Slowenien steht erstmals in der K.o-Phase eines grossen Turniers. Die Mannschaft von Trainer Matjaz Kek löst im kleinen Land eine Euphorie aus, die nun mit dem Achtelfinal gegen Portugal belohnt wird.
Im Untergrund des Stadions in Köln ist eine weitläufige Interviewzone eingerichtet. Mehrere Stationen sind ausgesteckt mit einem schwarzen Band. Auf zwei Seiten steht ein Podium mit jeweils einem Mikrofon, das an Lautsprecher angeschlossen ist. Es ist das Setting, das dem Deutschen Thomas Müller die Bemerkung entlockte, er fühle sich wie der Bundeskanzler.
In der eigentlichen Tiefgarage ist grossräumig geplant worden, um auch dem Ansturm einer grossen Medienschar standhalten zu können. An diesem Dienstagabend hätte aber auch ein Salontisch als Begegnungszone gereicht: Es ist ein bizarres Bild, das in starkem Kontrast steht zur eigentlichen Tragweite dessen, was zuvor auf dem Fussballplatz passiert ist.
Das einsame Duo
0:0 spielt Slowenien an diesem Abend gegen England. Es ist kein schönes Spiel, das in Rückblicken auf diese Europameisterschaft einen signifikanten Teil einnehmen wird. Ein paar Mal beanspruchen die Slowenen das Glück, etwa beim vermeintlichen 1:0 Bukayo Sakas, das aufgrund einer Abseitsposition aberkannt wird.
Aber sie erspielen sich diesen einen Punkt, der ihnen als viertbestes Team der Drittplatzierten die Achtelfinal-Teilnahme sichert. Zum ersten Mal überhaupt in der Geschichte des slowenischen Verbandes muss das Team nicht nach der Vorrunde einer Endrunde die Heimreise antreten.
Insofern hat es durchaus historischen Charakter, was die kleine Nation aus Zentraleuropa an diesem Abend geschafft hat. In der Interviewzone herrscht aber lange gähnende Leere. Gerade einmal zwei Journalisten haben sich in Position gebracht, um dann an vorderster Front zu lauschen, wenn einer ihrer Helden einordnet, was dem Nationalteam gelungen ist. Müssen gerade nach einer Partie von Gastgeber Deutschland gelegentlich die Ellenbogen ausgefahren werden, um im Gedränge doch noch ein paar Wortfetzen der Protagonisten zu erhaschen, sind die Platzverhältnisse vor dem slowenischen Mikrofon derart komfortabel, dass vereinzelt Zweifel aufkommen, überhaupt am richtigen Ort zu warten.
Zwei Millionen Menschen gratulieren
Irgendwann kommt er aber dann doch, Matjaz Kek. Der 62-jährige Trainer ist der Baumeister dieses Erfolgs. «Ich hätte nicht unbedingt erwartet, dass wir die Gruppenphase überstehen», sagt er. Doch nach den drei Unentschieden gegen Dänemark, Serbien und England ist genau das geglückt. «Ich bin mega stolz auf diese Mannschaft. Wir haben uns diesen Erfolg verdient durch die Solidarität untereinander.»
Kek spricht an, was dieses Team auszeichnet. Es ist nicht gespickt von Superstars, wie sie die Engländer haben. Mit Zan Celar von Lugano ist auch ein Spieler aus der Super League Teil des Kaders. Etliche Nationalspieler sind aber in der heimischen Liga aktiv und arbeiten an ihrem Traum, irgendwann den Sprung ins Ausland zu schaffen.
Wie ihn Jan Oblak, Jaka Bijol und Benjamin Sesko realisiert haben. Der Goalie von Atlético Madrid, der Innenverteidiger von Udinese und der Stürmer von Leipzig bilden die Achse dieses Teams, das nicht durch technische Raffinesse, sondern primär durch Leidenschaft glänzt. Und so die Menschen der Heimat glücklich macht.
Zehntausende Fans unterstützen das Team in Deutschland. Auch gegen die traditionell stimmgewaltigen Engländer müssen sich die Sloweninnen und Slowenen nicht verstecken und sorgen in der Kölner Arena für eine beeindruckende Kulisse. «Am liebsten würden uns jetzt wohl zwei Millionen Menschen persönlich gratulieren», sagt Kek und spricht damit die Grösse des Landes an, welche der Geschichte Sloweniens eine Note verleiht von David, der sich gegen scheinbar übermächtige Goliaths wie England behauptet.
Keks Prophezeiung
«Wir sind wie der Vorort einer Grossstadt. Wir sind klein, aber wir haben ein grosses Herz und viel mentale Stärke», sagt Kek, der schon ab 2007 für vier Jahre Sloweniens Nationaltrainer war und sich mit dem Team für die WM 2010 in Südafrika qualifizierte. Der frühere Innenverteidiger will aber gar nicht vergleichen oder seine Erfolge als Trainer in ein Ranking einordnen. «Lasst uns einfach den Moment geniessen. Ich bin sicher, dass das erst der Anfang einer schönen Ära im slowenischen Fussball ist.»
Als er sich vom Podium erhebt, sind von draussen auch zwei Stunden nach Schlusspfiff Gesänge der slowenischen Fans zu hören. Sie verschieben sich jetzt nach Frankfurt, wo am Montag (21 Uhr) der Achtelfinal gegen Portugal zum nächsten Kapitel ihrer Erfolgsgeschichte werden soll.