Nur 39 Tage nach dem 5:0-Triumph im Cup gegen Bayern München erleidet Borussia Mönchengladbach beim 0:6 gegen den SC Freiburg ein historisches Debakel.
Zumindest an Torhüter Yann Sommer lag es nicht. «Wurde von seinen Kollegen völlig im Stich gelassen – Note 5». Dass er als einer von nur zwei Spielern aus der Gladbacher Startformation von der klubeigenen Online-Redaktion nicht mit der Tiefstnote bewertet wurde, dürfte den Schweizer nach dem 0:6 zuhause gegen Freiburg kaum trösten. Man muss im Statistik-Ordner weit zurückblättern bis zu einem Eintrag zu einem Heimspiel, in dem Sommer mehr Gegentore kassiert hat. Am 14. September 2008 war es, Sommer war noch keine 20 Jahre alt, als er mit Vaduz gegen den FC Zürich 1:7 verlor.
Vaduz, Super League: Tempi passati für Sommer. Zu denken geben muss ihm und dem ganzen Verein aber, dass das letzte 0:6 in der Bundesliga erst etwas mehr als ein halbes Jahr zurückliegt. Am 8. Mai 2021 unterlag die Borussia auswärts dem Meister Bayern München mit diesem Resultat. Es war bloss ein Kehrausspiel, aber es legte die Schwächen der Gladbacher offen. Sie verteidigten in der letzten Saison unter Trainer Marco Rose, der nun bei Borussia Dortmund arbeitet, miserabel. Nur drei Teams der Bundesliga kassierten 2020/21 mehr Gegentore als Gladbach.
Hütter, der Langsamstarter
Und hier kommt der neue Trainer Adi Hütter ins Spiel. Ihn hatten sie für 7,5 Millionen Euro aus dem Vertrag mit Eintracht Frankfurt herausgelöst und an den Niederrhein geholt. Einer seiner Aufträge: die Defensive stabilisieren. Nicht erfüllt, muss man nach 14 Runden konstatieren. Mit 24 Gegentoren in 14 Spielen – zehn davon in den letzten zwei Runden beim 1:4 gegen Köln und beim 0:6 gegen Freiburg – steht die Borussia an fünftletzter Stelle dieser Wertung. Nur Greuther Fürth (46), Hertha Berlin (29), Augsburg und der VfB Stuttgart (je 25) verteidigten bisher schlechter.
In Bedrängnis bringt diese Bilanz den früheren YB-Meistertrainer Hütter indes nicht. Eine Diskussion um den 51-jährigen Österreicher liess Gladbachs Sportchef Max Eberl am Sonntag gar nicht erst aufkommen. «Wenn wir dahin kommen, dass man zwei Spiele verliert und dann generelle Fragen gestellt werden, dann kann ich mich damit nicht identifizieren», so Eberl. Man habe sich für einen Weg entschieden und dann heisse es «durch dick und dünn gehen».
Die Zwischenbilanz von Hütter in Mönchengladbach ist nach 14 Runden zwar nicht gut, doch Eberl wird sich bewusst sein, dass sie noch nicht aus dem Rahmen fällt, den sich Hütter in seiner bisherigen Karriere selbst gezimmert hat. Als Hütter 2015 zu den Young Boys kam, gewann er von den ersten 14 Meisterschaftsspielen nur deren 6. Und drei Jahre später als neuer Trainer von Eintracht Frankfurt überstieg seine Siegesquote in den ersten 14 Runden 50 Prozent auch nicht. Am Ende hatte Hütter in Bern und Frankfurt trotzdem seine Spuren hinterlassen: Meister mit YB, Europacup-Halbfinalist mit der Eintracht.
Krisengipfel in Leipzig
Vorerst geht es für Hütter darum, Gladbach wieder in die Spur zu bringen. Am besten schon am nächsten Samstag im Krisengipfel auswärts gegen RB Leipzig. Es ist von den Zahlen her ein Spiel auf Augenhöhe. Sowohl Leipziger als auch Gladbacher haben bisher fünf Siege errungen und sechs Niederlagen erlitten. Aber eines haben die Leipziger den Gladbachern voraus: Sie haben ihren Trainer, den Amerikaner Jesse Marsch, wie Hütter im Sommer verpflichtet, am Sonntag bereits entlassen.