Belgien hat einen umstrittenen Gefangenenaustausch mit dem Iran vollzogen. Nach mehr als einem Jahr Haft im Iran sollte der belgische Entwicklungshelfer Olivier Vandecasteele am Freitagabend in seiner Heimat ankommen, wie das belgische Aussenministerium mitteilte. Der belgische Premier Alexander De Croo twitterte ein Bild von Vandecasteele im Flugzeug und schrieb: «Endlich frei. Endlich bei uns.»
— Alexander De Croo 🇧🇪🇪🇺 (@alexanderdecroo) May 26, 2023
Im Gegenzug wurde der wegen Terrorvorwürfen verurteilte iranische Diplomat Assadollah Assadi freigelassen, wie Irans Aussenminister Hussein Amirabdollahian verkündete. Er traf ebenfalls am Freitag in Teheran ein, das Staatsfernsehen sendete eine Live-Schalte mit ihm. Der Oman hatte bei dem Gefangenenaustausch vermittelt. Am Sonntag wird dessen Sultan Haitham bin Tarik in Teheran erwartet.
Die belgische Regierung sprach ausdrücklich nicht von einem Gefangenenaustausch im Zuge eines umstrittenen Abkommens mit dem Iran, sondern bezog sich auf einen Sonder-Artikel der Verfassung. Kommentatoren bezeichneten den Vorgang aber dennoch als einen Gefangenenaustausch.
Der 2018 in Deutschland festgenommene Assadi wurde 2021 von einem Gericht in Antwerpen zu 20 Jahren Haft verurteilt, weil er einen Sprengstoffanschlag auf eine Grosskundgebung von iranischen Exil-Oppositionellen in Frankreich geplant haben soll. Bis zuletzt beteuerte der Iran, dass Assadi unschuldig sei.
Der Entwicklungshelfer Vandecasteele wurde nach Angaben der iranischen Justiz zu insgesamt 40 Jahren Haft und 74 Peitschenhieben verurteilt. Ihm wurden insbesondere Spionage und Kooperation mit dem Erzfeind USA sowie Geldschmuggel vorgeworfen.
Fall hat besondere Brisanz
Besonders brisant ist der Fall, weil der 51 Jahre alte Assadi den Ermittlungen zufolge Mitarbeiter des iranischen Geheimdienstes ist, zu dessen Aufgaben die Beobachtung und Bekämpfung oppositioneller Gruppierungen innerhalb und ausserhalb des Irans gehört. Es gilt deswegen als möglich, dass den Anschlagsplänen in Frankreich ein direkter staatlicher Auftrag zugrunde lag.
Diese These vertritt auch die im Iran verbotene Oppositionsgruppe NWRI. Der Nationale Widerstandsrat Iran (NWRI) hatte die Grosskundgebung am 30. Juni 2018 in Villepinte bei Paris organisiert. An ihr nahmen auch zahlreiche westliche Unterstützer teil, unter ihnen der Anwalt des damaligen US-Präsidenten Donald Trump, Rudy Giuliani. Die Gruppe ist in der iranischen Diaspora umstritten. Einige Stimmen forderten, den Deal zu verhindern.
Mahmood Amiry-Moghaddam von der Nichtregierungsorganisation «Iran Human Rights» sprach von einem «beschämenden Kapitel in der Geschichte der belgischen Aussenpolitik». «Es gefährdet alle westlichen Bürger und Doppelstaatsbürger, die in die Nachbarschaft des Irans reisen, und sendet das falsche Signal an die Islamische Republik: Egal welche Verbrechen ihr begeht, wir sind bereit, einen Deal mit euch zu machen!», twitterte er am Freitag.
Inhaftierte Ausländer als Verhandlungsmasse
Die iranische Regierung hatte bereits gegen die Festnahme von Assadi in Deutschland heftig protestiert, weil der Mann zum Tatzeitpunkt an der iranischen Botschaft in Wien als Diplomat akkreditiert war. Am 1. Juli 2018 wurde er an einer Autobahnraststätte bei Aschaffenburg in Bayern verhaftet und dann von Deutschland an Belgien übergeben.
Die deutsche Justiz argumentierte, dass der Mann bei seiner Festnahme nicht unter diplomatischem Schutz gestanden habe, weil er sich ausserhalb Österreichs auf einer Urlaubsreise befand. Die Bundesanwaltschaft hatte gegen Assadi einen Haftbefehl unter anderem wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit und Verabredung zum Mord erwirkt.
Kritiker werfen dem Iran vor, Ausländer zu inhaftieren, um eine Verhandlungsmasse zu haben. Derzeit liegen nach Worten der iranischen Regierung auch wieder Gespräche über einen Gefangenentausch mit den USA auf dem Tisch. 2016 kam der «Washington Post»-Journalist Jason Rezaian neben drei weiteren US-Bürgern frei. Im Gegenzug begnadigten die USA sieben Iraner, denen Verstösse gegen US-Sanktionen vorgeworfen wurden.