Auf sozialen Plattformen stark vernetzt und im realem Leben einsam. So geht es vor allem jungen Menschen. Brett- und Kartenspiele sollen da Abhilfe schaffen. Aber was hat ein Krieg zwischen Zauberern damit zu tun?
Zwei Magier im Kampf um Leben und Tod. Nur einer wird überleben. Um sich selbst zu schützen, beschwören sie wilde Kreaturen oder mächtige Zauberbanne. «Dann würde ich auch gerne mal angreifen», sagt der eine von ihnen, Torsten, konzentriert und etwas angriffslustig.
«Dann opfere ich eine Fee», entgegnet der andere, Cosmo, trocken. Jetzt ist er an der Reihe. Der 18-Jährige dreht die zumindest aus der Sicht von Laien wahllos auf dem Tisch aufgereihten Karten teilweise waagerecht, zieht eine Karte, legt andere ab und hat plötzlich eine «Maus» in Form einer Karte heraufbeschworen. Die Aussagen und Kartenreihungen wirken verwirrend, scheinen jedoch mit System und Strategie verbunden zu sein.
Ein Spieleabend in Frankfurt
Ein Fachhandel für Sammelkarten in Frankfurt hat wie jeden Freitagabend eingeladen. Die beiden Kontrahenten Torsten und Cosmo spielen das Kartenspiel «Magic – The Gathering» (Deutsch: Magie – Die Versammlung). «Du bist ein Magier, der die Kreaturen beschwört und Zauberkarten hat, um sein eigenes Leben zu beschützen oder das gegnerische Leben auf null zu bringen», erklärt Filialleiter Fábio Francisco de Sousa. «Magic ist einfach zu erlernen, aber schwer zu meistern.»
Das Spiel, das 1993 von dem Mathematikprofessor Richard Garfielderfunden wurde, hat nach Angaben des Herstellers Wizards of the Coast über 20 Millionen Spieler und Fans weltweit. Mehr als 20000 Karten bieten unterschiedliche Funktionen und Möglichkeiten, um den Kampf zwischen den spielenden Magiern zu variieren. Es werde ein Grundgerüst zur Verfügung gestellt, das unterschiedlich verwendet werden könne, sagt Sousa. «Wenn man das eine Format nicht mag, hat man noch andere Formate, in die man reinschnuppern kann». Das sei auch das besondere an Magic. Ausserdem sei es ein Spiel für alle. Jung und Alt finden sich zum Spielen zusammen.
Karten und Würfel statt Smartphones
Hier gibt es keine surrenden Computer, nur wenige Smartphones sieht man auf den Tischen liegen, dafür umso mehr Karten, Würfel und bunte Tischunterlagen. Lautes Gemurmel erfüllt den Raum. An den Tischreihen mit rund 50 Sitzplätzen versammeln sich unterschiedlichste Altersklassen und Typen. Ein 13-jähriger Junge, eine Frau mit Latzhose, aber auch der «coole Typ von nebenan». Mit ihren Karten bauen sie Fantasiewelten, die man sonst nur von Online-Games oder Fantasy-Filmen kennt.
«Man wird weniger schnell Nerd genannt», sagt Trendforscher Tristan Horx über die aktuelle Liebe zum magischen Kartenspiel. Dank Erfolgsserien wie «Game of Thrones», in der Hexen und Drachen in einer fantastischen Welt mit- und gegeneinander kämpfen, sei das Genre Fantasy und Magic verbreiteter. Ausserdem stehe das «von Angesicht zu Angesicht» bei vielen Menschen im Vordergrund.
«Das ist so ein Gemeinschaftsding. Jeder kann es, jeder kennt die Regeln, das verbindet», findet eine der wenigen Frauen, die jede Woche zum Spielen kommt. «Du hast diese eine Gemeinsamkeit, das Spiel.»
Mittel gegen «digitale Einsamkeit»
Zusammen spielen, ohne Computer, an einem Tisch, das mache das Spiel besonders, sagt Horx. Es wirkt der «digitalen Einsamkeit» entgegen. Das sei ein Paradox: Jüngere Generationen seien immer vernetzter auf digitalen Plattformen, im realen Leben allerdings immer einsamer. Die Suche nach dem Analogen, rutsche in den Vordergrund. Spieleabende seien Trend. Vor allem die Generationen, die mit der digitalen Welt aufgewachsen seien, begeben sich auf «die Suche zurück nach dem Brettspiel». Im Vordergrund stehe dabei das spielerische Zusammensein weg vom Digitalen, erläutert Horx. Magic habe diese Suche erkannt und Einsteigerangebote geschaffen.
Cosmo und Torsten sind schon etwas länger in der magischen Welt der Karten unterwegs. Sie spielen zum ersten Mal gegeneinander. Ihre Lebensläufe könnten kaum unterschiedlicher sein. Cosmo ist Schüler, 18 Jahre alt und spielt seit ein einigen Jahren Magic. Er findet, «das besondere ist auf jeden Fall, dass es ein Spiel ist, was man im echten Leben, von Angesicht zu Angesicht spielt».
Sein Gegner Torsten ist 52 Jahre alt, er arbeitet als Informatiker und kämpft schon seit über 25 Jahren in den magischen Schlachten des Spiels. Teilweise habe er schon auf professionellen Magic-Turnieren gespielt, aber vor allem komme er zu Abenden wie diesem.
Dass sein Kontrahent nicht mal halb so alt wie er ist, findet Torsten «frustrierend», aber nicht wegen des Alters, sondern wegen des Spiels. «Ich hab eine kleine Armee an Feen aufgebaut», erklärt der 18-Jährige schelmisch und damit hat der Schüler den Informatiker geschlagen. Jetzt heisst es Revanche! Ohne Bildschirm, ohne Computersurren, sondern mit strategisch überlegtem Kartenspiel, von Angesicht zu Angesicht.
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