Übersicht Situation am Kabuler Flughafen spitzt sich zu +++ Keller-Sutter verteidigt Flüchtlingsentscheid 

aka/SDA/red.

21.8.2021

Die Lage am Flughafen in Kabul hat sich gefährlich zugespitzt. Derweil sagt Justizministerin Keller-Sutter, warum die Schweiz nicht mehr Flüchtlinge aufnimmt. Alles News im Ticker.

aka/SDA/red.

21.8.2021

Die Sicherheitslage am Kabuler Flughafen hat sich gefährlich zugespitzt und die Rettungsaktionen der Nato-Staaten massiv erschwert. Die deutsche Bundeswehr flog am Samstag mehr als 200 Menschen aus Kabul aus — beim ersten von zwei Evakuierungsflügen waren aber nur acht Menschen an Bord. Die deutsche Auswärtige Amt erklärte, die Situation am Flughafen der afghanischen Hauptstadt sei «gefährlich» und «volatil». Die US-Botschaft warnte davor, zum Flughafen zu kommen.

Weiterhin versuchen unzählige Menschen verzweifelt, das Land zu verlassen. Im Kabuler Flughafen warteten am Samstag weiter tausende Afghanen mit Ausreisepapieren auf Flüge. US-Soldaten hielten tausende Menschen ohne Papiere davon ab, auf das Flughafengelände zu gelangen.

Die US-Botschaft in Kabul warnte am Samstag auf ihrer Internetseite: «Aufgrund potenzieller Sicherheitsbedrohungen vor den Toren des Flughafens Kabul raten wir US-Bürgern, derzeit nicht zum Flughafen zu reisen und die Tore des Flughafens zu meiden.» Zur genauen Art der Bedrohung machte die Botschaft in der Mitteilung keine Angaben.

Das Auswärtige Amt erklärte, der Zugang zum Flughafen sei häufig nicht möglich. Die Tore würden immer wieder «kurzfristig» geöffnet und geschlossen.

Ein US-Soldat der US-Luftwaffe bewacht die Evakuierte von Nichtkombattanten mit einem Flugzeug vom Typ C-17 Globemaster III auf dem Hamid Karzai International Airport.
Ein US-Soldat der US-Luftwaffe bewacht die Evakuierte von Nichtkombattanten mit einem Flugzeug vom Typ C-17 Globemaster III auf dem Hamid Karzai International Airport.
Sra Taylor Crul/U.S. Air/Planet Pix via ZUMA Press Wire/dpa

Wie gefährlich und chaotisch die Lage rund um den Flughafen ist, zeigte sich auch daran, dass US-Soldaten mit Helikoptern losfliegen mussten, um am Freitag 169 Menschen sicher zum Flughafen zu bringen. Grund sei eine «grosse Menschenmenge» vor dem Flughafen gewesen, sagte Pentagon-Sprecher John Kirby. Auch die Bundeswehr schickte zwei Helikopter nach Kabul, die laut Kramp-Karrenbauer am Samstag startbereit waren.

Unklar blieb derweil, wie die künftige Taliban-Führung in Afghanistan genau aussehen soll. Zu Gesprächen über die Regierungsbildung reiste Taliban-Mitbegründer Mullah Abdul Ghani Baradar nach Kabul. Ziel sei die Bildung einer «inklusiven Regierung», sagte ein Taliban-Vertreter.

Keller-Sutter verteidigt Flüchtlingsentscheid

Justizministerin Karin Keller-Sutter hat den Entscheid des Bundesrats gegen die Aufnahme von Kontingentsflüchtlingen aus Afghanistan verteidigt. Derzeit gebe es keine Massenflucht aus Afghanistan, sagte sie in einem Interview.

Die Schweiz habe zudem gar keine Möglichkeit, solche Menschen ausser Landes zu bringen, sagte Keller-Sutter den Zeitungen des «CH Media»-Verlags (Samstagausgabe). «Wir können auch nicht einfach willkürlich 10'000 Menschen auswählen und aus dem Krisengebiet evakuieren.»

Erste Priorität für den Bundesrat ist, die eigenen Landsleute zu evakuieren, die Entwicklungshelfer des Bundes und deren Angehörige, insgesamt rund 230 Personen. Bislang war dies jedoch nicht gelungen. Die Schweiz will am Samstag ein Flugzeug in die usbekische Hauptstadt Taschkent schicken, um aus Kabul evakuierte Menschen abzuholen.

