Kolumne am MittagVerbrecherjagd im Internet – er überführt mordlustige Eheleute
Von Marianne Siegenthaler
30.10.2020
Der US-amerikanische Unternehmer Robert Innes bietet zum Schein Auftragsmorde im Internet an. Was als Scherz gedacht war, hat bereits mehrere Verbrecher auffliegen lassen.
Mal angenommen, Sie möchten Ihren Ehemann loswerden. Für immer und endgültig. Dieser will aber nicht aus Ihrem Leben verschwinden. Was tun? Wenn Sie selbst genug kriminelle Energie haben, bringen Sie ihn um. Wenn nicht, dann buchen Sie einen Auftragsmörder. Bei uns vermutlich nicht ganz einfach – im Land der unbeschränkten Möglichkeiten aber – scheinbar schon.
Da gibt es nämlich sogar eine Internetseite, die angeblich die Dienste eines Auftragskillers anbietet.
Und das geht ganz einfach: Online buchen, sich online verabreden und 5'000 Dollar plus Reisespesen bereithalten. Was Sie aber unbedingt vor dem Treffen wissen sollten: Der Auftragsmörder ist in Wahrheit ein Undercoveragent der Polizei und wird Sie sofort verhaften.
Zur Autorin: Marianne Siegenthaler
Bild: zVg
Marianne Siegenthaler ist freie Journalistin, Texterin und Buchautorin. In ihrer Kolumne nimmt sie die grossen und kleinen, die schrägen und schönen, die wichtigen und witzigen Themen des Alltags unter die Lupe – mal kritisch, mal ironisch, mal mit einem Augenzwinkern. Sie ist verheiratet, hat eine erwachsene Tochter und lebt am Zürichsee. www.texterei.ch
Wer steckt dahinter? Es ist der Unternehmer Robert Innes, der in einer Kleinstadt in der Nähe von San Francisco lebt. Er verdient sein Geld in der IT-Branche. Seine Aufgabe ist es, im Auftrag von Firmen nach Schwachstellen in deren Netzwerken zu suchen. Um zu verhindern, dass sich kriminelle Hacker Zugriff verschaffen.
Innes hat aber auch ein Hobby. Ein ziemlich aussergewöhnliches. Er betreibt die Website rentahitman.com, auf Deutsch: Miete einen Killer.
Bereits vor 15 Jahren hat er die Seite ins Netz gestellt mit dem Zweck, seine Firma zu bewerben. Ihm gefiel das Wortspiel «Rent a Hitman». Denn wenn ein potenzieller Kunde eine Website besucht, ist das ein «Hit». Innes und sein Team tragen dazu bei, dass möglichst viele Interessenten auf die Website geführt werden und können folglich als «Hitmen» bezeichnet werden.
Ein hübsches Wortspiel – das aber auch missverstanden werden kann. Bald schon erhielt Innes nämlich E-Mails von Leuten, die nach einem Auftragskiller, eben einem Hitman suchten. Darunter Ehefrauen, die ihren Mann loswerden wollten. Schüler wollten ihren Lehrer beseitigen oder Menschen aus dem Ausland ihren Präsidenten.
Es war ein Schock
Für Innes war das mehr als eine Überraschung. Es war ein Schock, wie er kürzlich im deutschen Nachrichtenmagazin «Spiegel» erzählte. Aber es machte ihn auch neugierig. War es möglich, die Website so zu gestalten, dass wirklich niemand mehr das Wortspiel missverstehen könnte?
Er machte sich ans Werk und baute seine Internetseite aus. Neu gab es Rabatte für Seniorinnen und Senioren. Und angeblich 17'985 Aussendienstler. Selbst fiktive Bewertungen zufriedener Kunden fehlten nicht. So freute sich ein Unternehmer, den unverschämten Angestellten für immer los zu sein. Eine Ehefrau war glücklich, dass sie endlich wieder frei war.
Innes war überzeugt, dass jetzt wirklich kein Zweifel mehr bestehen konnte: Über rentahitman.com bekommt man definitiv keinen Auftragsmörder. Weit gefehlt. Innert zehn Jahren kamen mehr als 140 Anfragen herein, die als ernst eingestuft werden konnten. Und die genug Informationen über den Auftraggeber enthielten, um diesen zu identifizieren. Innes gab diese Informationen an die Polizei weiter. Und tatsächlich wurden mindestens zwei Auftraggeber für ihre Absicht, jemanden ermorden zu lassen, verurteilt.
Für Robert Innes eine Genugtuung. Denn jeden Hinweis und erst recht die Verurteilungen verbuchte er als persönlichen Erfolg. Zu Recht: Immerhin hat er so Morde verhindert und Leben gerettet. Und das hat auch ihn selbst verändert. Er glaubt, so Innes im «Spiegel», inzwischen an Gott und ist überzeugt: Gott hat für jeden Menschen einen sinnvollen, wenn auch nicht immer durchschaubaren Plan.
Regelmässig gibt es werktags um 11:30 Uhr und manchmal auch erst um 12 Uhr bei «blue News» die Kolumne am Mittag – es dreht sich um bekannte Persönlichkeiten, mitunter auch um unbekannte – und manchmal wird sich auch ein Sternchen finden.