Das irrwitzige Ende der Formel-1-Saison am Sonntag in Abu Dhabi sorgt weiter für Gesprächsstoff. Im Mittelpunkt steht auch das Reglement, das einer Anpassung bedarf.
Im Team Red Bull hatte die Stimmung am Sonntagabend längst ihren Siedepunkt erreicht. Die grosse Party war im vollen Gange. Nach dieser Saison, diesem wahnsinnigen Abschluss mit dem unverhofft doch noch besseren Ende für Max Verstappen, hatten sie sich das bei den Roten Bullen verdient. Sie liessen ihren Weltmeister hochleben. Sie feierten das Ende der Regentschaft des Rivalen Mercedes nach sieben Jahren erdrückender Dominanz. Ihren Weltmeister? Ja, ihren Champion – der allerdings zu jenem Zeitpunkt, in den ersten Stunden nach seiner Zieldurchfahrt nach dieser dramatischen letzten Runde, noch gar keiner war.
Da waren noch die zwei Proteste, mit denen sich die Verantwortlichen von Mercedes an die Rennkommissare gewandt hatten. Diese zwei Einwände zögerten die Offizialisierung des Klassements des Grand Prix von Abu Dhabi und der WM-Schlussrangliste hinaus. Aus Sicht des Kontrahenten waren die letzten Minuten des Rennens auf dem Yas Marina Circuit nicht korrekt verlaufen. Teamchef Toto Wolff und seine Leute verwiesen auf das Reglement.
Unklare Definitionen
Das Reglement. Es war ein weiteres Mal Stein des Anstosses. Erneut stand es an der Basis eines sich hinziehenden Prozesses, der einer solchen Finalissima am Ende einer sportlich hochstehenden Formel-1-Weltmeisterschaft unwürdig war. Erneut versuchten sie bei Mercedes, die vielfach unklaren Definitionen im Regelwerk des Internationalen Automobil-Verbandes FIA zu ihren Gunsten zu drehen. Sie taten dies sogar unter Beibezug eines Anwalts.
Das Vorgehen mag die Chefs von Mercedes zu schlechten Verlierern stempeln. Bei Red Bull hätten sie aber mit allergrösster Sicherheit auch den Gang vor die Rennkommission erwogen, wäre nicht Verstappen zum ersten Mal, sondern Lewis Hamilton zum achten Mal Weltmeister geworden. Auch sie hätten irgend einen Ansatz gefunden, um die Auslegung des Reglements anzuzweifeln.
Zu viel Interpretationsspielraum
Das unrühmliche Ende wird hoffentlich auch sein Gutes haben. Es wird die Zuständigen der FIA hoffentlich zum Handeln bewegen, Anpassungen im Reglement vorzunehmen, Schlupflöcher zu stopfen, den Spielraum für Interpretationen zu eliminieren. Diesbezügliche Freiheiten müssen auch für die Rennleitung beschnitten werden. Beispielsweise die in einem der Artikel festgehaltene «übergeordnete Autorität» für den Vorsitzenden dieses Gremiums, Michael Masi, ist einer klaren Struktur nicht förderlich.
Der Australier, der Nachfolger des im Frühling 2019 überraschend verstorbenen Briten Charlie Whiting, hat mit dem einen oder anderen Entscheid schon mehrfach Angriffsfläche geboten und sich der Kritik ausgesetzt. Allzu viel Kritik schadet der Glaubwürdigkeit und untergräbt die Autorität. Gefordert sind, auch zum Schutz des FIA-Personals, einfachere, verständlichere Paragraphen, ein klares Leitbild, das die Richtung ohne Wenn und Aber vorgibt.
Das letzte Kapitel im aktuellen Reglements-Wirrwarr ist möglicherweise noch nicht zu Ende geschrieben. In der Chefetage des Teams Mercedes werden nach den zwei am Sonntag zurückgewiesenen Protesten Überlegungen angestellt, die Angelegenheit an das Appellationsgericht der FIA, die im Sportbereich letzte Instanz, weiterzuziehen.