Weil die Schweiz kein Nato-Staat und nicht mit eigenen Streitkräften vor Ort sei, sei das Aussendepartement auf die Zusammenarbeit mit anderen Staaten angewiesen, erklärte die Bundesrätin.

Hilfe in Nachbarstaaten

Die Schweiz will sich der Ministerin zufolge für humanitäre Hilfe vor Ort und in den Nachbarstaaten Afghanistans einsetzen. Die Schweizer Landesregierung vertritt laut Keller-Sutter damit die gleiche Position wie viele EU-Staaten, wie sich diese Woche an einem ausserordentlichen Treffen der EU-Innenminister gezeigt hatte.

Rund 3 Millionen afghanische Flüchtlinge leben laut der Bundesrätin im Iran, 2,5 Millionen in Pakistan, je nach Schätzung 200'000 bis 600'000 in der Türkei. In Afghanistan mit geschätzt über 39 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern gibt es demnach über eine halbe Million intern vertriebene Flüchtlinge.

Der Bundesrat hatte am Mittwoch beschlossen, dass die Schweiz vorerst keine afghanischen Kontingentsflüchtlinge aufnimmt. Auch die Vergabe von humanitären Visa sollte vorerst nicht erleichtert werden.

Linke Parteikreise und Hilfswerke dagegen forderten eine unbürokratische Aufnahme von bis zu 10'000 gefährdeten Flüchtlingen. Besonders verletzlichen Menschen sei ein schneller Zugang zu humanitären Visa zu ermöglichen, hiess es in einem von rund 38'000 Menschen unterzeichneten Appell.


Die Ereignisse des Tages im Überblick

Das Wichtigste in Kürze

  • Die Lage am Flughafen Kabul spitzt sich zu. Die US-amerikanische und deutsche Botschaft haben davor gewarnt, zum Flughafen zu kommen.
  • Der für Samstag geplante Flug der Swiss nach Taschkent zur Rückführung von Schweizer Staatsangehörigen, die aus Afghanistan evakuiert worden waren, ist verschoben worden.
  • Justizministerin Karin Keller-Sutter hat den Entscheid des Bundesrats gegen die Aufnahme von Kontingentsflüchtlingen aus Afghanistan in einem Interview verteidigt.
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    Wir beenden den Live-Ticker am Samstag

  • 21.21 Uhr

    Deutsche Verteidigungsministerin: «Unsere Lageeinschätzung war falsch»

    Die deutsche Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer hat eine massive Fehleinschätzung der Bundesregierung angesichts des Vormarschs der Taliban in Afghanistan eingeräumt. «Noch zu Beginn der letzten Woche hat niemand in der internationalen Gemeinschaft damit gerechnet, dass Kabul bereits am Ende der Woche kampflos fallen würde», schrieb Kramp-Karrenbauer in einem der Deutschen Presse-Agentur vorliegenden Brief an Abgeordnete des Bundestags. Zuerst hatte der «Spiegel» darüber berichtet.

    «Unsere Lageeinschätzung war falsch, unsere Annahmen über die Fähigkeiten und die Bereitschaft zum afghanischen Widerstand gegen die Taliban zu optimistisch.» Ähnlich hatten sich Aussenminister Heike Maas und Kanzlerin Angela Merkel am 16. August geäussert, dem Tag nach der Einnahme Kabuls durch die Taliban.

    Kramp-Karrenbauer erklärte, dass ihr Ministerium am 13. August die Planung der militärischen Kräfte angestossen habe, nachdem die USA am Vortag über die Vorbereitung einer Evakuierungsaktion informiert habe. Der Krisenstab der Bundesregierung habe am 15. August eine Evakuierungsoperation beschlossen. Am 16. August brach die Bundeswehr zur Evakuierung deutscher Staatsbürger und afghanischer Ortskräfte mit einem ersten Transportflugzeug nach Afghanistan auf.

  • 21.04 Uhr

    Borrell: Rettung aller Ortskräfte aus Afghanistan bis Ende August «unmöglich»

    Der EU-Aussenbeauftragte Josep Borrell hält es für unmöglich, bis Ende August alle Ortskräfte der USA und anderer Nato-Staaten aus Afghanistan auszufliegen. «Das ist mathematisch unmöglich», sagte Borrel der Nachrichtenagentur AFP. Borrell machte die strengen Sicherheitsvorkehrungen des US-Militärs am Kabuler Flughafen mitverantwortlich für die dramatische Situation.

