Politik Biden hadert mit Erbe von Trumps Nordkorea-Diplomatie

SDA

22.5.2022 - 13:08

US-Präsident Joe Biden spricht, bevor er in die Air Force One für eine Reise nach Japan auf dem Luftwaffenstützpunkt Osan einsteigt. Foto: Evan Vucci/AP/dpa
US-Präsident Joe Biden spricht, bevor er in die Air Force One für eine Reise nach Japan auf dem Luftwaffenstützpunkt Osan einsteigt. Foto: Evan Vucci/AP/dpa
Keystone

Der frühere US-Präsident Donald Trump veräppelte Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un als «kleinen Raketenmann», drohte dem international isolierten Land mit Vernichtung – und ebnete damit den Weg für Verhandlungen. Seine drei Treffen mit Kim zwischen Juni 2018 und Juni 2019 inszenierte er mit viel Pomp. Kim durfte sich an seiner Seite auf der Weltbühne präsentieren. Trump bezeichnete ihn sogar als «Freund», sich selbst feierte er als diplomatisches Genie. Doch letztlich hielt der Diktator aus Pjöngjang an seinem Raketen- und Atomwaffenprogramm fest. Trumps Initiative scheiterte.

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Nachfolger Joe Biden hingegen übt sich seit seinem Amtsantritt vor knapp eineinhalb Jahren gegenüber Nordkorea vor allem in leisen Tönen. So auch bei seinem dreitägigen Staatsbesuch in Südkorea, der am Sonntag zu Ende ging. An der innerkoreanischen Grenze stehen sich weiter eine Million schwer bewaffnete Soldaten gegenüber. Kim baut sein Atomprogramm aus. Er nimmt dabei auch internationale Sanktionen in Kauf. Für das Regime in Nordkorea gilt das Programm als Überlebensgarantie.

Dieses Jahr gab es bereits mehr als ein Dutzend Raketentests – auch einer Interkontinentalrakete, die das Festland der Vereinigten Staaten erreichen könnte. Zudem befürchten Südkorea und die USA, dass Nordkorea einen neuen Atomversuch unternimmt. UN-Resolutionen verbieten dem Land eigentlich Tests ballistischer Raketen jeglicher Reichweite. Biden setzt derweil weiter auf Appelle, Verhandlungen ohne Vorbedingungen zu beginnen. Selbst ein Treffen mit Kim schloss Biden am Wochenende nicht aus, falls dieser «ehrlich» agiere und es «ernst» meine.

Doch Nordkorea ignoriert solche Angebote. Der Streit ums nordkoreanische Atomprogramm ist ein verzwickter Konflikt ohne einfache oder gute Lösungen. Experten halten ihn für eine der weltweit gefährlichsten Bedrohungen. Auch mehrere andere US-Präsidenten kamen bei dem Thema nicht voran.

Und auch Biden scheint ausser Appellen keinen neuen Plan zu haben. Zusammen mit Südkoreas neuem Präsidenten Yoon Suk Yeol verurteilte er die Raketentests und forderte zu Abrüstung auf. Beide kündigten jedoch auch an, die gemeinsamen Manöver ihrer Streitkräfte ausbauen zu wollen. Das dürfte Kim provozieren, der darin Kriegstreiben sieht.

Zudem liess Biden keinen Zweifel daran, dass die USA bei Bedarf weiter die «volle Bandbreite» ihrer militärischen Fähigkeiten zur Verteidigung Südkoreas einsetzen würden – einschliesslich Atomwaffen. Diese Strategie der Abschreckung soll Nordkorea von einem Angriff abhalten. In Südkorea sind gut 28 000 US-Soldaten stationiert. Die Sicherheitszusagen der USA sind für den Verbündeten extrem wichtig.

Dass sich beide Seiten jetzt darüber hinaus auf Diskussionen über den Ausbau der Militärübungen und die Wiederbelebung einer gemeinsamen Konsultationsgruppe für Fragen der erweiterten Abschreckung einigten, ist nach Ansicht südkoreanischer Kommentatoren für Yoon von grosser Bedeutung. Der frühere Staatsanwalt ist erst seit dem 10. Mai im Amt. Er ist noch dabei, seinen Kurs gegenüber Nordkorea zu finden.

Im Wahlkampf deutete er eine härtere Gangart an und machte eine Stärkung der Allianz mit den USA zu einem seiner wichtigsten Versprechen. Doch weiss auch Yoon, dass dies ein schwieriger Balanceakt sein kann. Beim Treffen mit Biden erläuterte er einen «kühnen Plan», Nordkoreas wirtschaftlichen Aufbau zu unterstützen, sobald das kommunistische Nachbarland mit atomarer Abrüstung beginnt.

Für Biden schien Nordkorea bislang keine Priorität zu sein. Neue Raketentests wurden entweder ignoriert oder schlicht mit den üblichen Worten verurteilt. Biden betonte am Sonntag jedoch, die USA seien auf alle möglichen Handlungen Nordkoreas vorbereitet. Auf die Frage, ob er eine Botschaft für Kim habe, sagte er lediglich: «Hallo.» Der Kontrast zum Vorgänger könnte kaum grösser sein: Trump drohte Kim nach seinem Amtsantritt 2017 gar biblisch mit «Feuer und Zorn».

Doch dann traf Trump sich als erster Präsident der Vereinigten Staaten mit einem Herrscher des totalitär geführten Landes. Im Gegenzug für Abrüstung stellte er eine boomende Wirtschaft in Aussicht. Bisweilen kokettierte er damit, für die Entschärfung des Konflikts womöglich den Friedensnobelpreis verdient zu haben. Daraus wurde nichts. Trump brüstete sich auch damit, einen Krieg verhindert zu haben. In den Augen der meisten Beobachter erreichte er letztlich jedoch nichts.