Spanien ist zum vierten Mal Europameister und damit alleiniger Rekordhalter. Im Final von Berlin setzen sich die Iberer 2:1 gegen England durch.
Es ist ein verhältnismässig unspektakulärer Angriff, der die spanische Nationalmannschaft auf Europas Thron zurück hievt. Es läuft die 86. Minute, als der Ball auf der linken Seite zu Marc Cucurella kommt. Der Verteidiger, der seit seiner zweifelhaften Intervention im Viertelfinal gegen Deutschland von gegnerischen Fans konsequent ausgepfiffen wird, legt den Ball in die Mitte. Mikel Oyarzabal, der eingewechselte Stürmer, vollendet zum zweiten und entscheidenden Treffer für die Spanier, die damit als einziges Team viermal Europameister geworden sind. Bisher hatten sich die Iberer den Spitzenplatz an Titeln mit Gastgeber Deutschland geteilt.
Williams und Yamal harmonieren
Spanien war allenthalben die Favoritenrolle zugeschrieben worden. Auch wenn Trainer Luis de la Fuente am Vortag sein Team partout nicht favorisiert gesehen haben wollte. Zu souverän waren die Iberer durch das Turnier gekommen, zu eingespielt schien die junge Mannschaft, zu stark in der Offensive.
Kein Team traf in Deutschlands Stadien öfters als die «Selección». In der ersten Halbzeit war dieses Potenzial zwar auch in Ansätzen zu sehen, etwa bei den berüchtigten Läufen über die Flügel von Nico Williams und Lamine Yamal. So richtig gefährlich wurde es vor Englands Jordan Pickford aber erst nach dem Seitenwechsel.
Und die beiden Jungspunde Spaniens zeigten, dass sie exzellent harmonieren. Keine zwei Minuten waren gespielt, als Yamal in die Mitte zog und Williams mit einem genauen Pass hinter die Abwehr einsetzte. Diesmal konnte kein Engländer mehr den Fuss hinhalten, keiner mehr den Kopf zwischen den Ball und das Tor schieben. Und Pickford blieb beim wuchtigen Schuss chancenlos.
Williams' Treffer war der 14. an diesem Turnier, in das die Spanier nicht mit viel Kredit gestiegen waren, zu unerfahren seien die Spieler, zu unerfahren sei vor allem auch der Trainer, der bis zu seiner Übernahme des A-Nationalteams nach der WM in Katar primär im Juniorenbereich tätig gewesen war. Mit dem Gewinn des EM-Titels fehlen den Kritikern nun schlagkräftige Argumente.
Southgates Händchen reicht diesmal nicht
Die Engländer bewiesen einmal mehr ihre ausgeprägten Comeback-Qualitäten. Bereits im Achtelfinal gegen die Slowakei, im Viertelfinal gegen die Schweiz sowie im Halbfinal gegen die Niederlande holte die Mannschaft von Gareth Southgate einen Rückstand auf. Und der viel gescholtene Trainer konnte sich zum wiederholten Mal auf die Schulter klopfen, den richtigen Spieler eingewechselt zu haben.
Denn wie bereits im Halbfinal war Cole Palmer entscheidend daran beteiligt, das Geschehen für die Engländer vorübergehend in gewünschte Bahnen zu lenken. Keine drei Minuten stand der Akteur von Chelsea auf dem Feld, als er einen Rückpass von Jude Bellingham platziert in die entfernte Torecke schoss und im weitgehend mit Engländern gefüllten Olympiastadion für Ekstase sorgte.
Es war der Lohn für eine Leistungssteigerung nach dem Gegentor, nachdem die Three Lions mutiger auftraten. Und Southgate bewies ebenfalls Mut, indem er Captain und Topskorer Harry Kane bereits nach einer Stunde vom Feld nahm und mit Ollie Watkins ersetzte, dem Stürmer von Aston Villa, der im Halbfinal zum späten Helden avanciert war.
Diesmal trägt der Held des Abends aber kein weisses Shirt. Declan Rice bot sich in der Nachspielzeit mit einem Kopfball eine exzellente Möglichkeit, England ein weiteres Mal zurück ins Spiel zu bringen. Unai Simon, der ansonsten wenig gefordert wurde von den Engländern, parierte aber mit einem starken Reflex.
Damit geht für England das Warten auf den zweiten grossen Titel nach der WM 1966 weiter. Und Spanien ist nach 2012 zurück auf dem Thron.