Bergsteigerlegende gewährt Einblick Reinhold Messner wird 80 – und will sich niemals anpassen

Von Christoph Sator, dpa

15.9.2024 - 19:12

Der Bergsteiger Reinhold Messner findet Flocken aus Schneekanonen okay. Foto: Thomas Banneyer/dpa
Der Bergsteiger Reinhold Messner findet Flocken aus Schneekanonen okay. Foto: Thomas Banneyer/dpa
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Als erster Mensch auf allen Achttausendern wurde er zum bekanntesten Bergsteiger der Welt – und sogar Teil der Popkultur. Auch wenn er es sich selbst und anderen nicht leicht macht.

DPA, Von Christoph Sator, dpa

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  • Reinhold Messner feiert am Dienstag seinen 80. Geburtstag.
  • Trotz seines Alters fühlt sich Messner nicht alt, bleibt aktiv und plant weiterhin Bergtouren, etwa mit seiner Frau.
  • Privat geht er es gelassen an, während er sich öffentlich mit seiner Familie um sein Erbe streitet.
  • Bekannt für seine radikale Einstellung zum Bergsteigen und den Tod, sieht Messner keinen Sinn im modernen Klettersport und glaubt nicht an ein Leben nach dem Tod.

Mehr als einmal im Leben glaubte Reinhold Messner nicht mehr daran, alt zu werden. Am schlimmsten war es 1970 am Nanga Parbat, dem «Schicksalsberg der Deutschen». Beim Abstieg von dem Achttausender im Himalaya kam sein Bruder Günther ums Leben. Ihm selbst, damals gerade 25, erfroren in der Kälte sieben Zehen. Messner kroch auf allen Vieren nach unten, bis er nicht mehr konnte. Bauern fanden ihn leblos im Geröll. 

«Das war meine erste Nahtoderfahrung, so intensiv wie nie wieder. Dir wird klar, dass du sterben wirst. Und das überhaupt nichts Schlimmes ist.» An diesem Dienstag (17. September), nachdem er als erster Mensch der Welt auch alle 13 weiteren Achttausender bestieg und auch von all den anderen oft gefährlichen Touren zurückkam, wird der Südtiroler nun tatsächlich 80 Jahre alt. 

«Als alt empfinde ich mich nicht»

«Natürlich werde auch ich ungeschickter, langsamer, vergesslicher. Ab und zu verstolpere ich mich», sagt Messner der Deutschen Presse-Agentur auf seinem Schloss Juval bei Meran. «Aber als alt empfinde ich mich nicht.» Dann wird er still und schaut von seiner Bank runter ins Tal. 

Die Stimme ist brüchiger geworden, aber fit ist er noch. Erst in diesem Sommer umrundete er mit seiner 35 Jahre jüngeren Ehefrau den Kailash, den Heiligen Berg der Tibeter, was die beiden bis auf nahezu 6000 Meter brachte. Er wäre noch höher hinauf, aber der Gipfel des Kailash ist aus religiösen Gründen tabu. Auch den Geburtstag will Messner in den Bergen verbringen, nur zu zweit. «Diane und ich werden auf einer kleinen Almhütte auf 2000 Metern Höhe feiern.» 

Bitterer Streit ums Erbe

Das hängt mit dem Streit um sein Erbe zusammen, den er sich mit seiner zweiten Ex-Frau und den vier Kindern gerade in aller Öffentlichkeit liefert. Mit einem Interview in der «Apotheken Umschau» trug Messner den Ärger selbst in die Welt. Mittlerweile bereut er schwer, bereits zu Lebenszeiten einen Grossteil seines Millionenvermögens der Familie vermacht zu haben. Seine Familie habe ihn entsorgt, rausgekickt, ohne Angaben von Gründen.

Als erster Mensch bestieg Messner alle 14 Achttausender.
Als erster Mensch bestieg Messner alle 14 Achttausender.
Christoph Sator/dpa

Auseinandersetzungen ist der Südtiroler, der mit acht Geschwistern im Villnösstal aufwuchs, nie aus dem Weg gegangen. Den Beruf als Mathelehrer liess er nach einem Jahr sein, um sich aufs Klettern zu konzentrieren. Aber auch am Berg oder nach dem Abstieg gab es Streit. «Mein Vater hat immer gesagt: «Kannst du nicht still sein und dir ein schönes Leben machen? Warum musst du immer anecken?"» Die Antwort: «Weil ich so veranlagt bin. Mich anpassen? Niemals.» 

