Berlin greift durch Demo verboten: «Lassen uns nicht an der Nase herumführen»

dpa/tafi

26.8.2020

In Berlin sollte am Wochenende eine grosse Anti-Corona-Demo durch die Strassen ziehen. Bei einer ähnlichen Veranstaltung am 1. August pfiffen die Teilnehmenden auf Masken und Abstandsregeln. Das wollen sich Politik und Polizei nicht noch einmal bieten lassen.

Die Berliner Polizei hat eine für Samstag geplante grosse Demonstration gegen die Corona-Politik und andere Aufzüge verboten. Bei dem zu erwartenden Teilnehmerkreis sei mit Verstössen gegen die geltende Infektionsschutzverordnung zu rechnen, teilte Innensenator Andreas Geisel (SPD) mit.

Besondere Auflagen wie zum Beispiel das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung seien bei den angemeldeten Versammlungen nicht ausreichend. Die Versammlungen am 1. August hätten gezeigt, dass die Teilnehmer sich bewusst über Hygieneregeln und entsprechende Auflagen hinweggesetzt hätten.

Die Stuttgarter Initiative Querdenken 711 will das Verbot der Demonstrationen gegen die Corona-Politik am Wochenende in Berlin nicht hinnehmen. «Wir gehen juristisch gegen die Entscheidung des Innensenators vor und gehen davon aus, dass das Bundesverfassungsgericht diesen feindlichen Angriff auf das Grundgesetz zurückweisen wird», teilte der Initiator der Demonstration, Michael Ballweg, am Mittwoch mit. «Diese, wie die anderen Versammlungen von Querdenken in Berlin werden stattfinden.»

Abstandsregeln und Masken waren bei der ersten Anti-Corona-Grossdemo in Berlin Fremdwörter. Die geplante zweite Auflage wurde von den Behörden deswegen zunächst verboten.
Abstandsregeln und Masken waren bei der ersten Anti-Corona-Grossdemo in Berlin Fremdwörter. Die geplante zweite Auflage wurde von den Behörden deswegen zunächst verboten.
KEYSTONE/DPA/Christoph Soeder

Veranstalter wollen kooperieren

Ballweg erklärte, die Initiative Querdenken habe «mehrere sehr gute Kooperationsgespräche mit der Polizei» geführt, «in denen wir insbesondere die Problematik der Hygienekonzepte gut und kooperativ miteinander abgestimmt haben.» Er fügte hinzu: «Ganz offensichtlich geht es dem Berliner Innensenator Andreas Geisel nicht um infektionsschutzrechtliche Befürchtungen, die seine eigene Polizeibehörde nicht teilt, sondern ausschliesslich um die Gesinnung der Teilnehmer.»



Am 1. August waren in Berlin Tausende Menschen auf die Strasse gegangen. Weil viele Demonstranten weder Abstandsregeln einhielten noch Masken trugen, löste die Polizei seinerzeit eine Kundgebung auf. Danach wurde auch über die Zahl der Teilnehmer heftig gestritten. Während die Polizei von 20'000 sprach, wurde auf der Kundgebungsbühne erst von 800'000, dann von 1,3 Millionen Menschen geredet.

An diesem Samstag sollte es nun eine Neuauflage geben. Die Teilnehmer wollten unter dem Motto «Versammlung für die Freiheit» durch Berlin-Mitte ziehen und sich am Nachmittag auf der Strasse des 17. Juni versammeln. Bei der Polizei waren für die Demo 17'000 Teilnehmer angegeben. Die folgende Kundgebung wurde von der Stuttgarter Initiative Querdenken 711 angemeldet – mit 22'500 Teilnehmern.

Bewusst Regeln gebrochen

«Das ist keine Entscheidung gegen die Versammlungsfreiheit, sondern eine Entscheidung für den Infektionsschutz», erklärte Senator Geisel zum nun verfügten Verbot. «Wir sind noch mitten in der Pandemie mit steigenden Infektionszahlen. Das kann man nicht leugnen. Wir müssen deshalb zwischen dem Grundrecht der Versammlungsfreiheit und dem der Unversehrtheit des Lebens abwägen. Wir haben uns für das Leben entschieden.»

Versammlungsfreiheit bedeute nicht, sich über geltendes Recht hinwegsetzen zu können, so Geisel. «Die Anmelder der Versammlungen, die Anfang August in Berlin stattfanden, haben ganz bewusst die Regeln gebrochen, die sie vorher in Gesprächen mit der Polizei akzeptiert hatten – dazu gehörten das Tragen eines Mund-Nasen- Schutzes und das Einhalten des 1,5-Meter-Abstands.» Das sei nicht akzeptabel. «Der Staat lässt sich nicht an der Nase herumführen.»

Ein Sprecher von Geisel erklärte, man werde eine mögliche Entscheidung des Verwaltungsgerichts abwarten und wenn nötig, dann auch den Rechtsweg bis zum Oberverwaltungsgericht gehen. Vorwürfe, das Verbot sei wegen der politischen Intention der Demonstranten erfolgt, wies er zurück: «Der Senat misst nicht mit zweierlei Mass. Es wird im Einzelfall entschieden. Es gibt nicht links erlauben, rechts verbieten. Das ist Unsinn.»

Polizei soll konsequent eingreifen

Geisel kündigte ein konsequentes Vorgehen der Polizei an, sollten sich am Samstag dennoch grosse Menschenansammlungen bilden. «Ich bin nicht bereit, ein zweites Mal hinzunehmen, dass Berlin als Bühne für Corona-Leugner, Reichsbürger und Rechtsextremisten missbraucht wird. Ich erwarte eine klare Abgrenzung aller Demokratinnen und Demokraten gegenüber denjenigen, die unter dem Deckmantel der Versammlungs- und Meinungsfreiheit unser System verächtlich machen», unterstrich er.

Der SPD-Politiker kündigte zudem an, dass im Vorfeld angekündigte Zeltlager in Berlin nicht geduldet werden. «Wir dürfen nicht zulassen, dass Berlin zu einem grossen Campingplatz für vermeintliche Querdenker und Verschwörungsideologen gemacht wird.»

Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) hält das Verbot für nachvollziehbar und richtig. «Die Teilnehmer der Demonstration gehen irgendwann nach Hause oder sie gehen an den Arbeitsplatz oder sie fahren mit der U-Bahn.» Damit gefährdeten sie wiederum sich und andere, «weil sie vorher Regeln nicht beachtet haben».

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