Nach 15 von 52 Spielen in der Qualifikation liegt der Titelverteidiger EV Zug lediglich auf dem 9. Tabellenplatz. Eine Erklärung aus psychologischer Sicht.
In den ersten vier Saisons unter Trainer Dan Tangnes surften die Zuger auf einer Erfolgswelle. Zweiter, Zweiter, Erster, Erster lauteten die Platzierungen in den Qualifikationen, wobei der EVZ 138 von 204 Partien gewann. In den Playoffs, die in der Spielzeit 2019/2020 wegen Corona nicht ausgetragen wurden, verloren die Zentralschweizer bloss eine Serie – den Final 2019 gegen Bern. Im diesjährigen Final gegen die ZSC Lions drehten sie ein 0:3 nach Siegen.
Auf diese Saison hin blieb das Team weitgehend zusammen, weshalb sich die Frage stellte, wer diese Zuger stoppen soll. Der Start in die Meisterschaft glückte denn auch mit fünf Erfolgen in den ersten sieben Partien, nachdem es in den vorangegangenen vier Spielen in der Champions Hockey League ebenso viele Siege gegeben hatte. Seither aber passt in der National League nicht mehr viel zusammen. Sechs von acht Begegnungen gingen verloren. Zu denken aus Zuger Sicht gibt vor allem die Defensive; nur Kloten (61) und Ajoie (58) haben mehr Gegentreffer zugelassen als der Schweizer Meister (52).
Selbstvertrauen ist keine Selbstverständlichkeit
Nach dem 1:6 gegen Lausanne am 8. Oktober, der dritten Niederlage in Serie, sagte Stürmer Sven Senteler, dass sie ohne Selbstvertrauen spielen würden, obwohl es dazu keinen Grund gebe. Zehn Tage später, nach dem 1:6 in Lugano, gab Tangnes zu Protokoll, die Spieler seien gefangen in ihren Gedanken, jeder sei mit sich selber beschäftigt. Wie kann das sein bei einer Mannschaft mit so vielen starken Charakteren, einem Team, das im diesjährigen Playoff-Final das scheinbar Unmögliche geschafft hat? Wie kann das Selbstvertrauen so schnell verloren gehen?
Der renommierte Sportpsychologe Jörg Wetzel, der an Olympischen Spielen jeweils die Schweizer Delegation betreut, hat das Gleiche beim SC Bern miterlebt. «Wenn die Spieler voller Selbstvertrauen sind, dann sind die Gedanken automatisch positiv und immer lösungsorientiert. Sie trauen sich zu, alles zu schaffen», sagt Wetzel im Gespräch mit der Nachrichtenagentur Keystone-SDA. «Selbstvertrauen ist jedoch wie die Gesundheit keine Selbstverständlichkeit. Man muss etwas dafür machen.»
Als Vergleich nimmt er die Rumpfmuskulatur. «Ist diese stabil, hält sie Belastungen stand. Wird sie dann nicht mehr trainiert, geht dies noch eine Weile gut, irgendwann aber wird der Preis für die Vernachlässigung bezahlt. Bezogen auf das Selbstvertrauen, sind das erste Zweifel, die nach ungewohnt vielen Niederlagen aufkommen. Können wir das noch? Diese Verunsicherung überträgt sich unbewusst wie ein ansteckender Virus auf die gesamte Mannschaft. Die Spirale dreht sich nach unten.»
Etappenziele setzen
Wie würde Wetzel die ganze Sache angehen? «Ich würde mit zwei Gruppen arbeiten, mit dem Staff und dem Captain-Team. Ersteren würde ich beobachten und mit lösungsorientierten Fragen plagen. Die Ausstrahlung der Trainer ist ein erster wichtiger Multiplikator für die Mannschaft.» In einer solch schwierigen Phase einen Sportpsychologen hinzuzuziehen, fände Wetzel zwar besser als gar nichts zu machen, ein solcher sollte für ihn jedoch nicht nur im Notfall zum Zug kommen, sondern eine Strategie des Vereins sein.
«Man macht auch nicht erst dann Krafttraining, wenn die Kraft fehlt», sagt Wetzel und fährt fort: «Klar ist es möglich zu intervenieren. Teams in einer negativen Spirale gehören allerdings zu den schwierigsten Kategorien.» Entscheidend ist für ihn, dass die Mannschaft die aktuelle Situation akzeptiert und nicht das Gefühl hat, immer noch top zu sein. «Wichtig ist nun, sich Etappenziele zu setzen, Themen wie Arbeitsbereitschaft, Leidenschaft und Positivismus einzubringen», sagt Wetzel. So oder so besteht bei Zug noch kein Grund zur Panik, dafür ist die Qualität in der Mannschaft zu gut.