Ethik auf Familienblogs Kinderfotos ins Netz stellen – herzig, aber problematisch

Von Monika Rufener

30.4.2021

Rita Angelone gewährt auf ihrem Blog Einblicke in ihr Familienleben. Auf Bildern sind ihre Söhne jedoch nur mit Sonnenbrille oder Kappe zu sehen.
Rita Angelone gewährt auf ihrem Blog Einblicke in ihr Familienleben. Auf Bildern sind ihre Söhne jedoch nur mit Sonnenbrille oder Kappe zu sehen.
Bild: Rita Angelone

Was dürfen Eltern von ihren Kindern im Internet teilen? Diese Problematik beschäftigt Rita Angelone: Sie hat zusammen mit anderen Familien-Bloggern einen Kodex zusammengestellt.

Von Monika Rufener

30.4.2021

Vor einem Jahr platzte dem deutschen Comedian Oliver Pocher der Kragen: Er störte sich an den vielen Influencer*innen, die scheinbar unbekümmert Bilder ihrer Kinder im Netz teilen. Gemäss Pocher erhoffen sich die Blogger*innen durch den Jö-Effekt mehr Reichweite und schrecken auch nicht zurück, ihre Kinder als Sujet für Baby- und Kinderprodukte zu vermarkten.

Seither macht Pocher auf seinem Instagram-Profil regelmässig auf die Problematik von Kinderfotos im Internet und die negativen Konsequenzen  aufmerksam. Damit hat der Vater von fünf Kindern in Deutschland eine hitzige Debatte angestossen: Was dürfen Eltern im Internet von ihren Kindern preisgeben und was nicht?

Kodex für Familienblogs

In der Schweiz kommt dieser Diskurs nun auch vermehrt auf dem Tisch: «Wir können hierzulande einiges von der Debatte in Deutschland mitnehmen», sagt die Familienbloggerin Rita Angelone. Sie gründete vor über zwei Jahren das Netzwerk Schweizer Familienblogs.

Neben dem Austausch und Vernetzung verschiedener Familienblogger der Schweiz, hat das Netzwerk das erklärte Ziel, zur Entwicklung von mehr Verantwortung beim Bloggen beizutragen. Der erste Punkt in ihrem Kodex lautet: «Wir stellen unsere Kinder nicht bloss, sondern gehen mit ihren Bildern und Erlebnissen achtsam um und respektieren die von ihnen gesetzten Grenzen.»

Diese Gefahren lauern

Die Probleme sind vielschichtig: Vor allem bei Kleinkindern werden die Bilder ohne deren Einverständnis veröffentlicht. Diese Bilder dann zu einem späteren Zeitpunkt aus dem Internet verschwinden zu lassen, grenzt an ein Ding der Unmöglichkeit.

Rita Angelone
Bild: zVg

Die 53-Jährige betreibt seit über zehn Jahren den Familienblog «Die Angelones».

Zweitens wird mit der Vermarktung von Kinderfotos auch Geld verdient, was derzeit in Deutschland zur Diskussion führt, ob dies bereits zur unerlaubten Kinderarbeit zählt.

Dritter und wohl schwerwiegendster Punkt: Wie neue Recherchen des ARD-Politikmagazins «Panorama» und STRG_F zeigen, bedienen sich Pädosexuelle massenhaft an Kinderfotos in den sozialen Medien. Gemäss dem Bericht werden harmlose Alltagsfotos von Kindern gestohlen und auf Kinderpornoseiten hochgeladen.

Das Kinderzimmer ist absolut privat

Rita Angelone führt selbst einen Familienblog. Als sie vor mehr als zehn Jahren damit begann, waren ihre zwei Söhne noch Kleinkinder. Damals konnte sie ihre Kinder noch nicht fragen, ob es für sie in Ordnung ist, wenn sie ein Foto von ihnen auf ihrem Blog veröffentlicht. Deshalb zeigte sie ihre Kinder selten und wenn, dann sah man sie von hinten oder mit Mützen und Brillen.

Bei Unsicherheiten bespricht sie sich jeweils mit ihrem Partner, ein Jurist. «In der Schweiz gilt das Recht am eigenen Bild auch für Kinder: Kinder ab 12 Jahren dürfen selbst entscheiden, ob Eltern ihr Bild veröffentlichen dürfen oder nicht. Bei unter 12-Jährigen dürfen die Eltern nur harmlose Fotos und keine Nacktbilder veröffentlichen.»

Die 53-Jährige orientiert sich in solchen Fragen deshalb vor allem auch an den neuen Trends aus in Deutschland. Für die Zürcherin gab es jedoch schon immer klare Grenzen: «Ich hätte niemals ein Bild meiner Kinder nackt oder in Windeln veröffentlicht», so die Bloggerin. Auch sind auf ihrem Blog keine Bilder ihrer Kinder im Kinderzimmer zu finden: «Das ist ihre absolute Privatsphäre und die gilt es auch zu respektieren.»

Doch nicht nur das Veröffentlichen von Bildern kann für Kinder ungewollte Konsequenzen nach sich ziehen. Auch werden in Familienblogs nicht selten sehr persönliche Probleme der Kinder zum Thema. Überschreitet da nicht auch ein Beitrag über das Bettnässer-Problem eines Kindes deren Privatsphäre?

«Über ein solches Problem würde ich vermutlich nicht schreiben», erklärt Angelone. Trotzdem ist es ihr wichtig, dass auch solche Themen  stattfinden und damit im besten Fall zur Enttabuisierung beitragen. «Man kann auch über selbsterlebte Themen schreiben, ohne sie an konkreten Beispielen der Kinder aufzuhängen.»

Khloé Kardashian zeigt ihre dreijährige Tochter True regelmässig auf ihrem Instagram-Profil, auch in Werbebeiträgen. 

Bezahlte Kooperationen nur mit Einverständnis der Kinder

Seit ein paar Jahren bloggt Angelone hauptberuflich. Bezahlte Kooperationen wählt sie mit Bedacht aus. «Ich nehme nur Dinge an, die zu uns passen und meinen Kindern auch Spass machen und sie sich auch identifizieren können.» Wenn die Kinder keine Lust darauf haben, wird es auch nicht gemacht.

Inzwischen sind die Söhne im Teenager-Alter. «Ich bin zusammen mit meinem 15-Jährigen die Bild-Datenbank des Blogs und den Insta-Feed der vergangenen Jahre durchgegangen und für ihn war alles in Ordnung.» Als Familienbloggerin als auch gegenüber den eigenen Kindern sieht sich Angelone in der Verantwortung, im Umgang mit Social Media ein Vorbild zu sein. «Wir können unseren Kindern nicht Wasser predigen und selbst Wein trinken.» Mit dem Familienblog-Kodex hat sie damit einen Anfang gemacht.