Die irre Wende im Halbfinal-Rückspiel im Bernabeu zwischen Real Madrid und Manchester City geht in die Annalen der Champions League ein. Das Scheitern der Citizens ist vor allem das von Pep Guardiola.
Die englischen Medien gingen nach dem Aus von Manchester City mit dem Trainer des Verlierers hart ins Gericht. «Pep Guardiola hat in seinen sechs Jahren als Trainer von Manchester City einige aussergewöhnliche Wege gefunden, wichtige Champions-League-Spiele zu verlieren», schrieb «The Sun» hämisch. «Aber keines davon machte den ehemaligen Barcelona-Boss annähernd so verrückt wie dieses.»
Innerhalb von 89 Sekunden war der Traum des Katalanen vom ersten Champions-League-Titel seit 2011 (mit Barcelona) geplatzt. Eine Doublette des eingewechselten Rodrygo in der 90. und 91. Minute liess das bereits geschlagene Real Madrid auferstehen. Von diesem K.o-Schlag erholten sich die Gäste aus der Premier League nicht mehr. «Guardiola wird von dieser Kapitulation den Rest seines Leben verfolgt», prophezeite der «Telegraph».
Die Visitenkarte Guardiolas seit seiner Ankunft vor sechs Jahren im Nordwesten Englands ist herausragend. Dreimal gewannen die Citizens unter ihm die Meisterschaft. Und auch in dieser Saison liegt das Team vier Runden vor Schluss mit einem Punkt vor Liverpool an der Tabellenspitze. Auch den FA Cup stemmte Guardiola bereits einmal in die Höhe. Nur die Champions League, das übergeordnete Ziel des seit 2008 aus Abu Dhabi alimentierten Klubs, gewann dieser auch im sechsten Anlauf unter dem laut Jürgen Klopp «besten Trainer der Welt» nicht.
2021 erreichten die Citizens erstmals den Final, scheiterten aber an Chelsea – auch, weil sich, so die öffentliche Meinung, Guardiola «vercoacht» hatte. Doch so bitter und jäh wie am Mittwoch in Madrid wurde Manchester City selten aus seinem Traum vom Gewinn der Champions League gerissen. Ja, es fühle sich grausam an, sagte Guardiola am späten Mittwochabend. «Es ist hart für uns. Das können wir nicht abstreiten. Aber wir werden wieder aufstehen. Wir müssen es.» Zeit zum Trübsal blasen bleibt Manchester City kaum, am Sonntag wartet in der Premier League Newcastle United.
Benzema und die Comeback-Könige
Während die Verlierer haderten, fiel der Jubel der Sieger noch ausgelassener als sonst aus. Real kam zur Final-Qualifikation, der ersten seit 2018, wie die Jungfrau zum Kind. Vor Beginn der 90. Spielminute hätte kaum jemand noch einen Cent auf die Königlichen gesetzt, ehe der Wahnsinn im Bernabeu seinen Lauf nahm. «Real Madrid schreibt die grösste Heldengeschichte, die je erzählt wurde», so die «Marca», die für ihre Nähe zu Real bekannt ist, und bemühte sich einmal mehr um einen Superlativ.
Der Parcours, den der Rekordsieger des wichtigsten Europacup-Wettbewerbs auf dem Weg in den Final hingelegt hat, ist in der Tat faszinierend. Bereits in den Achtelfinals gegen Paris Saint-Germain lag Real scheinbar klar zurück, als ein Fehler von Gianluigi Donnarumma die Wende einleitete. Auch im Viertelfinal gegen Titelverteidiger Chelsea drohte kurz vor Schluss das Aus, ehe der spanische Meister den Kopf noch einmal aus der Schlinge zog. Gegen Manchester City setzte Real dem Ganzen aber noch einen drauf.
Der Mann dieser Kampagne ist zweifellos Karim Benzema. Bereits 15 Tore schoss der Franzose in dieser Saison in der Königsklasse, zehn allein in den sechs Partien der K.o.-Phase. Auch gegen Manchester City stand der Captain am Ursprung der Wende, als er vor dem 1:1 den Ball für Torschütze Rodrygo auflegte. Und mit seinem Treffer vom Penaltypunkt sorgte der 34-jährige Franzose in der Verlängerung dann für die Entscheidung. Während die Mittelfeldspieler Casemiro, Toni Kroos und Luka Modric, alle drei tragende Säulen bei den Triumphen 2016, 2017 und 2018, in der Schlussphase nicht mehr auf dem Feld standen, setzte Benzema erneut entscheidende Akzente. Bereits vor dem Final am 28. Mai gegen das favorisierte Liverpool lieferte der Stürmer genügend Argumente für eine Wahl zum Weltfussballer des Jahres.