Sprachpfleger Heisst es das oder die Weihnachten?

Von Mark Salvisberg

22.12.2020

Weihnachten ohne Artikel? Geschenkt!
Weihnachten ohne Artikel? Geschenkt!
Bild: Getty Images

Da läuft der Mensch ängstlich Slalom zwischen Tausenden potenziellen Virenschleudern. Und den Sprachpfleger beschäftigt das Geschlecht von Weihnachten? Er ist halt so.

Spüren Sie’s auch? Trotz aller Widrigkeiten in diesem Jahr: Es weihnachtet! Und das allein ist schon speziell, denn es ostert oder pfingstet genauso wenig, wie es karfreitagt oder auffahrtet. Weihnachten ist beispiellos, ein Feiertag mit eigenem Verb.

Das Nomen Weihnachten ist ein sogenannter erstarrter Dativ. Kein Wunder, bei diesen Temperaturen! Spass beiseite: Jene Dativform hat sich, wie der Duden schreibt, im Mittelhochdeutschen aus der pluralischen Fügung ze wīhen nahten (= in den heiligen Nächten) losgelöst und wird nun als eigenständiger Nominativ Singular verwendet.

Gemeinhin ohne Artikel

Zunächst einmal ist Weihnachten – ohne Artikel – der Standard; der endungslose Ausdruck Weihnacht ist ebenso richtig, wenn auch etwas seltener, er kommt etwa in Wendungen wie zu Weihnacht vor.

Weihnachten ist ein Neutrum Singular: An jenes prächtige Weihnachten werden wir noch lange zurückdenken. Meistens wird auf den Artikel verzichtet: Weihnachten steht vor der Tür. Die Formen die Weihnachten waren beziehungsweise das Weihnachten war gelten daher als eher unüblich.

Hierzulande mag man’s «pluralistisch»

In der Schweiz hingegen wird Weihnachten oft als Mehrzahl wahrgenommen: Diese Weihnachten werden wir wohl oder übel zu Hause bleiben. In feststehenden Wendungen, zum Beispiel Glückwünschen zum Fest und auch nach Adjektiven, ist der Plural aber nach wie vor im ganzen deutschen Sprachraum anzutreffen: Frohe Weihnachten! Wir erwarten weisse (nicht: weisses) Weihnachten.

Wortzusammensetzungen mit Weihnachten werden immer beliebter: Die Weihnachtstage waren sehr angenehm. Das diesjährige Weihnachtsfest verlangt uns einiges ab.

Varianten mit Präposition

Für Weihnachten habe ich mir etwas Besonderes ausgedacht, zu Weihnachten gab’s Handschuhe, an Weihnachten ist’s romantisch – vieles ist möglich, natürlich auch ohne Präposition, obwohl sich dies für uns ungewohnt anhört: Was machst du Weihnachten? Weihnachten letztes Jahr habe ich viele Freunde getroffen.

Nun bleibt mir nur noch zu hoffen, dass Sie wohlbehalten über den Silvester kommen. Letzterer wird im Übrigen ausschliesslich mit i geschrieben, obwohl Stallone es gern krachen lässt.

Zur Person: Mark Salvisberg war unter anderem als Werbetexter unterwegs. Der Absolvent der Korrektorenschmiede PBS überarbeitet heute täglich journalistische Texte bei einer Tageszeitung.


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