Die Abschiedstour von Jürgen Klopp beim FC Liverpool könnte zum grossen Triumphzug werden. Der erste Titel ist im Trockenen, drei weitere könnten folgen. Dabei fehlen Klopp zahlreiche Leistungsträger.
Elf Stars, darunter Topskorer Mohamed Salah, Torhüter Alisson Becker und Nationalverteidiger Trent Alexander-Arnold, waren am Sonntag beim 1:0-Sieg nach Verlängerung im Final des Ligacups gegen Chelsea ausgefallen. Nummer 12 kam mit dem früh verletzt ausgeschiedenen Ryan Gravenberch hinzu. Klopp musste auf seine Nachwuchskräfte aus der Akademie setzen – und wurde von diesen nicht im Stich gelassen.
«Klopps Kids gegen die blauen, millionenschweren Bottlejobs», spottete TV-Experte Gary Neville. Als Bottlejobs werden in England häufig Spieler bezeichnet, die unter grossem Druck versagen. Nah kam diesem Ausdruck einst der frühere Bayern-Trainer Giovanni Trapattoni, als er in seiner legendären Wutrede von Spielern «schwach wie eine Flasche leer» sprach.
«Manchmal werde ich gefragt, ob ich stolz auf dies, stolz auf das bin, und das ist wirklich schwierig. Ich wünschte, ich könnte öfter Stolz empfinden, aber das tue ich einfach nicht», sagte Klopp nach dem Spiel. «Heute Abend habe ich jedoch das überwältigende Gefühl: 'Oh mein Gott, was ist hier los?' Ich bin stolz auf alle, die hier an allem beteiligt waren.»
Überwältigter Klopp
Klopp ging so weit, dass er von der «mit Abstand speziellsten Trophäe» sprach, die er in mehr als 20 Jahren Trainertätigkeit gewann. Dabei ist der Ligacup der Wettbewerb im englischen Profifussball mit der geringsten Bedeutung. «Es ist ein Abend, den ich nie vergessen werde. Wenn das sonst niemand so sieht, kein Problem. Für mich ist es eine wirklich schöne Erinnerung für immer», sagte der 56-Jährige.
Selten sah man den früheren Dortmunder Meistertrainer derart überwältigt. «Können Sie im Fussball Geschichten erschaffen, die garantiert niemand vergessen wird? Es ist so schwierig, weil alles schon einmal passiert ist. Aber heute Abend, eine Geschichte, bei der Akademie-Spieler gegen eine Spitzenmannschaft antreten und trotzdem gewinnen, davon habe ich noch nie gehört.»
Zu den Spielern, die während der 120 Minuten bei Liverpool zum Einsatz kamen, gehörten die kaum bekannten Conor Bradley (20 Jahre), Bobby Clark (19), James McConnell (19), Jayden Danns (18) und Jarell Quansah (21). Das entscheidende Tor erzielte aber einer der wenigen im Team noch verbliebenen Stars: Der Niederländer Virgil van Dijk traf in der 118. Minute eines packenden und rasanten Finals per Kopf.
Teil 1 von 4 des Schlussakts
Damit ist der erste Titel auf Klopps Abschiedstournee perfekt, drei weitere können noch folgen. In der Premier League führt Liverpool knapp vor Manchester City und Arsenal die Tabelle an, ausserdem kann die Mannschaft noch den sportlich wertvolleren FA Cup und die Europa League gewinnen.
Im Sommer wird Klopp seinen Klub nach dann neun Spielzeiten verlassen. «Mein Vermächtnis ist mir völlig egal. Ich bin nicht hier, um eines zu schaffen», sagte der Deutsche zu seinen noch verbleibenden Aufgaben: «Als Manager eines Fussballvereins ist man dazu da, seinen Job zu erledigen.» Solange die Fans hinter dem Klub stünden, sei es deswegen auch kein Problem, wenn der Trainer geht.
Als Klopp 2015 bei Liverpool einstieg, war der FC Liverpool weit entfernt von Titeln. Mit ihm gewann er 2019 die Champions League und 2020 zum ersten Mal seit 30 Jahren die englische Meisterschaft. Im Ligacup triumphierte der Klub bereits 2022 ein erstes Mal unter Klopp – ebenfalls mit einem Finalsieg gegen Chelsea.
Kein Wunder, würden sie den Trainer in Liverpool am liebsten gar nicht mehr ziehen lassen. «Es mag eine hoffnungslose Aufgabe sein, aber wie können sie ihn jetzt einfach in den Sonnenuntergang reiten lassen?», schrieb das «Liverpool Echo». Die Zeitung forderte die Klubbesitzer am Montag auf, zum Hörer zu greifen und den Teammanager bei seinem Entscheid, den Verein nach fast neun Jahren im Sommer zu verlassen, noch umzustimmen.