1978 das erste Mal auf dem höchsten Berg der Welt

Aus dem Hippie-Kletterer, der im Alleingang durch die grossen Alpenwände stieg, wurde der bekannteste Bergsteiger der Welt. Den Mount Everest bezwang er das erste Mal 1978, zusammen mit Peter Habeler, ohne Flaschensauerstoff, obwohl die Ärzte den beiden davon sehr abgeraten hatten. Zwei Jahre später schaffte er den höchsten Berg der Welt allein. 

Und er machte weiter, Achttausender für Achttausender. Am 16. Oktober 1986 stand Messner schliesslich auf dem Gipfel des Lhotse, dem Nachbarn des Everest, der ihm als letzter der 14 gefehlt hatte. Eine Bestmarke für die Ewigkeit. Als es für den Solitär in der Höhe keine Ziele mehr gab, durchquerte er Antarktis, Grönland und die Wüste Gobi.

Besonders grosse Fangemeinde in Deutschland

In Deutschland ist seine Fangemeinde besonders gross – was auch an seiner Gabe liegt, im Unterschied zu vielen anderen Kletterern packend von seinen Erfolgen zu erzählen und von den Niederlagen auch. Der Mann mit dem Himalaya-Stein um den Hals – gekauft beim Abstieg vom Everest, für 1000 Dollar – machte aus dem Alpinismus Philosophie.

Als Samstagabend-Shows noch wichtig waren, gehörte Messner zu den Dauergästen. Bei «Verstehen Sie Spass» gelang den Fernsehleuten ein TV-Klassiker, indem sie einen Kiosk mit Souvenirs und sogar einigen seiner Bücher aufs Matterhorn flogen. Messner steigerte sich in einen heiligen Zorn über den Massenkonsum in den Bergen, bis er endlich verstand.

Auch Teil der Popkultur

Inzwischen sind es fast 100 Bücher geworden. Das jüngste heisst «Gegenwind». Zudem tingelt Messner weiterhin durch Talkshows, hält Vorträge, dreht Filme. Nach Werbung für Autos, Wanderstöcke und Uhren macht er nun in Outdoor-Kleidung – was ihn nicht abhält, über die Leute in Fussgängerzonen zu spotten, die angezogen sind wie auf dem Weg zum Everest. 

Tatsächlich ist die Generation der Messner-Bewunderer mit ihrem Idol in die Jahre gekommen. Dass er für die italienischen Grünen eine Wahlperiode im Europaparlament sass, haben die meisten vergessen. Der Deutsch-Rapper Soho Bani machte ihn dann auch einer neuen Generation bekannt. Dessen Hit «Bergsteigen» beginnt mit der Zeile: «Und ich fühl mich so wie Reinhold Messner. Ich geh nach oben mit den Leuten von gestern.»

Bergtouren mit Merkel und Managern

Da ist etwas dran. Wenn Angela Merkel in Südtirol ist, geht Messner mit der Ex-Kanzlerin immer noch auf Tour. Auch seine alte Seilschaft mit früheren deutschen Top-Managern, die «Similauner», gibt es noch. Mit dem Klettern hat er allerdings abgeschlossen, nicht nur wegen der Bilder vom Stau am Everest, für dessen Besteigung Unsummen gezahlt werden.

«Klettern ist heute ein Sport, der in klimatisierten Räumen stattfindet, an 15 Meter hohen Plastikwänden», klagt Messner auf der Bank vor seinem Schloss. «In jedem grösseren Dorf gibt es eine Kletterhalle. Das ist eine völlig andere Welt. Das hat mit Bergsteigen null zu tun. Ich hatte Glück damals: Meine Art Bergsteigen hätte heute keine Bedeutung mehr.»

Der Tod als Lebensthema 

Und dann kommt er wieder auf das Thema zu sprechen, das ihn jetzt schon seit mehr als einem halben Jahrhundert beschäftigt, seit dem Drama mit seinem Bruder am Nanga Parbat. «Das grosse Bergsteigen ist im Grund nur dort möglich, wo es Todesgefahr gibt. Der klassische Bergsteiger geht dorthin, wo alle anderen nicht sind. Es gibt Leute, die beschreiben den Absturz als den schönsten Tod.»

Und danach? «Für mich gibt es kein Leben nach dem Tod», sagt Messner. «Wir verschwinden spätestens dann, wenn niemand mehr an einen denkt. Dann ist nichts mehr da.» Bei den italienischen Behörden hat er auch schon angemeldet, wo später seine Asche liegen soll: auf Schloss Juval, in einem buddhistischen Grabmal aus Stein. Gleich neben seiner Bank.