Traditionell bis modern Zehn Orte, die man in Japans Westen erkunden muss

Andreas Drouve, dpa

3.1.2021

Japan hat mehr zu bieten als seine pulsierende Metropole Tokio. Abseits der bekannten Touristenrouten lockt unter anderem eine Festung, die schon als Filmkulisse für einen James Bond diente. 

Bis wir wieder uneingeschränkt reisen können, wird wohl noch eine Weile vergehen. Doch lässt sich die Zeit nutzen, um schon einmal das nächste Reiseziel zu bestimmen. Dass auch Japan einen Platz auf der Favoritenliste verdient hat, beweisen diese zehn Highlights.

Europäische Langnasen trifft die Wucht der Kulturschocks wohl fast nirgendwo stärker als in Japan. Reisende lockt zum Beispiel die futuristische Megacity Tokio. Oder das beschauliche, kulturell beflissene Kyoto.

Doch auch im Westteil des Landes, oft abseits der allzu bekannten Touristenrouten, gibt es jede Menge zu entdecken. Diese zehn Sehenswürdigkeiten lohnen sich – in der Reihenfolge von Osten in den Westen:

Kobe: Heimat des Premium-Rindfleischs

Sorgsam präpariert der Koch alles vor den Augen der Gäste: Knoblauch, grünen Spargel, Spiesse mit Lebendgarnelen. All das wandert auf die heisse Platte, ist aber nur Beiwerk zum legendären Kobe-Rind, das eine feine Fettmarmorierung trägt und nussig auf der Zunge zergeht. Es zählt zum teuersten Fleisch der Welt, auch weil die Wagyu-Rinder aus der Region Kobe eine Spezialbetreuung kommen – darunter Massagen.

Nicht nur Foodies kommen in Kobe auf ihre Kosten. Die Hafenstadt bietet auch eine hübsche Waterfront, den Aussichtsturm Kobe Port Tower und die ausgefallene Architektur des Maritimen Museums – das Dach ähnelt einem ausgeworfenen Netz. Ausserdem sehenswert: Chinatown.

Der Strudel von Naruto: Unheimliche Gezeiten

Es kocht und schäumt in der Meerenge von Naruto. Tief unter der Autobrücke rollt das Ausflugsboot auf ein Naturspektakel zu – einen der grössten Gezeitenstrudel weltweit. Gischt hängt in der Luft. Das Schiff hebt und senkt sich in den Wellen. Der Kapitän behält routiniert die Kontrolle, das Personal wacht über die Sicherheit. Draussen an Bord blickt man dem wilden, weit ausgreifenden Riesensog ins Auge, ist ganz nah dran – und hat nach einer halben Ausflugsstunde wieder festen Boden unter den Füssen.

Burg Himeji: Eine optische Täuschung

Kenner rühmen Himeji als schönstes Beispiel japanischen Burgenbaus. Leuchthell und gebieterisch erhebt sie sich über Kulissen aus Kirschbäumen, Wiesen, Wassergärten und akkurat beschnittenen Kiefern. Die Festung stammt aus dem 17. Jahrhundert und weckt Vorfreude auf einen üppig ausstaffierten Prachtbau – doch da liegt man falsch, eine geniale Täuschung. «Das Innere ist frei von Dekors», erklärt die Gästeführerin. Fantastisch ist aber die Holzarchitektur mit ihren Zypressenbalken, Treppen und Rundsäulen.

Die Burg Himeji: Aussen «hui», innen eher «naja».
Die Burg Himeji: Aussen «hui», innen eher «naja».
Bild: Getty Images

Die Festung diente schon als Filmkulisse, etwa für James Bond, und fusst auf einem ausgefeilten Verteidigungssystem. «Aber sie wurde niemals angegriffen», erklärt die Führerin nicht ohne Stolz. Geadelt ist Himeji als Unesco-Weltkulturerbe.

Korakuen-Park: Rosa Blüten, goldene Blätter

Kleine Kaskaden plätschern, der Wind raschelt in Bambushainen. Fette Koi-Karpfen schwimmen durch die Teiche, über die sich Bogenbrücken spannen. Kraniche stolzieren umher. Wer romantische Gärten der Extraklasse sucht, kommt am Park Korakuen nicht vorbei.

Ab 1687 am Stadtrand von Okayama angelegt, feiern Auge und Lunge ein Freudenfest, berauscht man sich an Grün und glasklarem Wasser, lässt man sich vom Netz verschlungener Wege verzaubern. Für noch mehr Magie sorgen die Kirschblüte im Frühjahr, abendliche Illuminationen im Sommer und der Indian Summer der Ahornbäume im Herbst. Perfekt für die Matcha- oder Grüntee-Pause ist das Teehaus.

Insel Teshima: Wasserkunst auf der Insel

Die Setouchi-Triennale begann 2010 und steigt seitdem alle drei Jahre, das nächste Mal 2022. Dahinter stand der Gedanke, moderne Kunst auf einige Inseln ins Seto-Binnenmeer zu bringen, um die Eilande touristisch attraktiv zu machen.

Eines der besten Beispiele für das Gelingen des Projekts ist das kleine Eiland Teshima. Traditionelle Holzbauten prägen die Dörfer Ieura und Karato. In den grünen Hügeln reifen Orangen und Kakis, doch in der Einsamkeit ist Sonderbares aus dem Boden gewachsen: der Betonblock des Teshima Art Museum.

Den darf man so lange für deplatziert halten, bis man – natürlich ohne Schuhe – das Innere betritt, aus den halboffenen Dachstrukturen in die Bäume schaut, dem Vogelgezwitscher lauscht und zu Füssen die zarten Läufe des Wassers verfolgt, das in Form von Perlen, glitzernden Pfützen und kristallenen Würmer auf dem minimal abschüssigen Boden zu Kleinstgebilden zusammenkommt, die rasch zerfallen, um aufs Neue vergängliche Kunstwerke zu formen.

