Friends-forever-KolumneWarum muss immer ich mich melden?
Von Gabriella Alvarez-Hummel
3.1.2022
Unsere Autorin verhält sich passiv-aggressiv, wenn sich Freunde partout nicht bei ihr melden. Dabei gäbe es so viel bessere Strategien. Auf den Tisch klopfen zum Beispiel.
Von Gabriella Alvarez-Hummel
03.01.2022, 23:30
04.01.2022, 15:11
Gabriella Alvarez-Hummel
Ich erinnere mich, als ich zum ersten Mal in einer Freundschaft dachte: Würde ich mich bei dieser Person nicht melden, sähen wir uns nie. Kein schönes Gefühl.
Aus heutiger Sicht ist klar, dass ich dieses Gefühl erstmalig zu Beginn des Studiums hatte. Noch in der Schule verbrachte man ja den ganzen Tag mit Freundinnen und Freunden. Als sich alle zum Studieren verstreuten, mussten auch wir lernen zu kommunizieren.
Meine Strategie damals: Wenn sie sich nicht meldet, melde ich mich eben auch mal nicht. Nicht besonders erwachsen, ziemlich passiv-aggressiv, ich weiss. Aber – es hat funktioniert. Ich musste ein paar Wochen warten, aber die Person meldete sich bei mir. Und ich wusste wieder, woran ich bin.
Und ich glaube, darum geht es im Grunde. Wenn man sich fragt, ob sich die andere Person zu wenig meldet, will man eigentlich wissen: Mag mich die Person noch? Bin ich safe in dieser Freundschaft?
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Wie oft meldest du dich bei deinen engsten Freunden?
Heute, gut zwölf Jahre später, ist meine Strategie noch immer dieselbe. Wenn sich jemand eine Weile nicht bei mir meldet und ich das Gefühl habe, die Einzige zu sein, die den Kontakt sucht, dann ziehe ich mich auch zurück.
Aber nicht aus Trotz, sondern weil ich davon ausgehe, dass die Person gerade viel zu tun hat. Ich nehm's schlichtweg nicht mehr persönlich.
Vielleicht sende ich noch ein Zeichen à la «Ich hoffe, es geht dir gut!» oder ein Herz-Emoji, damit die Person weiss, dass ich an sie denke. Und meine einzige Erwartung ist, dass sie sich meldet, wenn sie dann mag. Und wenn's halt erst in einem Monat so weit ist, dann sei's drum.
Auch mal auf den Tisch klopfen
Und wenn sich jemand partout nicht meldet? Einen quasi über längere Zeit ghostet? Dann gibt es aus meiner Sicht nur zwei Möglichkeiten.
1. Sein lassen, kapitulieren, die Freundschaft innerlich zur Bekanntschaft degradieren. Ich habe keine Lust auf Einseitigkeit.
2. Einfach mal liebevoll eine Runde auf den Tisch klopfen.
Mir hat dieses Jahr gleich zweimal jemand die Leviten gelesen. Und überraschenderweise fühlte ich mich dabei nicht ertappt oder beschämt, weil ich mich nicht aktiv genug um die Freundschaft bemüht hatte. Im Gegenteil: Ich fühlte mich wahnsinnig geliebt. Was gibt es Schöneres, als zu hören: «Freundin, ich weiss, wir haben alle viel zu tun, aber das funktioniert so nicht für mich. Ich will, dass wir uns öfter hören, auch wenn es nur ganz kleine Nachrichten sind.»
Wie oft soll man sich melden?
Ich bin eher vom Typ: Ich melde mich, wenn ich mich danach fühle. Dabei kann es natürlich passieren, dass gewisse Freundschaften in stressigen Zeiten etwas unter den Tisch fallen. Das ist, glaube ich, auch völlig normal.
Aber fühle ich mich gut damit? Nicht wirklich.
Eine interessante Lösung dafür erklärte mir kürzlich eine Kollegin. Sie trägt Erinnerungen in ihren Kalender ein. Da steht dann zum Beispiel: «XY fragen, wie es ihr geht.»
Bei guten Freunden meldet sie sich alle zwei Wochen, bei loseren Freundschaften alle vier bis acht Wochen. So fällt nichts unter den Tisch und sie fühlt, dass sie ihren Freundschaften damit gerechter wird.
Kann man sich auch zu oft melden? Was, wenn sich die Freundschaft einengend anfühlt? Über toxische Freundschaft spreche ich bald mit der Psychotherapeutin Felizitas Ambauen. Wenn du eine Frage an sie hast, schick sie mir bitte per Instagram-Direktnachricht.
Friends-forever-Kolumne
zVg
Es gibt Elternblogs, Beziehungsratgeber, was aber ist mit Freundschaften? Warum werden sie im öffentlichen Diskurs so vernachlässigt? Die freie Autorin Gabriella Alvarez-Hummel will das mit ihrer Kolumne ändern. Hast du eine Frage oder einen Themenvorschlag? Immer her damit per Privatnachricht auf Instagram.