Spanien Mit guter Mischung und neuer Philosophie zum Erfolg

sda

16.6.2024 - 10:30

Die Kroaten (Mateo Kovacic) waren mehrheitlich am Ball, die Spanier (Lamine Yamal) wussten mit selbigem jedoch mehr anzufangen. Am Ende stand das 3:0 sinnbildlich für den neuen Pragmatismus der Mannschaft von Luis de la Fuente
Die Kroaten (Mateo Kovacic) waren mehrheitlich am Ball, die Spanier (Lamine Yamal) wussten mit selbigem jedoch mehr anzufangen. Am Ende stand das 3:0 sinnbildlich für den neuen Pragmatismus der Mannschaft von Luis de la Fuente
Keystone

Spanien beeindruckt beim 3:0-Auftaktsieg gegen Kroatien durch Effizienz. Nichts erinnert mehr an das Tiki-Taka aus glorreichen Zeiten. Genau dies ist das Erfolgsgeheimnis der «Roja».

Keystone-SDA, sda

Expected Goals, Ballbesitz, Torschüsse, Freistösse, Pässe – in sämtlichen relevanten Statistiken hatten die Spanier gegenüber den Kroaten das Nachsehen, nur nicht in der wichtigsten: Ein 3:0 stand am Ende für die Iberer auf der Anzeigetafel im Berliner Olympiastadion. Es war ein perfekter Einstand für die Mannschaft, die ihr Quartier in Donaueschingen im Schwarzwald bezogen hat.

Weniger Ballbesitz und weniger gespielte Pässe als der Gegner – noch vor nicht allzu langer Zeit wäre dies bei der spanischen Nationalmannschaft undenkbar gewesen. In Zeiten des Tiki-Taka dominierten die Spanier den Gegner, die Konkurrenz, den Weltfussball. 70, manchmal gar 80 Prozent Ballbesitz waren keine Seltenheit. Die Zermürbungstaktik ging auf. Europameister 2008 und 2012, dazwischen der WM-Titel 2010. Die Nationalelf war ein Spiegelbild des FC Barcelona, der zu jener Zeit den Klubfussball dominierte. In der Auswahl wie im Verein waren Xavi, Iniesta und Busquets sowie die beiden Innenverteidiger Carles Puyol und Gerard Piqué prägend.

Adios Tiki-Taka

So erfolgreich der Fussball jener Jahre war, so abrupt endete dessen Ära. Als amtierender Weltmeister scheiterten die Spanier an der WM 2014 in Brasilien krachend in der Gruppenphase. Und auch danach konnten die Iberer nicht an die Erfolge der Vorjahre anknüpfen. 2016, 2018 und 2022 war jeweils im Achtelfinal Schluss, dies gegen Italien, die Aussenseiter Russland und Marokko. Einzig 2021 rückte die Mannschaft bis in den EM-Halbfinal vor.

«Adios dem Rückspiegel-Syndrom und der DNA des Tiki-Taka», schrieb das Portal «Marca». Der ehemalige deutsche Europameister Matthias Sammer erklärte es im Kicker-Interview so: «Die Spanier wandeln sich von ihrem Primat des Ballbesitzes zum ergebnisorientierten Fussball.» Mit der neuen Spielphilosophie, den Ball nicht zu monopolisieren, sondern ihn auch mal dem Gegner zu überlassen, soll eine neue Ära eingeläutet werden. Die Spielweise erinnert an Real Madrid, das in den vergangenen Jahren nicht immer durch Hochglanz-, sondern durch pragmatischen Fussball glänzte und so seine Titelsammlung weiter aufstockte, dieses Jahr mit dem 36. Meistertitel und dem 15. Champions-League-Triumph.

Spieler von Barça, die DNA von Real Madrid

Wie Real Madrid hat auch die spanische Nationalmannschaft eine gute Mischung aus Routiniers und hoffnungsvollen Talenten. Die Achse Nacho Fernandez (34), Rodri (27), Alvaro Morata (31) ist äusserst erfahren. Um sie herum wirbeln die jungen Pedri (21), Nico Williams (21) und Lamine Yamal (16). Letzterer wurde gegen Kroatien mit 16 Jahren und 338 Tagen zum jüngsten EM-Teilnehmer aller Zeiten und steuerte gleich einen Assist bei. «Yamal beeindruckt jeden. Er muss sich noch weiter verbessern, jeden Tag. Mit der Zeit wird er ein wundervoller Fussballer werden», lobte Trainer Luis de la Fuente. Nimmt man den Verletzten Gavi (19) und den nicht nominierten Pau Cubarsi (17) vom FC Barcelona hinzu, ist mit den Iberern künftig zu rechnen.

Ob die Spanier schon dieses Jahr reif sind für den grossen Wurf und es mit dem vierten EM-Titel klappt, bleibt abzuwarten. Aufschluss darüber geben könnte der Donnerstag, wenn mit dem amtierenden Europameister Italien der nächste Gradmesser folgt.