Fotografin porträtiert Söhne«Jemand schrieb, ich würde meine Kinder missbrauchen»
Von Sulamith Ehrensperger
8.4.2021
Fotoband «Rendez-Vous»: Einblicke ins Erwachsenwerden
Jeden Monat wieder eine neue Idee für Bilder, die mehr sind als ein Familienritual. Viele Fragen, die heute aktuell sind, hat sich Caroline Minjolle vor 20 Jahren nicht stellen müssen.
Bild: Caroline Minjolle, 27.5.2004
Seit seiner Geburt fotografiert Caroline Minjolle ihren Sohn Merlin. Bei den allmonatlichen Shootings in den letzten 25 Jahren sind über 3'000 Fotos entstanden.
Bild: Caroline Minjolle, 11.7.1996
Und dann waren sie zu zweit: die Brüder Merlin und Basil.
Bild: Caroline Minjolle, 27.10.1998
Die Bilder sind ein Andenken aus einer anderen Zeit. Sie wecken beim Anschauen auch viele eigene Kindheitserinnerungen, etwa ans erste Mal Gameboy spielen.
Bild: Caroline Minjolle, 26.8.2000
Für ihr Langzeit-Kunstprojekt arbeitet Minjolle mit Accessoires und Alltagsgegenständen.
Bild: Caroline Minjolle, 27.3.2001
Die Bilder sind keine Schnappschüsse, sondern Inszenierungen, quasi ein Schauspiel für die Fotokamera.
Bild: Caroline Minjolle, 26.9.2002
«Ich arbeite gerne mit ganz alltäglichen Dingen», sagt Minjolle über ihre Arbeit. Etwa diese Orangennetze, die sie nach dem Einkaufen fürs Fotoshooting verwendet hat.
Bild: Caroline Minjolle, 02.3.2003
Mit den Jahren hat Minjolle ihre beiden Söhne immer stärker involviert, sie nach ihren eigenen Ideen gefragt. Natürlich mussten dann auch mal die Wasserpistolen aufs Bild.
Bild: Caroline Minjolle, 27.10.2004
«Als Protagonist auf den Bildern meiner Mutter muss man mit viel Humor und Selbstironie ausgestattet sein», sagt Basil heute über die allmonatlichen Shootings.
Bild: Caroline Minjolle, 11.9.2007
Merlin und Basil auf der Schwelle zum Teenagersein. Die Zweideutigkeit des Schriftzugs hat vereinzelt für Kritik gesorgt. «In diesem Alter sind Kinder leichte Beute der Konsumwelt. Das war für mich die eigentliche Botschaft», sagt Minjolle.
Bild: Caroline Minjolle, 16.8.2008
«Das ist das einzige Bild, wo Basil nicht dabei sein wollte», erzählt Minjolle, «er bockte an dem Tag.» Deshalb ist er jetzt als Fotomontage in Gestalt des Grüffelo zu sehen.
Bild: Caroline Minjolle, 14.9.2008
Zwei Anwälte in Aktion: Die Idee für diese Inszenierung haben Basil und Merlin eingebracht. Das war damals während der Scheidung ihrer Eltern.
Bild: Caroline Minjolle, 13.3.2010
Nicht immer waren die beiden fürs Ablichten aufgelegt. Minjolle: «Das war dann jedesmal die Kunst des Verhandelns.»
Bild: Caroline Minjolle, 21.10.2012
Die Rendezvous im Zürcher Seefeld-Quartier gehen weiter: Drei bis viermal pro Jahr steht «Photo du Mois» auf der Agenda.
Bild: Caroline Minjolle, 19.8.2012
Fotoband «Rendez-Vous»: Einblicke ins Erwachsenwerden
Jeden Monat wieder eine neue Idee für Bilder, die mehr sind als ein Familienritual. Viele Fragen, die heute aktuell sind, hat sich Caroline Minjolle vor 20 Jahren nicht stellen müssen.
Bild: Caroline Minjolle, 27.5.2004
Seit seiner Geburt fotografiert Caroline Minjolle ihren Sohn Merlin. Bei den allmonatlichen Shootings in den letzten 25 Jahren sind über 3'000 Fotos entstanden.
Bild: Caroline Minjolle, 11.7.1996
Und dann waren sie zu zweit: die Brüder Merlin und Basil.
Bild: Caroline Minjolle, 27.10.1998
Die Bilder sind ein Andenken aus einer anderen Zeit. Sie wecken beim Anschauen auch viele eigene Kindheitserinnerungen, etwa ans erste Mal Gameboy spielen.
Bild: Caroline Minjolle, 26.8.2000
Für ihr Langzeit-Kunstprojekt arbeitet Minjolle mit Accessoires und Alltagsgegenständen.
Bild: Caroline Minjolle, 27.3.2001
Die Bilder sind keine Schnappschüsse, sondern Inszenierungen, quasi ein Schauspiel für die Fotokamera.
