Keller-Sutter sieht Schweiz gut gerüstet«Putin versucht, mit Flüchtlingen Europa zu destabilisieren»
sda
2.4.2022 - 02:02
Bundesrätin Karin Keller-Sutter wirft der russischen Führung vor, die Flüchtlingsbewegungen bewusst als Mittel im Krieg einzusetzen. Die Aufnahme von Geflüchteten in der Schweiz funktioniere inzwischen aber gut.
Keystone-SDA, sda
02.04.2022, 02:02
02.04.2022, 10:51
Die Aufnahme von Ukraine-Flüchtlingen in der Schweiz läuft gemäss Justizministerin Karin Keller-Sutter «gemessen an der Herausforderung» gut. Sie will demnächst eine Person einsetzen, die für die längerfristige Planung Szenarien entwickelt.
Die Schweiz habe bei der Aufnahme der Flüchtlinge mit dem Schutzstatus S früh die Weichen gestellt und frühzeitig die wichtigen Akteure involviert, sagte Bundesrätin Keller-Sutter im Interview mit dem «Tages-Anzeiger» vom Samstag. Die Schweiz sei mit dem Föderalismus wie eine Tinguely-Maschine. «Es dauert, bis sie läuft. Aber wenn sie einmal in Gang gekommen ist, funktioniert sie.»
Es stellten sich aber täglich neue Fragen. Hinzu komme, dass unklar sei, wie viele Menschen noch kommen würden. Russland zerstöre bewusst zivile Strukturen, um die Lebensgrundlagen der Menschen zu vernichten, sagte Keller-Sutter. «Putin versucht, mit Flüchtlingen Europa zu destabilisieren», sagte Keller-Sutter. Das sei eine hybride Kriegsführung.
Karin Keller-Sutter: «Eigentliche Integration braucht es bei Europäern ja nicht»
Bundesrätin Karin Keller-Sutter tauschte sich am Mittwoch mit den Sozialpartnern aus. Das Thema war die Integration von Menschen aus der Ukraine in den Schweizer Arbeitsmarkt. Der Bund wolle sich bei den Kantonen vor allem am Spracherwerb der Ukrainer und Ukrainerinnen beteiligen. Weiter seien 70 Prozent der Flüchtlinge Familien mit Kindern – deshalb brauche es noch mehr Betreuungsmöglichkeiten für die Kinder, sollten ihre Mütter in der Schweiz arbeiten, so Adrian Wüthrich, Präsident von Travail Suisse.
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Gemäss Keller-Sutter braucht es auch eine langfristige Planung. «Wenn die Geflüchteten länger Schutz bei uns brauchen, werden wir sicher für einen Teil der privat untergebrachten Menschen andere Unterkünfte suchen müssen», sagte Keller-Sutter. Das sei dann in der Verantwortung der Kantone und Gemeinden. Die Justizministerin will demnächst eine Person einsetzen, die strategische Mittel- und Langfristszenarien entwickle.
Die in die Schweiz Geflüchteten würden sich aber nicht als Flüchtlinge betrachten, die in der Schweiz bleiben wollten, sagte die Bundesrätin. «Sie möchten so schnell wie möglich zurückkehren.» Es handle sich mehrheitlich um Frauen mit Kindern, die ihre Männer hätten zurücklassen müssen.
Problem der Betreuung von Kleinkindern
Diese Meinung teilt auch die Direktorin des Staatssekretariats für Migration (SEM). Sie sei am 30. März in Chiasso TI gewesen. Alle Ukrainerinnen, die sie dort getroffen habe, hätten ihr gesagt, dass sie der Gesellschaft nicht zur Last fallen wollten und dass sie so schnell wie möglich nach Hause zurückkehren möchten, sagte Christine Schraner Burgener in einem Interview mit der Westschweizer Zeitung «Le Temps».
In der Zwischenzeit müssten diese oft hoch qualifizierten Frauen arbeiten können, sagte Schraner Burgener. Dafür müsse das Problem mit den Kinderkrippen gelöst werden. Auf die Frage, ob sie angesichts des derzeitigen Mangels an Betreuungs-Plätzen befürchte, dass sich Schweizer Eltern benachteiligt fühlen könnten, antwortet die Staatssekretärin, dass es im Interesse aller sei, dass die Kinder betreut würden, damit die Frauen arbeiten könnten.
Schraner Burgener erinnerte daran, dass auch russische Gegnerinnen und Gegner des Regimes von Wladimir Putin in der Schweiz Asyl beantragen können. In diesem Jahr habe die Schweiz bislang etwa 40 Asylanträge von Russen erhalten, im letzten Jahr 77, sagt sie.
Zusätzliche Plätze werden bereitgestellt
In der Schweiz wurden bislang rund 22'000 Personen aus der Ukraine registriert. Die Bundesasylzentren stossen bei der Unterbringung an ihre Grenzen. Das Staatssekretariat für Migration (SEM) und das Verteidigungsdepartement stellen daher zusätzliche Plätze bereit. Je 200 Plätze sind seit Freitag in Thun BE und Chamblon VD verfügbar.
In Neuchlen SG und Liestal BL sollen ab dem 8. April weitere Plätze zur Verfügung stehen. In Liestal ebenfalls 200, in Neuchlen vorerst 80, später allenfalls auch 200 Plätze. Weitere Armee-Sporthallen sind in Abklärung. Die Unterbringung von Schutzsuchenden hängt gemäss SEM daher weiterhin auch vom Engagement Privater ab.
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