    Borrell sagte, die EU habe sich bei den USA über die strengen Sicherheitsvorkehrungen «beschwert». Afghanische Ortskräfte der EU, die das Land verlassen wollen, hätten Schwierigkeiten auf das Flughafengelände zu gelangen.

  • 20.49 Uhr

    Deutsche Bundeswehr fliegt erneut mehr als 200 Menschen aus Kabul aus

    Die deutsche Bundeswehr hat mehr als 200 Menschen aus Kabul ausgeflogen. Ein erstes Transportflugzeug vom Typ A440M konnte zwar nur acht Menschen in die usbekische Hauptstadt Taschkent bringen, wie das Bundesverteidigungsministerium im Onlinedienst Twitter mitteilte. Ein zweiter Flieger brachte dann aber 205 Menschen aus Kabul in Sicherheit.

    In der Nacht zum Samstag waren nach Angaben des Ministeriums bereits 172 und in einem zweiten Flug sieben Menschen evakuiert worden.

    Die deutsche Bundeswehr hat somit seit dem Beginn ihrer Evakuierungsflüge mehr 2000 Menschen aus der afghanischen Hauptstadt ausgeflogen. Die radikalislamischen Taliban hatten vor einer Woche die Macht in Kabul übernommen. Westliche Staaten bemühen sich seitdem hektisch darum, vor allem ihre Staatsbürger und gefährdete afghanische Ortskräfte in Sicherheit zu bringen.

  • 20.06 Uhr

    Flagge der USA weht über Flughafen Kabul

    Die Taliban haben in Afghanistan wieder die Macht übernommen - über dem noch von US-Streitkräften kontrollierten Flughafen Kabul weht Militärangaben zufolge aber die Flagge der Vereinigten Staaten. «Die Flagge weht weiterhin und die Mission dauert an», sagte US-Generalmajor William Taylor im Pentagon. Am Flughafen arbeite auch weiterhin US-Botschaftspersonal.

    Bei der US-Botschaft im Zentrum der afghanischen Hauptstadt Kabul war am vergangenen Sonntag die Flagge der Vereinigten Staaten eingeholt worden. Der Schritt markierte den Abschluss der Evakuierung der diplomatischen Vertretung. Nach derzeitiger Planung wollen die USA ihre Evakuierungsmission am 31. August beenden. Dann sollen auch die letzten US-Soldaten aus Afghanistan abziehen.

  • 19.31 Uhr

    Tausende Menschen demonstrieren in London gegen Taliban

    Tausende Menschen sind heute in London auf die Strassen gegangen, um gegen die Machtübernahme der radikalislamischen Taliban in Afghanistan zu protestieren. Die Menschen zogen bei Regen durch das britische Regierungsviertel und an der Downing Street vorbei, wo die Regierung von Premierminister Boris Johnson ihren Sitz hat. Auf Schildern stand «Nein zu den Taliban», «Frieden in Afghanistan» und «Schützt die afghanischen Frauen».

    Wie zahlreiche andere westliche Regierungschefs ist auch Johnson wegen der Blitz-Eroberung Afghanistans durch die Taliban-Milizen in den vergangenen Wochen und die schleppende Evakuierung von Ortskräften internationaler Organisationen in die Kritik geraten. Derzeit beteiligen sich die britischen Streitkräfte an den Evakuierungsflügen unter chaotischen Bedingungen am Flughafen in Kabul.

    Am Dienstag hatte die Regierung zudem einen Plan zur Evakuierung von zunächst 5000 gefährdeten Afghanen binnen eines Jahres verkündet. Langfristig sollen demnach 20'000 Menschen aus Afghanistan nach Grossbritannien umgesiedelt werden.

  • 19.08 Uhr

    Merkel und Erdogan beraten über Lage in Afghanistan

    Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel hat mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan telefoniert und über die Lage in Afghanistan gesprochen. Wie die stellvertretende Regierungssprecherin Ulrike Demmer mitteilte, waren sich die Bundeskanzlerin und Präsident Erdogan einig, «dass die Evakuierung schutzbedürftiger Menschen aus Afghanistan weiterhin höchste Priorität hat».

    Die beiden vereinbarten demnach auch eine enge Zusammenarbeit bei der Unterstützung der Arbeit internationaler Organisationen, insbesondere des UN-Flüchtlingshilfswerks (UNHCR), in Afghanistan und seinen Nachbarstaaten.