Insel Naoshima: Namhafte Bilder auf Beton

Die Kunstwelt setzt sich im Seto-Binnenmeer auf Naoshima fort: Mit noch mehr Zielen, die man auf der alten Fischerinsel kaum für möglich gehalten hätte. An den Ufern: übermannshohe Kürbisskulpturen, eine schwarz-gelb gepunktet, die andere rot-schwarz.

Im Chichu Art Museum kommt es noch besser. Der teils unterirdische Betontrakt stammt von Japans Architektenstar Tadao Ando, der das Spiel mit der Geometrie auf die Spitze getrieben hat. Bestückt sind die Säle mit Spitzenwerken, darunter von James Turrell und Claude Monet, die der rauen Betonästhetik ihre Nüchternheit nehmen.

Ein weiteres Glanzlicht ist das Benesse House Museum, etwas erhöht von der Küste gelegen, die trotz der Strände beim Badetourismus keine Rolle spielt. Das gilt für die ganze Inselwelt.

Iya-Tal: Schwankend über den Abgrund

Die Iya Vine Bridge, die Weinbrücke im Iya-Tal, fordert zur Mutprobe heraus: Wer schafft es über die Hängebrücke, unter der das Flüsschen durch ein steiniges Bett rauscht? Halt an den Seiten geben verknotete Weinrebengewinde, die als Geländer fungieren. Schritt für Schritt schwankt man über verschnürte Hölzer, in deren Zwischenräume ein Stück Bein, aber zum Glück nicht der Restkörper passt.

Skurril wirkt der Warnhinweis, der sich von selbst versteht: Die Brücke sei nicht mit Fahr- und Motorrädern passierbar.

Quartiert man sich hoch über dem Iya-Tal im Wellness-Hotel ein, entspannen sich die Muskeln. Erst recht gelingt das in den Thermalbadehäusern 170 Höhenmeter tiefer, zu der eine Standseilbahn fährt – ein kurioser, bequemer Transport.

Zen-Zentrum Shinsho-ji: Ein Versuch in Versenkung

Seine Mutter war damals entsetzt und fürchtete, der Sohn würde «in einer Sekte» landen. So erzählt es Jirai Mehl, während er Besucher durch die Gärten des Zen-Zentrums Shinsho-ji führt. Mehl stammt aus Flonheim in Rheinland-Pfalz, arbeitete lange als Psychologe in Hamburg und hiess eigentlich Reinhard. Den buddhistischen Namen bekam er bei seiner Ordination. Denn der 61-Jährige ist Zen-Priester.

Eigentlich wollte Jirai Mehl zum Beginn des Jahrtausends «nur für zwei bis drei Jahre in Japan Zen studieren und dann wieder in mein voriges Leben zurückzukehren», wie er sagt – doch der spirituelle Weg liess ihn nicht mehr los. Er blieb und fand seine Erfüllung.

In Shinsho-ji gibt der Auswanderer Einführungen in die Meditation und Selbsterfahrungskurse. Wer dazu keine Zeit hat, beschränkt den Rundgang auf den Park, den See, die Tempel, das Museum und den Kunstpavillon. Die nächstgelegene Stadt ist Fukuyama.

Hiroshima: Die «Stadt des Friedens»

Kichernde Mädchen in Einkaufspassagen, ratternde Strassenbahnen, Restaurants, die Okonomiyaki auftischen, Schichtwerke aus Teig- und Nudelnestern mit Kohl, Speck, Eiern, Sojasprossen und getrockneten Algen: Es ist die Normalität, die zunächst befremdet.

Denn oft verbindet man Hiroshima einzig mit jenem 6. August 1945: Hoch über dem Häusermeer detonierte die Atombombe «Little Boy», abgeworfen von den USA. Die Touristenführerin hält Fotos von der Tragödie hoch. Damals starben schätzungsweise 140'000 Menschen, mehr als die Hälfte sofort. Hiroshima wirbt darum heute als «Stadt des Friedens», die das «Niemals mehr» proklamiert.

Mahnmal und Weltkulturerbe an den Flussufern des Motoyasu ist der Atomic Bomb Dome: Der Kuppelbau, der vormals zur Industrie- und Handelskammer gehörte, blieb als Gerippe erhalten.

Dann geht man hinüber zum Friedenspark mit der Friedensflamme, dem Friedensteich und dem Friedensgedächtnismuseum, das sensibel und schonungslos sachlich hilft, eine Vergangenheit zu bewältigen, die kaum bewältigt werden kann.

Miyajima: Ein wichtiger Schrein und heilige Rehe

Ab Hiroshima schippern Boote zur heiligen Insel Miyajima, wo die Gläubigen seit dem 12. Jahrhundert den Shinto-Schrein von Itsukushima verehren. Heilig sind auch frei laufende Rehe, unselig dagegen der Kommerz mit Andenken- und Verpflegungsbuden. Bis 2022 läuft die Renovierung des Schreins, die auch das Wahrzeichen miteinbezieht: das orangefarbene, im Wasser stehende Tor Otorii.

Nach einem kulinarischen Test gegrillter Austern aus den Zuchtparks in der Nähe rüstet man sich zur Fahrt gen Himmel: in der Seilbahn ins Bergland, wo der Blick wunderbar über bewaldete Hügel bis zu ausgesprenkelten Inseln im Seto-Binnenmeer schweift.

Corona-Lage: Aufgrund wieder steigender Infektionszahlen mahnt die Regierung zur Vorsicht. Aktuelle Informationen bietet das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA). 

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