Mathilde Gremaud spricht nach ihrem Triumph im Slopestyle über ihre verrückte Achterbahnfahrt an den Winterspielen in China.
Was für eine verrückte Geschichte das ist: Vor einer Woche, an ihrem 22. Geburtstag, gewinnt Mathilde Gremaud im Big Air die Bronzemedaille. Sechs Tage später scheitert sie im Slopestyle fast in der Qualifikation, in jener Disziplin, in der sie vor vier Jahren in Südkorea Silber hinter Sarah Höfflin geholt hat. Mit viel Dusel rutscht die Schweizerin als Zwölfte und Letzte gerade noch in den Final.
In diesem setzt sich der negative Trend fort. Nach wenigen Sekunden stürzt Gremaud im ersten Lauf. Sie landet nach dem ersten Rail leicht verdreht, verliert den rechten Ski, zerstört die Bindung. Sie muss in der kurzen Pause den Ski wechseln. Dann kommt der zweite Lauf und in dem funktioniert tatsächlich alles wieder. Gremaud meistert die Rails, landet einen 1080, einen 900 und einen 720. Sie erhält 86,56 Punkte – und gewinnt Gold.
Mathilde Gremaud, der Schweizer Disziplinenchef Christoph Perreten beschreibt es als Achterbahnfahrt, was Sie an den Spielen von Bronze im Big Air bis zu Gold im Slopestyle durchmachten. Und Sie?
(überlegt) «Nennen wir es ›crazy’.»
Das emotionale Loch in den letzten Tagen, das Beinahe-Aus in der Qualifikation und schliesslich der Sieg im Slopestyle: Es ist in der Tat eine verrückte Geschichte.
«Unglaublich. Es fällt mir schwer, auszudrücken, was ich fühle. Jedenfalls sind es nur positive Emotionen. Am Montag war ich buchstäblich am Boden. Ich fühlte mich leer. Nach der Qualifikation habe ich eine halbe Stunde geweint und alles rausgelassen. Das hat gutgetan, so konnte ich neu starten. Dieses emotionale Auf und Ab liegt wohl ein wenig in meinem Charakter.»
In der Qualifikation haben Sie sich selbst schon abgeschrieben, dann reichte es gerade noch. Was hat das bewirkt?
«Ich habe gewissermassen eine zweite Chance bekommen. Zuerst nahm ich das recht gleichgültig zur Kenntnis, weil ich den ganzen Tag in einer negativen Stimmung war. Heute gab mir das wahrscheinlich genau die nötige Lockerheit. Ich erwartete nicht viel und dachte bloss: Mal schauen, was geht. Wie auch immer es herauskommt, ich habe mein Ziel mit der Medaille im Big Air erreicht.»
Dann streikte im ersten Run gleich zu Beginn auch noch das Material.
«Der Stopper an der Bindung ging einfach kaputt. So etwas ist mir noch nie passiert. Ich tauschte dann diesen einen Ski aus, was eigentlich eine willkommene Ablenkung war. So dachte ich vor dem zweiten Run gar nicht gross an den Wettkampf.»
Wo ordnen Sie diese Goldmedaille neben den drei Siegen an den X-Games und den anderen Erfolgen ein?
«Sie ist das ›top of the top’. Gold an Olympischen Spielen ist das Grösste, das ich in meinem Sport momentan erreichen kann. Bei uns schaute früher die ganze Familie Olympia am TV. An den Sieg von Nino Schurter 2016 in Rio de Janeiro erinnere ich mich im Speziellen.»