KolumneDass Frauen im Museum landen, ist ein gutes Zeichen
Von Caroline Fink
13.12.2021
Das Alpine Museum in Bern würdigt die Frauen: Zu sehen sind elegante Skihosen aus den 30ern, Daunenstiefel aus den 80ern und Videos aus der Gegenwart, die weit in eine verheissungsvolle Zukunft ausstrahlt.
Von Caroline Fink
13.12.2021, 06:33
13.12.2021, 09:36
Caroline Fink
Zukunft hat mit Geschichte zu tun. Warum? Weil wir die Gegenwart aufgrund vergangener Erfahrungen gestalten – und aus der Gegenwart die Zukunft entsteht.
Eine Tatsache, die sowohl auf individueller wie auch auf kollektiver Ebene gilt. Dies vor Augen, gibt es aber ein Problem, das die Frauen angeht: Sie fehlen oft in der Geschichte. Ganz besonders in jenen Bereichen der Gesellschaft, die von Männern geprägt sind.
Ein Problem, das die US-Amerikanerin Lynn Hill, beste Kletterin des 20. Jahrhunderts, einmal in einen einzigen Satz fasste, während ich sie an einem Klettertreffen in China interviewte.
Wie willst du Geschichte schreiben?
Sie sass mir an einem Plastiktisch gegenüber, neben uns schreiende Kinder, über uns eine Neonlampe, als sie mich mit stechend blauen Augen anblickte und im Tonfall einer Anklagenden sagte: «How do you start to create history without a basis of what has been done?» Auf Deutsch: Wie willst du Geschichte schreiben, wenn du selbst nicht weisst, was vorher war?
Zur Autorin: Caroline Fink
Bild: Gaudenz Danuser
Caroline Fink ist Fotografin, Autorin und Filmemacherin. Selbst Bergsteigerin mit einem Flair für Reisen abseits üblicher Pfade, greift sie in ihren Arbeiten Themen auf, die ihr während Streifzügen in den Alpen, den Bergen der Welt und auf Reisen begegnen. Denn von einem ist sie überzeugt: Nur was einen selbst bewegt, hat die Kraft, andere zu inspirieren.
Ihre Empörung war gerechtfertigt. Sie selbst hatte es in die Geschichtsbücher des Alpinismus geschafft, ihre Vorgängerinnen oft nicht.
So ist es in den USA, und dasselbe gilt für die Schweiz: Pionierinnen in Fels und Eis verschwanden allzu oft im Ozean des Vergessens. Sei es, weil sie unter männlichen Pseudonymen publizierten, aus Alpenclubs ausgeschlossen waren oder ihre Leistungen schlichtweg nicht wahrgenommen wurden.
Fundbüro für Erinnerungen
Doch genau dies will das Alpine Museum der Schweiz in Bern nun ändern. Wozu die Verantwortlichen ihre Sammlung durchkämmten. Denn was viele nicht wissen:
Das Museum zeigt nicht nur wechselnde Ausstellungen, sondern bewahrt auch eine stetig wachsende Sammlung aus der Geschichte der Berge auf. Darin finden sich zum Beispiel 400'000 Fotografien, 1000 handschriftliche Aufzeichnungen, 1500 Ausrüstungsgegenstände oder 7600 Landkarten.
In diesem gesammelten Berg haben die Verantwortlichen also nach Spuren von Frauen gesucht und diese ans Licht geholt. Entstanden ist das «Fundbüro für Erinnerungen № 2 – Frauen am Berg». Eine kleine, feine Ausstellung, die Geschichte zum Anfassen präsentiert.
So hielt ich bei meinem Besuch von letzter Woche eine Thermosflasche von 1945 in der Hand, prüfte das Gewicht von Daunenstiefeln aus den 1980ern und entdeckte eine elegante Skihose aus dunkelblauem Filz von 1930. Letztere hätte ich gern anprobiert und nach dem Preis gefragt.
Grosse Ehre, seltsames Gefühl
Gleichzeitig spannt die Ausstellung den Bogen bis ins Heute. Zum einen können Besucher*innen ihre eigenen Geschichten in die Sammlung einbringen. Zum anderen erzählen zehn zeitgenössische Frauen auf Screens aus ihrem Bergleben.
Ich bin eine von diesen zehn Frauen – und eine meiner Kameras ist nun auch – als «gesammeltes Objekt» – vor Ort. Was eine grosse Ehre und doch auch ein seltsames Gefühl ist: Als Teil einer Sammlung im Museum zu landen, fühlt sich ein wenig so an, als würde man bald zur Geschichte gehören.
Was so falsch ja nicht ist: In Zukunft werden wir alle Geschichte sein. In der Gegenwart aber haben wir es in der Hand, diese Zukunft zu gestalten. Etwa mit einer Ausstellung wie jener in Bern, die genau das macht, was Lynn Hill sich gewünscht hat: Aufzeigen, was war, um heute eine Basis für morgen zu legen.
Insofern empfehle ich: Alpinistinnen, Wandersfrauen, Kletterinnen – geht nach Bern ins Fundbüro für Erinnerungen. Staunt über die Geschichte, feiert die Gegenwart – und schreibt damit Zukunft.
In der Rubrik «Kolumne» schreiben Redaktorinnen und Redaktoren, freie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von blue News regelmässig über Themen, die sie bewegen. Leserinnen und Leser, die Inputs haben oder Themenvorschläge einreichen möchten, schreiben bitte eine E-Mail an: redaktion.news@blue.ch