Bild: Caroline Minjolle, 26.9.2002
«Ich arbeite gerne mit ganz alltäglichen Dingen», sagt Minjolle über ihre Arbeit. Etwa diese Orangennetze, die sie nach dem Einkaufen fürs Fotoshooting verwendet hat.
Bild: Caroline Minjolle, 02.3.2003
Mit den Jahren hat Minjolle ihre beiden Söhne immer stärker involviert, sie nach ihren eigenen Ideen gefragt. Natürlich mussten dann auch mal die Wasserpistolen aufs Bild.
Bild: Caroline Minjolle, 27.10.2004
«Als Protagonist auf den Bildern meiner Mutter muss man mit viel Humor und Selbstironie ausgestattet sein», sagt Basil heute über die allmonatlichen Shootings.
Bild: Caroline Minjolle, 11.9.2007
Merlin und Basil auf der Schwelle zum Teenagersein. Die Zweideutigkeit des Schriftzugs hat vereinzelt für Kritik gesorgt. «In diesem Alter sind Kinder leichte Beute der Konsumwelt. Das war für mich die eigentliche Botschaft», sagt Minjolle.
Bild: Caroline Minjolle, 16.8.2008
«Das ist das einzige Bild, wo Basil nicht dabei sein wollte», erzählt Minjolle, «er bockte an dem Tag.» Deshalb ist er jetzt als Fotomontage in Gestalt des Grüffelo zu sehen.
Bild: Caroline Minjolle, 14.9.2008
Zwei Anwälte in Aktion: Die Idee für diese Inszenierung haben Basil und Merlin eingebracht. Das war damals während der Scheidung ihrer Eltern.
Bild: Caroline Minjolle, 13.3.2010
Nicht immer waren die beiden fürs Ablichten aufgelegt. Minjolle: «Das war dann jedesmal die Kunst des Verhandelns.»
Bild: Caroline Minjolle, 21.10.2012
Die Rendezvous im Zürcher Seefeld-Quartier gehen weiter: Drei bis viermal pro Jahr steht «Photo du Mois» auf der Agenda.
Bild: Caroline Minjolle, 19.8.2012
Einmal im Monat hatte Caroline Minjolle ein spezielles Rendezvous: erst mit ihrem Bauch, später mit ihren Söhnen. 25 Jahre lang inszeniert sie die beiden. Entstanden ist ein Fotoband fürs Auge und zum Nachdenken.
Von Sulamith Ehrensperger
08.04.2021, 22:23
09.04.2021, 08:17
Sulamith Ehrensperger
Heute haben Babys ihr digitales Debüt ja bereits vor ihrer Geburt. Manche Eltern posten Ultraschallbilder ihres ungeborenen Kindes, viele zeigen beinahe das komplette Leben ihrer Sprösslinge in ihrem Social-Media-Profil.
Auch Caroline Minjolle fotografiert schon seit 25 Jahren ihre beiden Söhne Merlin und Basil. Die französische Fotografin, die seit über 30 Jahren in Zürich lebt, zeigt mit ihren Bildern intime Einblicke ins Familienleben und das Erwachsenwerden.
Keine Schnappschüsse, wie man sie von Instagram kennt. Nein, die Fotos, die sie jeden Monat von ihren Söhnen macht, sind eine Dokumentation, ein Einblick in ihr Leben – und doch alles andere als ein Familienalbum. Jedes der über 3000 Bilder ist bewusst inszeniert. Entstanden ist ein Fotoband, ein Langzeit-Kunstprojekt, an dem sie nun die Öffentlichkeit teilhaben lässt.
Ein Schauspiel für die Fotokamera
Ganz am Anfang war da nur ihr Bauch, der immer grösser wurde. «Auf dem ersten Bild sieht man natürlich noch nichts.» Caroline Minjolle lacht und blättert durch den kürzlich erschienenen Fotoband «Rendez-Vous», der vor ihr liegt. «Die Schwangerschaft war am Anfang abstrakt. Doch es war für mich klar, dass ich aus dem Abenteuer Muttersein etwas kreieren möchte.»
Zur Person: Caroline Minjolle
Caroline Minjolle
Caroline Minjolle ist in Frankreich aufgewachsen, seit über 30 Jahren lebt und arbeitet sie in Zürich als freischaffende Fotografin. Sie setzt sich mit dem Körper als Ausdrucksmittel auseinander, früher als Tänzerin auf der Bühne, heute als Fotografin hinter und vor der Kamera sowie als Kuratorin und Unterstützerin von Tanzprojekten zeitgenössischer ChoreografInnen. Im Fotoband «Rendez-Vous» hat sie das Leben ihrer beiden Söhne Merlin und Basil öffentlich dokumentiert.
Neun Monate später beginnt sie ihren Sohn Merlin einmal im Monat vor der Kamera zu inszenieren. Dabei gibt sie ihren Bildern einen wiederkehrenden Rahmen: zwölf Aufnahmen pro Shooting in Schwarzweiss, aufgenommen mit ihrer analogen Hasselblad-Kamera im 6x6-Format.
