Lara Gut-Behrami scheint im Alter von knapp 33 Jahren in der Form ihres Lebens. Sogar der zweite Sieg im Gesamtweltcup ist möglich.
Die Mischung machts. Die wohlbekannte Fahrkunst und die neue Gelassenheit. Die klare Trennung machts wohl aber auch. Die Abgrenzung zwischen Berufsalltag und Privatsphäre, der Entscheid, dem Menschen Lara Gut-Behrami mehr Platz zu lassen in der Welt der Spitzensportlerin Lara Gut-Behrami. Seis drum. Die Tessinerin hat ihren Weg gefunden, um auch im fortgeschrittenen Alter als Skirennfahrerin bei den Besten zu sein.
Sehr oft ist Gut-Behrami in diesem Winter schon die Allerbeste gewesen. Mit den fünf Siegen hat sie ihr Total auf 42 erste Plätze im Weltcup geschraubt – und noch folgen viele Rennen in ihren Disziplinen und damit viele weitere Möglichkeiten, diesen Wert weiter nach oben zu verschieben. Zwölf, um genau zu sein, sollten nicht weitere Absagen dazukommen.
61,8 zu 63,6
Es sind nicht nur die Siege, die Gut-Behrami auszeichnen. Es ist auch die Konstanz, die imponiert, die den Eindruck erweckt, Gut-Behrami fahre derzeit so gut wie nie zuvor. In ihrer Saisonbilanz hat die Tessinerin auch noch drei zweite und zwei dritte Ränge stehen, in den 18 bestrittenen Rennen ist sie nur zweimal nicht unter die ersten sechs gefahren, einmal ist sie ausgeschieden. Im Durchschnitt hat Gut-Behrami 61,8 Weltcup-Punkte gesammelt und damit nur unwesentlich weniger als die im Gesamtweltcup führende Mikaela Shiffrin. Die Amerikanerin steht bei 63,6 Punkten.
Shiffrin hat nach ihrem Sturz in der ersten Abfahrt in Cortina d'Ampezzo vor anderthalb Wochen verletzungsbedingt aber auch pausieren müssen und hat in dieser Zeit drei Rennen verpasst. Ob sie am kommenden Wochenende in Soldeu in Andorra, wo ein Riesenslalom und ein Slalom im Programm stehen, in den Rennbetrieb zurückkehren wird, ist noch nicht entschieden.
Gut-Behrami ihrerseits hat in dieser Phase 325 Punkte geholt und damit ihren Rückstand in der Gesamtwertung auf die Amerikanerin auf 95 Punkte abgebaut. Um die grosse Kristallkugel ist unverhofft ein Gerangel entfacht. Statt des erwarteten neuerlichen Monologs von Shiffrin kündigt sich im Kampf um die wichtigste Trophäe ein Duell an.
Die verschobenen Fronten im Gesamtklassement sind selbstredend zum Thema geworden. Gut-Behrami werden entsprechende Fragen gestellt, sie wird um eine Einschätzung der Ausgangslage gebeten. Sie redet darüber, ohne allerdings konkret zu werden. Was bleibt ihr auch anderes übrig als die allgemeinen Phrasen? Was kann sie schon sagen ausser darauf hinzuweisen, dass es noch zu früh sei, um über einen möglichen zweiten Gewinn des grossen Glaspokals nach jenem vor acht Jahren zu reden, dass noch zu viele Rennen zu fahren seien.
Die harmonische Symbiose
Gut-Behrami umschifft die Fragen gekonnt, ruhig, abgeklärt, gelassen. Sie lässt sie zu, ohne sich darüber zu enervieren. Ihre neue Ausgewogenheit, die harmonische Symbiose der Sportlerin mit dem Menschen, hilft ihr auch in solchen Momenten. Der Beschluss, die eigene Zufriedenheit nicht ausschliesslich vom Erfolg auf den Rennpisten abhängig zu machen, ebenso. Die nach der vor sieben Jahren an den Weltmeisterschaften in St. Moritz erlittenen schweren Knieverletzung vorgenommene Neuausrichtung lässt nichts anderes zu.
Da schimmert Zufriedenheit durch, da zeigt sich eine Frau, die mit sich im Reinen ist, die von sich überzeugt ist, den richtigen Weg eingeschlagen zu haben, um allem und allen gerecht werden zu können. Die Zeiten, in denen sie sich mit ihrem Tun missverstanden gefühlt, in denen sie zu vieles als Angriff auf ihre Persönlichkeit gedeutet hat, hat sie längst hinter sich gelassen.
Gut-Behrami spricht vom Spass, den ihr der Skisport nach wie vor bereitet. Sie hat wohl schon das eine oder andere Mal über den Rücktritt nachgedacht. Mittlerweile vermittelt sie aber den Eindruck, auch im Alter von bald 33 Jahren als Sportlerin längerfristig zu planen. Womöglich reicht die Planung bis zu den Olympischen Spielen in zwei Jahren in Mailand mit den Frauen-Rennen in Cortina d'Ampezzo. Konkretes kann und will sie nicht sagen.
Gut-Behrami hat auf jeden Fall vorgespurt. Sie hat Grundlagen geschaffen, die es ihr erlauben, auch im letzten Teil ihrer grossartigen Karriere erfolgreich zu sein. Sie nimmt sich das Recht auf kurze Auszeiten. Sie dosiert falls nötig das Training und schafft sich damit zusätzlichen Raum für die für sie immer wichtiger gewordene Erholung.
Training und Regeneration. Gut-Behrami hört auf ihren Körper. Die Mischung machts auch hier.