Kolumne Freunde auf Distanz, kann das klappen und gutgehen?

Von Gabriella Alvarez-Hummel

30.9.2021

Ob ihre Freundschaft bestehen würde, auch wenn sie sich nicht jeden Tag bei der Arbeit sehen? Turk (Donald Faison) und J.D. (Zach Braff) sind sowohl in der Serie «Scrubs» als auch im echten Leben beste Freunde. Während der Pandemie haben sie gemeinsam den Podcast «Fake Doctors, Real Friends» lanciert.
Ob ihre Freundschaft bestehen würde, auch wenn sie sich nicht jeden Tag bei der Arbeit sehen? Turk (Donald Faison) und J.D. (Zach Braff) sind sowohl in der Serie «Scrubs» als auch im echten Leben beste Freunde. Während der Pandemie haben sie gemeinsam den Podcast «Fake Doctors, Real Friends» lanciert.
NBC

Fernbeziehungen in Freundschaften sind eine Herausforderung. Wie sie zu meistern sind und warum kein Kontakt nicht wahnsinnig schlimm sein muss, schreibt unsere Autorin im Auftakt der Freundschafts-Kolumne.

Von Gabriella Alvarez-Hummel

«Entschuldige, dass ich mich nie gemeldet habe», sagt mein sonst so extravertierter Freund Max kleinlaut. Und dann: «Ich war nicht ein besonders guter Freund.» Ich sitze da, bin perplex und gleichzeitig berührt – und muss laut lachen: «Das hat dich jetzt beschäftigt, gell?»

Ich war gerade in die Schweiz zurückgekehrt, nach fast drei Jahren auf Reisen. Ich musste meine Freundschaften pflegen, am Leben erhalten wie einen Blumenstock. Max und ich hatten uns tatsächlich nicht besonders oft gehört, aber trotzdem war klar, dass wir uns nach meiner Rückkehr sofort sehen würden. Bei anderen war das nicht so selbstverständlich.

Die Angst, etwas zu verpassen

Fernbeziehungen sind nie einfach. Das Internet ist voll von Heartbreak-Geschichten und Ratgebern zu romantischen Beziehungen auf Distanz. Freundschaften hingegen scheinen nicht besonders wichtig zu sein. Dabei hat doch gerade auch die Pandemie gezeigt: Das Leben ist ziemlich lame, wenn man seine Freund*innen über längere Zeit nicht sieht.

Ich hatte mich entschieden, meine sieben Sachen zu packen und ans andere Ende der Welt zu fahren. Am Anfang vermisst du auf einer solch langen Reise vieles: Laugenbrot zum Beispiel – und irgendwann nur noch: deine Freund*innen.

In den drei Jahren unterwegs habe ich ein paarmal auf mein Handy geweint, etwa wenn auf Whatsapp ein Gruppenfoto oder auf Instagram die Story der letzten #bestnightever reingeschneit kam. The FOMO was real! Ich fragte mich ernsthaft: Was zum Teufel tust du hier? Warum bist du nicht einfach dort?

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Wie viele enge Freunde hast du?

Manche Freund*innen haben die Funkstille nicht so gut verkraftet. Mit anderen konnte ich die Nähe weiterhin gut halten. Aus heutiger Sicht würde ich drei Gruppen definieren:

● Gruppe 1: Freund*innen, mit denen ich regelmässig Kontakt und eine gute Ahnung davon hatte, was bei ihnen so im Leben abgeht.

● Gruppe 2: Freund*innen, die ich kaum hörte, es aber nie zur Debatte stand, ob wir noch befreundet sind – getreu dem Spruch: Egal, wie lange wir uns nicht sehen oder hören, es fühlt sich auch nach Jahren immer gleich gut an.

● Gruppe 3: Freund*innen, mit denen der Kontakt mit der Zeit versandet ist.

Zur Autorin
zVg

Gabriella Alvarez-Hummel ist freie Journalistin. Ihre langjährigen Freund*innen sind ein grosser Grund, weshalb sie sich nach fünf Jahren auf Reisen und in Buenos Aires nun wieder für unbestimmte Zeit in Zürich niedergelassen hat.

Gruppe 1 besteht aus sehr unterschiedlichen Menschen, weshalb sich auch jeweils eine eigene Form der Kommunikation entwickelt hat. Mit einer Freundin tauschte ich regelmässig lange, ausführliche Sprachnachrichten aus. Wir nannten sie Podcasts. Eine andere Freundin hörte ich weiterhin, wie auch vor der Reise, oft sonntags. Per Telefon, ohne Video. Mit einer anderen skypte ich oft stundenlang, bis wir betrunken ins Bett fielen – sie um Mitternacht, ich irgendwann nachmittags.

Max gehört zur zweiten Gruppe. Ich habe die Freundschaft zu ihm nie infrage gestellt, deshalb war es auch in Ordnung für mich, dass er sich kaum meldete. Seien wir ehrlich: Auch ich habe mir – abgesehen von ein paar Likes auf Insta – nicht besonders viel Mühe gegeben.

Ist diese Freundschaft deshalb mehr oder weniger wert als jene in Gruppe 1?

Ich habe mir diese Frage lange selber gestellt: Sind nur die Freund*innen echte Freund*innen, die ich über die Jahre im Ausland aktiv halten konnte? Nein. Sie sind einfach anders.

Mit manchen Freund*innen teile ich meinen Alltag, mit anderen eben andere Dinge. Ob auf Reisen oder nicht. Und das ist in Ordnung. Ich wäre gar nie fähig gewesen, mich mit allen ständig auszutauschen. Aber ich war froh um die, die trotzdem Lust darauf hatten.

Man könnte auch sagen: Welchen Anspruch habe ich schon, wenn ich die bin, die gegangen ist? Vielleicht sind richtige Freundschaften die, bei denen du dich auch nach langer Zeit im Ausland nicht fragen musst, ob ihr noch befreundet seid. Ihr seid es einfach.

Und Gruppe 3? Nun ja, böse Zungen würden wohl sagen, dass es sich dabei gar nie um wahre Freundschaften gehandelt hat.


Friends-forever-Kolumne

Elternblogs, Beziehungskolumnen, Familienratgeber: Die Partnerschaft und die biologische Familie haben ihre Bühne. Was aber ist mit Freundschaften? Warum werden sie im öffentlichen Diskurs so vernachlässigt? Diese Kolumne will das ändern. Hast du eine Frage, einen Themenvorschlag oder eine besondere Freundschaftsgeschichte? Immer her damit per Privatnachricht auf Instagram.