Kolumne am Mittag Es ist immer noch Britney, bitch!

Von Philipp Dahm

20.5.2020

Disney-Star auf Pop-Abwegen: Britney Spears 2010.
Disney-Star auf Pop-Abwegen: Britney Spears 2010.
Bild: Keystone

Das Musikmagazin «Rolling Stone» hat die «100 besten Debütsingles aller Zeiten» gekürt. Grössen wie Jackson 5 und Sex Pistols müssen sich einem Ex-Disney-Star geschlagen geben – das Mädchen schlug 1999 ein wie eine Bombe.

1999 ist kein Jahr gewesen, das wegen seiner Musik-Highlights in die Geschichte eingegangen wäre. Nehmen wir nur einmal die Top-Ten-Singles von damals: Am häufigsten verkaufte sich Lou Begas «Mambo No.5», gefolgt von «Blue (Ba Da Dee)» von Eiffel 65. Auch Will Smiths «Wild Wild West» schaffte es unter die besten zehn Jahressongs: alles Lieder, die verdammt gute Laune machen wollen – ohne Gnade, ohne Rücksicht auf Verluste.

Dann durften 1999 natürlich die Arien nicht fehlen. Whitney Houstons «My Love Is Your Love» oder «Big Big World» von der Schwedin Emilia, die danach nie wieder an ihren Erfolg anknüpfen konnte. Cher machte mit »Believe» die Stimmenkrücke Auto-Tune zum legitimen Ton-Instrument, und für die Kleinen gab es «I Want It That Way» von den Backstreet Boys oder »Genie In A Bottle» von Christina Aguilera.

Britney Spears und Cjristina Aguilera 2010 bei den MTV Music Video Awards.
Britney Spears und Cjristina Aguilera 2010 bei den MTV Music Video Awards.
Bild: Keystone

Wer damals ein Freund von Hip-Hop, Punk, Rock oder Elektro war, hatte an den Charts also wenig Freude. Ein Hit, der die Top Ten 1999 komplettiert, war besonders schlimm. Vor allem, wenn man viel zu individuell gewesen ist, um Mainstream zu mögen. Also: Auf der einen Seite ich, jung, selbstgerecht und intellektuell hochmütig, auf der anderen Seite ein neues Popsternchen, das gerade noch für Disney auf lieb und brav gemacht hatte: eine gewisse Britney Spears.

«Baby One More Time» hiess ihre Debütsingle, die sich in der Schweiz, aber auch anderswo in Europa und natürlich in den USA wochenlang auf Platz eins hielt. Der Schwede Max Martin hatte den Song eigentlich für die Soul-Combo TLC geschrieben, aber die waren mit ihren Albumaufnahmen bereits fertig gewesen. Also flog die junge Amerikanerin Spears 1998 nach Schweden, um ihr Debütalbum inklusive der Hitsingle einzuspielen.

Älter werden

Das Lolita-Image, mit dem die damals 17-Jährige um Gunst und Käufer buhlte, war für mich mindestens so gruselig wie die Musik, die dieses Mädchen präsentierte. Doch – wenig überraschend – hat dieser Umstand nichts daran geändert, dass Britney Spears einschlug wie eine Bombe. «Baby One More Time» hielt sich hierzulande 26 Wochen in den Charts, in den USA sogar 32. Keine Debütsingle einer Sängerin war erfolgreicher – was auch für das ihr erstes Album gelten sollte.

Aus der Kleinstadt ins Rampenlicht: Spears 2010.
Aus der Kleinstadt ins Rampenlicht: Spears 2010.
Bild: Keystone

Das Mädchen aus dem 2'000-Einwohner-Kaff Kentwood in Louisiana rollte im Verlaufe die Popwelt auf, stand aber auch in den Klatschspalten ganz oben. Die 55-Stunden-Ehe mit einem Jugendfreund, die Liaison mit dem Tänzer Kevin Federline, und vor allem auch ihr Drogenkonsum sorgten für manche Schlagzeile. Unvergessen ist, wie sie sich 2007 das Haar rasierte, als es ihr nicht gut ging: Nur nach Betreuung und dank einer Therapie durfte sie sich um ihre Kinder kümmern, die sie mit Kevin Federline hat, ihre Beziehung scheiterte.

Doch wir werden alle älter. Nicht nur die Spears, die sich und ihre Musik immer wieder neu erfunden hat, sondern auch der Verfasser dieser Zeilen, der sich irgendwann dachte: Wer mit 17 ins Showgeschäft einsteigt – oder durch eine ehrgeizige Mutter eingestiegen wird – kann ja gar nicht normal sein. Ablehnung kann schon mal in verständnisvolles Desinteresse umschlagen, und so zogen die 2'000er ins Land.

«Rolling Stone»-Ritterschlag

Inzwischen habe die Sängerin über 100 Millionen Tonträger verkauft, hielt die honore «BBC» 2016 fest, als Spears nach fast zehn Jahren Abstinenz mal wieder einen Bühnenauftritt angekündigt hatte. Dass sich die Amerikanerin zwischendurch rar gemacht hatte, fand ich eher sympathisch. Und mit den Jahren hatte man ja auch seinen Frieden mit den anderen «Schmalzbarden» aus früheren Zeiten gemacht – wie etwa mit Take That.

Das Album «Blackbox» promotete Spears mit dem Motto «It's Britney, bitch».
Das Album «Blackbox» promotete Spears mit dem Motto «It's Britney, bitch».
Bild: Keystone

Heute muss ich sogar einräumen, dass ich 1999 wohl falsch gelegen habe. Zwar gefällt mir «One More Time» immer noch nicht. Aber wenn ein Magazin wie «Rolling Stone» sich die Debüt-Singles der Musikwelt vorknöpft, wenn jene Experten dann sorgsam abwägen und die Kenner schliesslich Britneys Erstling zum besten seiner Art küren, dann muss das schon etwas heissen. 

In der Liste der «100 besten Debütsingles aller Zeiten» verweist die Dame die Jackson 5 und die Sex Pistols auf die Plätze. Grössen wie REM oder die jetzt gerade sehr angesagte Billie Eilish haben das Nachsehen. Wenn schon der «Rolling Stone» der Spears Tribut zollt, die mich nun schon seit mehr als 20 Jahren akustisch dann und wann begleitet, kann auch ich heute meinen Hut ziehen.

Von mir aus, Britney-Baby, hit doch einfach noch mal one more time. Deinen Erfolg hast du dir verdient.

Abergläubische Stars

Regelmässig gibt es werktags um 11.30 Uhr und manchmal auch erst um 12 Uhr bei «Bluewin» die Kolumne am Mittag – es dreht sich um bekannte Persönlichkeiten, mitunter auch um unbekannte – und manchmal wird sich auch ein Sternchen finden.

Happy Birthday, Pippi Langstrumpf!

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