Kolumne Ist das meine verstorbene Oma, die sich gerade meldet?

Von Michelle de Oliveira

23.11.2020

Wohin gehen wir, wenn wir sterben?
Wohin gehen wir, wenn wir sterben?
Bild: Getty Images

Der Besuch bei einem Medium reizt die Kolumnistin schon lange, auch wenn sie Zweifel hegt: Ist ein Kontakt mit Verstorbenen tatsächlich möglich?

Wohin gehen wir, wenn wir sterben? Gibt es so etwas wie eine ewige Seele? Lösen wir uns ins Nichts auf? Himmel oder Hölle?

Diese Fragen stelle ich mir immer wieder, es nimmt mich wahnsinnig wunder, was nach unserem irdischen Dasein passiert.

Darum konnte ich nicht widerstehen, einen Termin bei einem Medium zu vereinbaren, nachdem mir eine Freundin von ihrer Erfahrung mit der Frau erzählt hatte. Über diese finde ich nichts im Internet, der einzige Kontakt ist die Handynummer, die mir die Freundin gibt. Als ich den Termin vereinbare, kennt sie von mir auch bloss Vornamen und Handynummer.

Zur Autorin: Michelle de Oliveira
Bild: zVg

Michelle de Oliveira ist Journalistin, Yogalehrerin und Mutter und immer auf der Suche nach Balance – nicht nur auf der Yogamatte. Ausserdem hat sie ein Faible für alles Spirituelle und Esoterische. Ihn ihrer Kolumne berichtet sie über ihre Erfahrungen mit dem Unfassbaren. Sie lebt mit ihrer Familie in Zürich.

Eine Woche später begrüsst mich die Frau in einem kleinen Raum, in der Mitte steht ein kleiner Tisch, darauf zwei Gläser Wasser, in der Ecke leuchtet eine Rosenquarzlampe.

Das Medium klärt mich auf: Keine Prognosen bezüglich Gesundheit, keine Garantie, dass jemand aus der geistigen Welt kommt, was passiert, kann sie nicht voraussagen. Ich nicke.

«Oha, jetzt ist jemand da»

Sie legt den Kopf etwas zur Seite und verharrt für eine Weile so, als ob sie ganz konzentriert zuhörte. Dann sprudeln die Worte aus ihr heraus. Sie sieht Symbole und erklärt mir, was sie bedeuten. Tatsächlich skizziert sie ein erstaunlich präzises Bild meiner Person. Sie erklärt mir, welche Eigenschaften ich stärken soll, worauf ich meinen Fokus legen kann, wo mein Potenzial liegt.

Und plötzlich: «Oha, jetzt ist jemand da. Was für eine starke Präsenz!» Mein Herz schlägt etwas schneller. «Ich sehe eine Frau mit sehr blauen Augen. Sie ist ständig in Bewegung, bewirtet viele Menschen an einem grossen Tisch, schaut, dass alle genug essen, sitzt selbst keinen Moment still. Kennst du diese Frau?»

Mir schiessen Tränen in die Augen. Treffender hätte sie meine vor kurzem verstorbene Grossmutter nicht beschreiben können. «Ich sehe euch im Schnee», sagt das Medium weiter. Bei mir zu Hause steht ein Bild von uns beiden auf einem Schlitten. «Sie ist sehr stolz auf dich, sie ist immer bei dir, hält stets deine Hand.» Ich bin gerührt und fühle mich sehr beschützt.



Später, als ich wieder zu Hause bin, setzt mein Verstand ein. Stimmt die Beschreibung nicht für fast jede Grossmutter? Dass sie stolz ist, stets auf mich Acht gibt – wer hört das nicht gern? Und kann nicht jeder mit guter Menschenkenntnis etwas Passendes über sein Gegenüber erzählen und sich als Medium verkaufen?

Was mit den Verstorbenen passiert und ob Kontakt mit ihnen tatsächlich möglich ist, weiss ich noch immer nicht. Aber jedes Mal, wenn ich das Bild von mir und meiner Grossmutter im Schnee betrachte, fühle ich ihre Nähe ganz deutlich. Dank des Mediums deutlicher als zuvor.

Egal, ob sie tatsächlich aufgetaucht ist oder nicht – ich geniesse dieses Gefühl sehr.

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In der Rubrik «Die Kolumne» schreiben Redaktorinnen und Redaktoren von «blue News» regelmässig über Themen, die sie bewegen. Leserinnen und Leser, die Inputs haben oder Themenvorschläge einreichen möchten, schreiben bitte eine E-Mail an: redaktion.news@blue.ch.

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