Trend Viel Trara ums Geschlecht: Bei «Gender Reveal Partys» gab es auch schon Tote

DPA/jka

4.10.2020

Der Trend greift um sich: «Gender Reveal Partys» werden immer beliebter. 
Der Trend greift um sich: «Gender Reveal Partys» werden immer beliebter. 
Bild: Keystone

In den USA schiessen werdende Eltern Konfetti oder Feuerwerk in die Luft, um mitzuteilen, welches Geschlecht ihr Kind haben wird – mit bisweilen verheerenden Folgen. Auch hier wird das langsam zum Trend.

Wer ein Kind erwartet, kennt die Frage: «Weiss man denn schon, was es wird?» Dass man die simple Antwort darauf – Mädchen oder Junge – zu einer ganzen Party hochjazzen kann, lässt sich seit einiger Zeit auf Twitter, Instagram und in anderen sozialen Netzen beobachten.

Ein Mann tritt dort gegen einen Football, aus dem blaues Puder platzt – es wird ein Junge! In einem anderen Video lässt eine Frau wie eine Olympionikin eine Gewichtheber-Stange fallen, rosa Puder steigt auf – Mädchen! In einem ganz bizarren Clip liefern sich zwei Menschen in Baby-Verkleidung einen Showkampf, bis das Kostüm mit den Zöpfen triumphiert.

«Gender Reveal Partys» heissen die Feste, bei denen werdende Eltern unter Gejohle verraten, ob ihr Kind ein Mädchen oder ein Junge wird. Vor allem jenseits des Atlantiks sind sie extrem angesagt. So angesagt, dass die Auswüchse mitunter verheerend sind.

«Gender Reveal Party» löst Waldbrand aus

Einer der Waldbrände in Kalifornien wurde vom Feuerwerk einer «Gender Reveal Party» ausgelöst. Es gab auch schon eine Tote, weil eine selbstgebastelte Farbkanone wie eine Rohrbombe explodierte – und Eltern, die zur Geschlechtsverkündung eine farbig gefüllte Melone im Maul eines Alligators nutzten. Generell greift der Trend um sich – auch in der Schweiz und Deutschland gibt es erste «Gender Reveal Partys».

«Wenn man sich anguckt, welche Rituale neu entstanden sind, dann sind das alles globale Rituale. Junggesellenabschiede sind so ein Beispiel, die auch ganz stark medial transportiert werden», sagt die deutsche Kulturwissenschaftlerin Katrin Bauer vom LVR-Institut für Landeskunde und Regionalgeschichte in Bonn, die Elternschaftskultur untersucht.

«Gender Reveal Partys» sind ohne Instagram und Co. fast undenkbar, auch bei Promis. Im Sommer schoss der britische Fussballer Harry Kane für einen Clip auf einen übergroßen Ball in einem Tor. Blaue Farbe platzte heraus, der Kicker verkündete: Es wird ein Junge!

«Man merkt, dass das Thema langsam bei uns ankommt»

Die Feiern passen perfekt in die Instagram-Gesellschaft, in der aus intimen Momenten Inszenierungen werden. Da man dabei aber auch irgendwie individuell bleiben will, entsteht ein Wettbewerb um möglichst ausgefallene Choreografien.

Zudem sind in den vergangenen 20 Jahren einige neue Rituale rund um die Elternschaft entstanden, etwa Babypartys für die werdende Mutter. Die Gemengelage war günstig. Der Babybauch sei früher in Kunst und Literatur verhüllt worden, sagt Forscherin Bauer. «Deswegen gab es drumherum auch keine Partys.»

Zahlen, wie viele «Gender Reveal Partys» in der Schweiz und Deutschland gefeiert werden, gibt es nicht. Bislang kann man noch von Einzelfällen ausgehen. Beim Shop babybellyparty.de, der passendes Equipment von Bechern bis Konfetti-Kanonen anbietet, registriert man allerdings eine steigende Nachfrage.

«Man merkt, dass das Thema langsam bei uns ankommt. Ein gutes Indiz dafür ist immer, wenn auch europäische Lieferanten beginnen, entsprechende Dekoration zu designen», sagt Marketing-Leiterin Carolin Janda. Und das sei seit etwa einem Jahr der Fall. Sie warnt allerdings davor, sich von den wilden Geschichten aus den USA verrückt machen zu lassen.

«Es ist ein Trend, ich denke aber nicht, dass dieser annähernd verrückte – und zum Teil ja auch gefährliche – Ausmasse annehmen wird, wie man es vielleicht in den USA beobachten kann», sagt sie. Der deutsche Markt sei immer eher an den Klassikern interessiert. Am meisten nachgefragt seien bislang mit rosa oder blauem Konfetti gefüllte Luftballons – und entsprechende Konfetti-Kanonen.

Blau oder Rosa. So einfach kann es sein.

Als geistige Mutter der Bewegung gilt die Bloggerin Jenna Karvunidis, die 2008 einen Kuchen zeigte, aus dem pinke Füllung quoll. Später distanzierte sie sich von den Auswüchsen des Trends.

Auch generell bewegt sich die gesellschaftliche Großwetterlage eigentlich in andere Richtungen – in Deutschland gibt es mittlerweile etwa eine dritte Geschlechtsbezeichnung für Intersex-Menschen. Auch in der Schweiz gibt es entsprechende Vorstösse. Heerscharen von Eltern lehnen es ab, das Kinderzimmer des Sohnes hellblau zu streichen oder die Tochter vorwiegend in rosa Röcke zu kleiden.

Woher also der Trend? Eine Erklärung: Zugleich wird die Welt mitunter auch als recht kompliziert wahrgenommen – auch wegen derartiger Diskussionen. «Gender Reveal Partys» schaffen vermeintliche Klarheit. Blau oder Rosa. So einfach kann es sein.

Zurück zur Startseite