Dann, zweieinhalb Jahre später, sind es zwei Kinder vor der Linse: Baby Basil ist da. Von jetzt an beginnt sie ihre Shootings, das «Photo du Mois», wie sie es nennt, bewusst zu planen. Es ist fast wie ein Schauspiel für die Fotokamera – mit Verkleidungen, Spielsachen, Alltagsgegenständen, Accessoires, Ferienandenken, Perücken und manchmal Schminke. Und jeden Monat hat sie wieder einen neuen Einfall, spielerisch, ironisch, für manchen Betrachter zuweilen auch etwas provokativ.
Das Foto etwa, das die Jungs mit Wasserpistolen zeigt oder jenes, wo sie den Schriftzug «Fruits prêtes à consommer» auf ihren nackten Oberkörpern tragen. Auf dieses Bild habe sie auch heftige Reaktionen erhalten: «Jemand schrieb, ich würde meine Kinder missbrauchen.» Die Banderolen habe sie in einem Supermarkt in Frankreich gefunden. Der Zweideutigkeit war sie sich durchaus bewusst, habe damit jedoch auch spielen wollen: «Für mich ist es hauptsächlich ein konsumkritisches Bild.»
Das Beispiel zeige, wie sich Wirkung und Bedeutung eines Bildes in den Augen des Betrachters verändern können. «Wie Bilder interpretiert werden, kann ich als Autorin nicht steuern. Sind sie mal in der Welt, wird jeder Mensch etwas anderes darin sehen.»
Ist es okay, Fotos von nackten Kindern zu machen?
Heute habe man einen ganz anderen Blick auf die Fotos, die nun 15, 20, 25 Jahre alt sind: «Ich habe mir die ganzen Fragen, die heute aktuell sind, damals gar nicht gestellt.» Etwa: Wie ist es, kleine Kinder zu fotografieren, ohne ihr Einverständnis? Ist es okay, Fotos von nackten Kindern zu machen? Was darf man als Mutter von seiner Familie zeigen? «Mittlerweile könnte ich viele Bilder gar nicht mehr so aufnehmen mit dem Wissen, was sie heute alles an Reaktionen auslösen könnten», sagt Minjolle. «Diese Selbstzensur hatte ich damals nicht. Ich spüre sie aber heute.»
Dennoch sind viele ihrer Bilder noch immer aktuell: etwa das Foto, das die Buben in Stilettos zeigen. «Ich sagte zu ihnen, nehmt diese Schuhe und macht etwas damit. Damals war es mehr ein Spiel mit Identität, mit Blick auf die Genderthematik bekommt es eine aktuelle Bedeutung.»
Mit den Jahren hat Minjolle ihre beiden Söhne immer stärker involviert, sie nach ihren eigenen Ideen gefragt. Auf einem der Bilder beispielsweise spielen sie zwei Anwälte. Das war damals während der Scheidung ihrer Eltern. Die beiden fanden es schlicht absurd, jemanden zu engagieren, der die Familienkonflikte regeln soll. Das entstandene Foto zeigt eine Szene, wie man sie aus der Filmwelt kennt.
Ein Blick hinter die Kulissen von «Rendez-vous» mit und von Caroline Minjolle.
Bild: Raisa Durandi, YouTube
Erinnerungen an den ersten Gameboy
Die Bilder sind zwar inszeniert, dennoch wachsen einem die beiden Jungs, später Teenager und junge Männer, ans Herz. Sie zeigen ihr jeweiliges Befinden, ihre unterschiedlichen Persönlichkeiten sind spürbar – und das wirkt intim. Beim Betrachten des Fotobandes wird manch eigene Kindheitserinnerung wach: Man erinnert sich an seine Kindergeburtstage, die ersten Strandferien, den ersten Gameboy, vielleicht auch Momente, die man verdrängt hat oder an die man sich besonders gern erinnert.
Zum Ende des Bandes hin werden die Fotos dann ernsthafter. Die äusseren Veränderungen der beiden sind von Bild zu Bild weniger sichtbar. Es sind eher Porträts zweier junger Männer, die mitten im Leben stehen. Mittlerweile ist auch der jüngere Sohn von zu Hause ausgezogen. Damit soll das Kunstprojekt aber nicht zu Ende gehen: Merlin und Basil treffen sich weiterhin drei bis viermal pro Jahr zu fotografischen Rendez-vous mit ihrer Mutter.
Buchhinweis
Arisverlag
Der Fotoband von Caroline Minjolle zeigt 230 Monatsbilder, aufgenommen während 25 Jahren. Die Bilder dokumentieren das Leben mit seinen Höhen und Tiefen des Aufwachsens, des Geschwisterseins und des Erwachsenwerden. «Rendez-Vous» von Caroline Minjolle, erschienen im Arisverlag, 34.90 Franken