schädel-Hirn-Trauma mit einem «Sauerstoff-Hirnschaden». Ansonsten seien bei der Erstdiagnose an Mäders Körper keine gravierenden Verletzungen festgestellt worden.