Geburtsklinik aufgeflogen «Niemand kann sicher sein, dass das Baby wirklich das eigene ist»

klm

26.8.2023

In dieser Klinik auf Kreta wurde der Wunsch von vielen Eltern wahr. Aber hinter den Kulissen spielte sich Skandalöses ab. 
In dieser Klinik auf Kreta wurde der Wunsch von vielen Eltern wahr. Aber hinter den Kulissen spielte sich Skandalöses ab. 
Bild: https://www.ivfgreece.com/

Für die Eltern, die durch eine kretische Klinik ihren Kinderwunsch erfüllten, ist es ein Schock: Das Center soll systematisch Menschen- und Kinderhandel betrieben haben. Nun gibt es noch einen weiteren, dunklen Verdacht. 

klm

26.8.2023

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Eine Klinik in Griechenland soll über einen Zeitraum von zehn Jahren rund 400 Paare getäuscht und mehr als 200 Leihmütter und Eizellspenderinnen ausgenutzt haben.
  • Acht Mitarbeiter*innen und der Klinikleiter sind verhaftet worden. Der Vorwurf: Menschen- und Kinderhandel. 
  • Laut dem Anwalt Yiannis Marakakis stehe ausserdem der Verdacht im Raum, dass die Klinik Eizellen vertauscht haben könnte.
  • DNA-Tests sollen nun Licht ins Dunkel bringen. Aber nicht alle Eltern sollen das wollen.

«6700 Babys geboren und es werden immer mehr.» Mit diesem Satz macht die kretische Klinik «Mediterranean Fertility Center and Genetic Services» Werbung für ihre Leihmutterschaften. 

Nachdem aber der Klinikchef und acht Mitarbeiter verhaftet wurden, erscheint dieser Slogan in einem neuen Licht. Denn das medizinische Personal soll Menschenhandel mit Leihmüttern betrieben und illegale Adoptionen von Kindern durchgeführt haben. 

Am 8. August wurde die Klinik in Chania deshalb von Polizisten bei einer Razzia gestürmt. Die acht Mitarbeiter*innen und der Leiter wurden verhaftet. Ausserdem sollen die Beamten laut «Bild» 30 schwangere Frauen aus Ländern wie Moldawien, der Ukraine, Georgien, Rumänien und Bulgarien gefunden haben.

Anwalt vertritt mehrere Familien

Der Vorwurf: Die Frauen sollen unter falschen Vorwänden und Versprechungen nach Kreta gelockt und dort gezwungen worden sein, Babys der Kunden auszutragen. 

Anwalt Yiannis Marakakis vertritt mehrere Eltern, deren Kinderwunsch durch die Klinik in Griechenland erfüllt wurde. Für sie ist die Situation ein Albtraum. Denn nicht nur soll ihr grösster Traum durch kriminelle Machenschaften in Erfüllung gegangen sein: Es könnte noch schlimmer kommen. 

«Es besteht ein schwerwiegender Verdacht auf genetische Verwechslungen», so Marakakis. «Mehrere Paare vermuten, dass die Klinik bei ihrem Baby die Eizellen einer Leihmutter oder einer anderen Frau verwendet haben könnte, weil den Ärzten ihr genetisches Material zu schwach erschien. Ohne die Eltern darüber zu informieren.» 

Andere Eltern fürchten, dass nach der erfolgreichen Befruchtung ihrer Eizellen diese anderen Müttern heimlich implantiert wurden. 

Die griechischen Behörden seien nun daran, alle Eltern, die in den Unterlagen der Klinik zu finden sind, zu kontaktieren. Marakakis: «Sie werden alle benachrichtigt und sollen ihre DNA abgeben, damit dieses Rätsel gelöst werden kann.» 

Der Anwalt befürchte aber, dass viele Eltern dieses Aufgebot ablehnen werden. Zu gross sei die Angst, etwas zu erfahren, das man lieber nicht wissen wolle. Für den Anwalt sei das zwar verständlich, aber der falsche Weg: «Was ist mit den anderen Eltern? Das bedeutet, dass niemand sicher sein kann, ob das Baby, das sie bekommen haben, ihr eigenes ist oder ob es auf der ganzen Welt ihre Babys gibt, die bei anderen Familien leben.» 

Besonders, da die Klinik eine führende Anlaufstelle in diesem Bereich gewesen sei. Laut Medienberichten soll das «Mediterranean Fertility Center and Genetic Services» über einen Zeitraum von zehn Jahren rund 400 Paare getäuscht und mehr als 200 Leihmütter und Eizellspenderinnen ausgenutzt haben. 

«Meines Wissens sind Paare aus ganz Europa betroffen und auch Eltern aus Deutschland und Frankreich involviert», so der Anwalt weiter. Auch in Australien gebe es laut Sky News Eltern, die jetzt bangen. 

Als Motiv für den Eizellen-Tausch sieht Yiannis Marakakis eindeutig Gier: «Grösserer Erfolg bedeutet ja auch mehr Gewinn. Wenn man keine Kinder bekommen kann, man es jahrelang erfolglos versucht hat und fast über 40 ist, weiss man, dass die Zeit abläuft. Dann ist man verzweifelt und wird alles glauben, was Hoffnung gibt, und bereit sein, dafür alles zu geben. Wir sprechen von der Industrialisierung des Glücksverkaufs.»