Das Duell

Spaziergänger vs. Jogger – wer nervt hier wen?

Spaziergänger

Gil Bieler

stv. Leiter Ressort News

Liebe joggende Mitmenschen, ihr nervt.

Aus Sicht eines Spaziergängers sind joggende Menschen rätselhafte Wesen. Nur eines weiss ich: Seit alles ausser den Spazier- und Wanderwegen geschlossen ist, laufen wir uns immer häufiger über den Weg – und das nervt gewaltig. Es soll hier gar nicht darum gehen, dass Joggen exemplarisch für all das steht, was unsere moderne Gesellschaft so anstrengend macht: der Selbstoptimierungswahn, das Gehetze, die generelle Angespanntheit. Nein, es geht um ganz praktische Dinge.

Wir haben es doch alle gelernt in der Corona-Schule: Man hustet oder niest anderen Menschen nicht ins Gesicht, von wegen Tröpfchen und so. Doch wer joggt, dreht nicht mal den Kopf weg beim Kreuzen, sondern keucht dem Gegenüber die Aerosole nur so um die Ohren. Gruusig, oder? Und wie kommt es eigentlich, dass Jogger*innen immer genau dann ihren Dampf ablassen, wenn wir uns auf gleicher Höhe befinden, nie ein paar Meter vorher oder nachher? Das muss doch Absicht sein. Das würde ich gern mal ansprechen, aber Joggende halten ja nie an. Nie!

Auch das nervt: Der Platz ist auf Waldpfaden und Trottoirs knapp bemessen, ausweichen oder eben anhalten müssen aber immer die Spaziergänger. Klar, die sind halt auch gemütlicher unterwegs, man könnte sagen: unambitionierter. Trabende Menschen dagegen wirken so, als hätten sie einen extreeeem wichtigen Auftrag zu erfüllen, von dem das Wohl der ganzen Nation abhängt. Fokussiert wie verrückt sind die! Aber nicht auf die coole Geheimagenten-Art, sondern eher wie Zombies, die ein Gehirn gewittert haben. Voll im Tunnelblick. Was um sie herum stattfindet, nehmen die gar nicht wahr.

Spaziergänger dagegen sind vom Typ her eher drauf wie Balu, der Bär, gehen freundlich pfeifend ihres Weges. Oder würden das zumindest, wären da nicht die joggenden Spielverderber. Die rüsten sogar auf: Schon mal jemandem begegnet, der joggend einen Doppelkinderwagen vor sich herschiebt? Ein Rammbock ist nix dagegen. In den Morgen- und Abendstunden blenden sie einen sogar mit Stirnlampen. Oder, wie letzthin beim Waldspaziergang erlebt: Eine Joggerin lief da im Zickzack über den überraschend breiten Weg. Im Zickzack! Was soll das nur, hätte ich gefragt, aber das raumgreifende Manöver machte mich sprachlos.

Jesses, jetzt töne ich auch schon selbst so ungechillt. Durchatmen, räumlich begrenzt natürlich, und cool bleiben. Diese Pandemie bringt echt das Schlimmste in einem zum Vorschein. Ja, in meinem Umfeld sind jetzt manche sogar zum Joggen konvertiert. Hoffentlich ist das nur eine Phase.

Autor: Gil Bieler

Joggerin

Sulamith Ehrensperger

Redaktorin Ressort Leben

Es sind doch immer die anderen, die nerven. 

Alles läuft. In Parks, durch den Wald, am Strassenrand: Freizeitläufer wie ich. Dass mehr Menschen als sonst die Laufschuhe schnüren,  ist deutlich zu beobachten. Ich höre oft, dass sich Leute Gedanken machen über rücksichtslose Jogger. Das kann ich verstehen. Nach einem Jahr Corona liegen bei vielen die Nerven blank. Nicht nur bei Fussgängern wie meinem Kollegen Gil Bieler. Auch bei mir.

Ist es mal wieder so weit, gehe ich joggen. Ich zähle mich nicht zu den Kampfjoggern, die ohne Rücksicht auf Verluste ihre Bahnen ziehen. Übrigens beobachte ich auch Kampf-Spaziergänger, die Schulter an Schulter marschieren ohne, dass es ein Durchkommen gibt. Ich erwarte nicht, dass diese untertänig zur Seite springen, wenn ich ihnen begegne. Nein, aber zum Abstandhalten braucht es eben mindestens zwei. 

Muss man sich nun wirklich Sorgen machen, wenn einer zu nahe aufjoggt? Tatsächlich kann laut Studien das Virus in Aerosolen, auf schwebenden Minipartikeln, bis zu drei Stunden überleben. Es wäre also denkbar – theoretisch –, dass ein Jogger Viren ausatmet und ein Spaziergänger ein. Oder genau umgekehrt! Aber: Erforscht, ob das wirklich passiert, hat das bisher niemand. Denn in Laboren herrschen ganz andere Bedingungen als draussen.

Draussen hilft der Luftaustausch. Die Virusmenge, die jemand mit Corona-Infektion ausatmet, ist an der frischen Luft schnell verdünnt, etwa durch den Wind, erklärt Christian Drosten, Chefvirologe der Berliner Charité, in einem Podcast. Ob sich Coronaviren auch über Partikel in der Luft verbreiten, dürfte also eher in Innenräumen, etwa beim Einkaufen, eine Frage sein. 

Neben der Viruskonzentration des eingeatmeten Aerosols spielt auch die Zeit der Exposition eine Rolle. Letztere ist ja bei vorbeijoggenden Menschen extrem kurz. Bleibt noch zu sagen, dass die Ausatemluft niedrigere Virusmengen enthält, als dies beim Husten und Niesen der Fall ist. Und wer krank ist, geht bei diesen Temperaturen sicher nicht joggen. Aber vielleicht spazieren oder einkaufen. 

Nichtsdestotrotz ist ein Mindestabstand von 1,5 Metern zu anderen immer angesagt – egal, ob draussen im Park oder in einem Laden. Eine Maske habe ich übrigens immer dabei. Auch beim Joggen. Im Zweifelsfall, sollten mir Spazierende zu nahe kommen … 

Übrigens: Auch bislang nicht oder wenig Aktive sollten jetzt trainieren, hört man immer wieder. Denn Sport trainiert nicht nur die Muskeln, sondern auch das Immunsystem. 

Autor: Sulamith Ehrensperger