Alle zwei Jahre stellen sich die amerikanischen Golfprofis den Europäern als klare Favoriten zum Ryder Cup, dem prestigeträchtigen Kontinentalwettkampf. Ab Freitag haben die US-Golfer in Whistling Straits im Bundesstaat Wisconsin Heimvorteil. Ob er ihnen etwas nützt?
Der vom englischen Samenhändler Samuel Ryder gegründete Ryder Cup findet seit 1927 immer in den ungeraden Jahren statt. Zwei Ereignisse haben den Rhythmus gebrochen. 2001 war es undenkbar, den Grossanlass kurz nach den Terrorattentaten des 11. September durchzuführen. Nach der Verschiebung auf 2002 behielt man die Kadenz in den Geraden bei. Bis die Pandemie im 2020 erneut eine Verlegung verursachte. So kann man jetzt wieder bei der Tradition der ungeraden Jahre aufnehmen.
Spannend wurde der jeweils von Freitag bis Sonntag stattfindende Ryder Cup erst ab 1979. Bis dorthin war die britisch-irische Auswahl den Amerikanern meistens hoffnungslos unterlegen. Es gab zahllose Kanterresultate. Mit der Ausweitung auf eine gesamteuropäische Auswahl hat sich alles geändert. Die Europäer gewannen 12 von 20 Duellen, ohne dass sie je favorisiert gewesen wären.
Europas Golf-«Oldies» gegen die wilde US-Boys
Europäer «schwächer», aber erfahrener
In dieser Woche ist es nicht anders. Die vom Iren Padraig Harrington als nicht spielendem Captain angeführten zwölf Europäer sind mit einem Weltranglisten-Durchschnitt von 30 deutliche Aussenseiter gegenüber den von Steve Stricker befehligten zwölf Amerikanern, die es auf den sagenhaften Rangdurchschnitt von 9 bringen. Andererseits stellen die Europäer mehr erfahrene Spieler. Sieben von ihnen waren schon beim deutlichen Sieg von 2018 im Golf National in Paris dabei. Den Europäern würde ein Unentschieden (14:14) ausreichen für die erfolgreiche Titelverteidigung.
DeChambeau gegen Koepka
Auch diesmal setzt man bei den Europäern auf Zusammenhalt, während bei den Amerikanern zur ungünstigsten Zeit der Dauerkonflikt zwischen den Topspielern Bryson DeChambeau und Brooks Koepka aufzuflammen scheint. Koepka kritisiert seit Jahren das langsame Spiel von DeChambeau.
Als «kindisch» bezeichnete Europas ehemaliger Captain Tony Jacklin den Streit, der einzig dem Gegner zugutekomme. «Die Europäer werden jede Schwäche beim Gegner ausnutzen», ist der 77-jährige Engländer überzeugt. Der Deutsche Martin Kaymer, einer von fünf Vizecaptains in Europas Auswahl, sagt mit Überzeugung: «Wir haben den besseren Team-Spirit.»
Schon am Dienstag waren auf der Ryder-Cup-Anlage viele Fans, wegen der Corona-Reisebeschränkungen aber nur ganz wenige im europäischen Blau. Die Spieler absolvierten Medientermine und machten Team-Fotos, bewegen sich insgesamt aber in einer ganz engen Corona-Blase. Zu den Zuschauern wird Distanz gewahrt, Autogramme sollen keine gegeben werden.
Der Ryder Cup ist einer der fünf medial wichtigsten Sportevents weltweit. Er lockt bis zu 800 Millionen TV-Zuschauer an.