Teure MinisHunde in Teetassen – niedlicher Trend oder Tierquälerei?
dpa
9.6.2020
Teetassengrosse Mini-Hunde – Teacups – sind niedlich und machen Spass. Experten betrachten die Zucht der vierbeinigen Internet-Stars jedoch als Tierquälerei.
Bei manchen sieht man erst auf den zweiten Blick, dass es keine Stofftiere, sondern echte Lebewesen sind. Bei anderen sieht man den Unterschied auch beim dritten Hinsehen nicht. Teacup-Hunde, oder kurz: Teacups, also Hunde, die so klein sind, dass sie in eine Teetasse passen, sind maximal 23 Zentimeter gross, wiegen etwa eineinhalb Kilogramm, kosten mehr als ein Motorroller und haben teilweise Hunderttausende Abonnenten auf Instagram und Facebook.
Tierschützer sehen die Zucht der niedlichen Statussymbole, die oft wie Mode-Accessoires oder Spielsachen präsentiert werden, jedoch kritisch: Die Tiere seien häufig degeneriert und besonders krankheitsanfällig. In Deutschland gebe es nicht viele Züchter solcher Miniatur-Hunde, sagt die Hobby-Züchterin Ivonne Winter aus Hanau, die ausschliesslich auf Teacup-Pudel spezialisiert ist. Die Nachfrage sei deutlich höher als das Angebot. «Jeder will jetzt einen Teacup-Hund haben, aber man hat sie ja nicht in den Regalen sitzen.»
Die Arbeit ist zeit- und kostenintensiv. Gerade die Welpen bräuchten besonders viel Zuwendung. «Da muss man alle zwei Stunden zufüttern, Tag und Nacht», sagt Winter. Aber wie werden die Winzlinge überhaupt herangezüchtet? «Man sucht sich die schwächsten und kleinsten Tiere aus einer Zucht aus, um mit denen wieder zu züchten», erklärt Daniela Schrudde, inhaltliche Leiterin der Welttierschutzgesellschaft. Das sei wider die Natur.
Die typischerweise grossen Augen, der grosse Hinterkopf und die kleine Nase entsprächen zudem nicht der Anatomie eines gesunden Hundes.«So etwas passiert nicht, wenn man das sorgfältig macht und reine Teacup-Hunde miteinander verpaart», entgegnet Ivonne Winter. Die Mutter-Hün din etwa müsse mindestens 20 bis 23 Zentimeter gross sein und auch der Rüde müsse grössenmässig zu ihr passen. «Es können durchaus mal kleinere Welpen fallen, die sind dann aber nicht für die Zucht geeignet.» Ihre Mini-Pudel seien genauso gesunde Hunde wie jeder Klein- oder Grosspudel, sagt Winter.
Unterzuckerung und Missbildungen
Lisa Hoth, Fachreferentin für Heimtiere beim Deutschen Tierschutzbund, hingegen berichtet von Tieren, die häufig zittern, weil ihre Körpertemperatur zu niedrig sei. Ein weiteres Problem sei Unterzuckerung: Diese könne schon durch eine verpasste Mahlzeit entstehen und schlimmstenfalls in den Tod führen. Auch Fehlentwicklungen am Kopf, etwa infolge von erblich bedingt nicht zusammenwachsenden Knochenspalten seien zu beobachten.
Ohnehin seien die Knochen sehr fragil, die Augen unproportional gross und dadurch verletzungsanfälliger und Milchzähne oft nicht ohne äussere Hilfe entfernbar. «Das ist absoluter Blödsinn», sagt Ivonne Winter. «Grosse Augen sind in Deutschland nicht das Zuchtziel und stammen aus Amerika und Asien, genauso wie die runden Apfelköpfe und kurze Schnauzen.» Dass ihren Tieren gelegentlich ein Zahn gezogen werden müsse, sei kein spezielles Problem von Teacup-Pudeln, sondern von Pudeln allgemein.
Auch einen Welpen mit offener Fontanelle habe sie noch nie gehabt. Sie selbst züchte nur Tiere, die um die 20 Zentimeter gross seien. «Auch wenn viele Leute schon am Telefon sagen, sie möchten einen Teacup-Pudel der nur 15 bis 16 Zentimeter gross wird, dann sind sie bei mir falsch und können sich gleich ein Stofftier kaufen.»
