Auch dank überraschender Personalentscheide ist die Schweiz optimal in die EM gestartet. Der übergangene Xherdan Shaqiri werde noch eine wichtige Rolle spielen, sagt Assistenztrainer Giorgio Contini.
Der ungarische Trainer Marco Rossi musste nach dem Spiel einräumen, dass er nicht mit der taktischen Ausrichtung der Schweizer gerechnet habe. Davon überrumpelt griff er in der zweiten Halbzeit korrigierend ein, was bekanntlich zu spät kam.
Dass ein Trainer zugibt, «ausgecoacht» geworden zu sein, ist auf diesem Niveau selten. Das sah auch der Schweizer Assistenztrainer Giorgio Contini am Tag nach dem wichtigen Auftaktsieg so: «Heute werden Teams bis ins kleinste Detail analysiert. Wenn der gegnerische Trainer dann sagt, er sei überrascht worden, ist das eine schöne Bestätigung für uns.»
Reaktion aufs letzte Testspiel
Kwadwo Duah und Michel Aebischer waren die beiden Überraschungen, die mit ihren Toren auch entscheidend zum Sieg beitrugen. Für Duah habe gesprochen, dass er ein Spieler sei, der oft den Weg in die Tiefe suche, erklärte Contini. Sein Konkurrent auf dieser Position, Zeki Amdouni, bewege sich dagegen lieber zwischen den Linien.
Dass Aebischer auf der linken Seite eingesetzt wurde, obwohl er eigentlich ein zentraler Mittelfeldspieler ist, war ein weiterer Schachzug, mit dem kaum jemand gerechnet hatte. Das sei eine Reaktion auf das Testspiel gegen Österreich gewesen, erklärte Contini. Dort habe man gesehen, dass der Gegner die etwas aktivere linke Seite mit Dan Ndoye doppelt abgesichert habe. Die Schweizer hatten keine Lösung gefunden und sich praktisch keine Torchancen erspielt.
Gegen Ungarn wechselte Ndoye die Seite und schlüpfte in eine offensivere Rolle, während Aebischer, der gemäss Contini über ein «grosses taktisches Verständnis» verfügt, im linken Mittelfeld auch viele Defensivarbeiten übernehmen musste. Das Opfer dieser Rochade war der 123-fache Nationalspieler Xherdan Shaqiri, der nicht einmal eingewechselt wurde.
Shaqiris neue Rolle
Der Spielverlauf – in der zweiten Halbzeit waren mit der Reaktion der Ungarn eher defensive Qualitäten gefragt – sei für «Shaq» ungünstig gewesen, sagt Contini. Dass dieser nun vorab mit der Ersatzrolle vorliebnehmen müsse, wollte der Schweizer Coach aber nicht bestätigen. «Wir wissen um die Qualitäten von Xherdan. Er wird uns in diesem Turnier noch entscheidend helfen können.»
Angst vor möglichen Unruhen hat Contini nicht. Er verwies dabei auf das Tor von Breel Embolo zum 3:1, bei dem alle Spieler auf und neben dem Platz zum Torschützen sprinteten, um mit ihm zu feiern. «Das zeigte schön auf, dass sich keiner wichtiger als das Team nimmt», so Contini. «Das gemeinsame Ziel an diesem Turnier steht über allem.»
Contini warnt vor zu früher Euphorie
Diesem Ziel, die K.o.-Phase zu erreichen, ist die Schweiz mit dem Auftaktsieg ein gutes Stück näher gekommen. Seit der Aufstockung auf 24 Mannschaften 2016 und der Modusänderung, dass die vier besten Gruppendritten in die Achtelfinals kommen, schied noch nie ein Team in der Gruppenphase aus, das mindestens drei Punkte und dabei eine ausgeglichene Torbilanz hatte.
Gewinnt Ungarn gegen Deutschland nicht, und holt die Schweiz gegen das wahrscheinlich schwächste Team der Gruppe den zweiten Sieg, wäre der Achtelfinal-Einzug bereits gesichert. Contini warnt jedoch davor, die Schotten nach dem 1:5 gegen Deutschland zu unterschätzen. «Für sie war es ein undankbarer Start gegen einen sehr starken Gegner. Sie werden gegen uns alles geben, um eine Reaktion zu zeigen.» Allerdings sei er auch zuversichtlich, dass sein Team bereit für die nächste Aufgabe sein werde. «Wir haben viele erfahrene Spieler im Kader, die schon oft solche Turniere bestritten haben. Sie wissen genau, dass wir erst einen Schritt gemacht haben.»
Bestätigung gegen Schottland?
Die grosse Herausforderung für das Trainergespann Yakin/Contini wird sein, erneut die taktisch richtigen Massnahmen zu ergreifen. Ein berühmter Spruch lautet: «Never change a winning team.» Andererseits lebte die Aufstellung gegen Ungarn vom Überraschungsmoment.
Contini deutete daher an, dass nicht nochmals die gleiche Startelf auf dem Feld stehen werde. «Schottland ist ein anderer Gegner, mit dem wir uns bereits intensiv befasst haben. Wir schauen in den nächsten Tagen, welche Spieler von uns den besten Eindruck machen und wer am besten ins taktische Konzept passt.» Auch für das Trainerteam gilt: Erst die Bestätigung unterstreicht den Erfolg.