Stichwort Qualzucht
Rechtlich scheint die Sache zunächst eindeutig: Denn nach dem deutschen Tierschutzgesetz sind sogenannte Qualzuchten im Nachbarland verboten. Das heisst, es ist nicht erlaubt, Tiere zu züchten, wenn ihnen Körperteile oder Organe für ihren artgemässen Gebrauch fehlen oder umgestaltet sind – und dadurch Schmerzen, Leiden oder Schäden auftreten. «Wenn man sich die Teacup-Hunde anschaut, die haben das alle», sagt Daniela Schrudde.
Die praktische Umsetzung des sogenannten Qualzuchtparagrafen stösst jedoch auf Probleme, wie Lisa Hoth erläutert. «Bislang gab es in der Vergangenheit nur Urteile einzelner Zuchten.» Dabei seien bestimmte Qualzuchtmerkmale wie etwa die Kurzköpfigkeit bereits bekannt und wissenschaftlich untersucht, sagt Hoth.
Auf dem Online-Portal Instagram gibt es zahlreiche Seiten, die regelmässig Fotos und Kurzvideos der winzigen Vierbeiner präsentieren: Mal sind sie in bunten Kostümchen eingepackt, mal strecken sie den kleinen Kopf aus einem Strandkorb. Dabei wird nichts dem Zufall überlassen, alles scheint minuziös inszeniert, vom perfekt gepflegten Fell bis hin zur Auswahl der Bildrequisiten.
Weltweit verschickt
Auffällig ist dabei, dass es vor allem die Seiten von professionellen Händlern sind, die besonders viele Nutzer erreichen. Die Instagram-Seite des Anbieters «Rolly Teacup Puppies» etwa hatte Anfang Juni 740'000 Abonnenten, der Händler versendet die Winzlinge, die umgerechnet bis zu 7'850 Franken kosten, in die ganze Welt. Nach Angaben der Seite sind die Tiere kerngesund, was zusätzlich mit einem Gesundheitszertifikat belegt werden soll.
Doch allein die Tatsache, dass die Hunde weltweit verschickt würden, ohne die künftigen Besitzer genauer zu kennen, spreche gegen die Seriosität des Angebotes, sagt Daniela Schrudde. Auch die Zertifikate seien keine Garantie dafür, dass es den Tieren gut gehe. «Es gibt immer wieder auch Tierärzte, die Zertifikate ausstellen, die dann aber nichts wert sind.»
Von den Rassestandards der Fédération Cynologique Internationale (FCI) sind Teacup-Hunde nicht erfasst. Unter der Dachorganisation vereinen sich Verbände von Hundezüchtern und -besitzern aus der ganzen Welt. Die kleinste Hunderasse, die von den FCI-Standards anerkannt wird, ist der Chihuahua, dessen Gewicht mit mindestens einem und höchstens drei Kilogramm angegeben wird.
Ganz schön fies: Christian Vieler aus dem deutschen Waltrop macht sich einen Spass daraus, Hunde in einem eher unvorteilhaften Moment zu fotografieren.
Bild: Dukas
Er wirft den Hunden ein paar Leckerli zu und drückt ab, während sie versuchen, die Guetzli zu fangen.
Bild: Dukas
Heraus kommen urkomische Grimassen, wie hier bei Arielle, der Australian-Shepherd-Hündin.
Bild: Dukas
Auch ihr Kollege Hiro macht keinen allzu schmeichelhaften Eindruck. Aber immerhin scheint er sich gleich eine ganze Ladung der leckeren Snacks schnappen zu können.
Bild: Dukas
Voll konzentriert: Cookie der Husky.
Bild: Dukas
Manche der Bilder haben etwas Comic-artiges: Filou der Australian Shephard könnte gerade so gut gezeichnet sein.
Bild: Dukas
Er wende für die speziellen Fotos keine spezielle Technik an, sagt Christian Vieler. Einfach Guetzli werfen und abdrücken.