    Die Türkei war in den vergangenen Monaten immer wieder zu Gesprächen mit Taliban-Anführern zusammengekommen. Dabei ging es unter anderem um ein Angebot Ankaras, den Flughafen von Kabul nach dem Abzug der US-Truppen zu schützen. Nach der Machtübernahme der Islamisten verlegte die Türkei, wie zahlreiche weitere Staaten, ihr Botschaftspersonal zum Flughafen. Hunderte Türken wurden aus dem Land in Sicherheit gebracht.

    Erdogan hat in den vergangenen Tagen auch immer wieder vor massenhafter Migration aus Afghanistan in Richtung Türkei und weiter in die EU gewarnt.

  • 18.47 Uhr

    Eingangstore am Flughafen Kabul sind laut US-Streitkräften geöffnet

    Bei der Evakuierungsmission in Afghanistan fertigen die US-Streitkräfte am Flughafen Kabul an den verschiedenen Eingängen nach eigenen Angaben weiterhin Menschen ab. Eingangstore seien in den vergangenen 24 Stunden nur kurzfristig geschlossen worden, damit «die richtigen Leute» passieren konnten, sagte US-Generalmajor William Taylor im Pentagon. Nicht erklären konnten Taylor und Pentagon-Sprecher John Kirby, warum die US-Botschaft in Kabul US-Bürgern geraten hatten, nicht zum Flughafen zu fahren. Kirby verwies aber darauf, dass die Lage rund um den Flughafen nicht stabil sei und sich ständig ändere.

    Kirby sagte, es gebe «eine geringe Anzahl» von Amerikanern, die auf dem Weg zum Flughafen in den vergangenen Tagen von Taliban drangsaliert oder geschlagen worden seien. Das gelte auch für afghanische Unterstützer des US-Einsatzes. Die meisten Amerikaner würden aber durch die Checkpoints der Taliban gelassen. Die Zuständigen bei den Taliban seien über die Zwischenfälle informiert worden. Die militanten Islamisten haben nach Darstellung der US-Regierung zugesagt, Amerikaner passieren zu lassen. «Es hat den Anschein, dass nicht alle Taliban-Kämpfer die Botschaft verstanden haben oder sich entschlossen haben, sie zu befolgen», sagte Kirby.

  • 18.14 Uhr

    US-Streitkräfte fliegen 3800 Menschen in 24 Stunden aus Kabul aus

    Die US-Streitkräfte haben seit Beginn der Evakuierungsmission in Afghanistan vor einer Woche nach eigenen Angaben insgesamt 17'000 Menschen aus Kabul ausgeflogen. Generalmajor William Taylor sagte im Pentagon, in den 24 Stunden zuvor hätten die US-Streitkräfte insgesamt rund 3800 Menschen evakuiert. Dafür seien sechs Flugzeuge der US-Luftwaffe und 32 Chartermaschinen eingesetzt worden. 5800 US-Soldaten sicherten den Flughafen in der afghanischen Hauptstadt. «Es wurde keine Änderung der aktuellen Feindlage in und um den Flughafen gemeldet.»

    Der Sprecher des US-Verteidigungsministeriums, John Kirby, sagte: «Wir wissen, dass wir sowohl gegen die Zeit als auch gegen den Raum kämpfen. Das ist das Rennen, in dem wir uns gerade befinden.» Man versuche, Menschen «so schnell und gefahrlos wie möglich» in Sicherheit zu bringen. Am Flughafen in Kabul harren weiterhin Tausende Menschen aus, die nach der Machtübernahme der Taliban vor den Islamisten fliehen wollen.

  • 17.57 Uhr

    Von der Leyen fordert EU-Länder zur Aufnahme von Afghanen auf

    EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat alle Mitgliedsländer zur Aufnahme schutzbedürftiger Afghanen aufgefordert. Die EU-Kommission werde finanzielle Unterstützung für die Länder zur Verfügung stellen, die den Flüchtenden eine neue Heimat böten, sagte von der Leyen beim Besuch eines Erstaufnahmelager für vor den Taliban geflohene afghanische Ortskräfte der EU in Spanien.

    Die Kommissionspräsidentin besuchte zusammen mit EU-Ratspräsident Charles Michel und dem spanischen Regierungschef Pedro Sánchez die Militärbasis Torrejón de Ardoz nahe Madrid. Auf dem Stützpunkt hat die spanische Luftwaffe ein Lager eingerichtet, das laut Sánchez bis zu 800 Menschen aufnehmen kann.

    Nach Angaben der Regierung in Madrid soll es als «logistisches Zentrum Europas» dienen, von dem aus «alle Afghanen, die für EU-Institutionen gearbeitet haben», in andere Staaten verteilt werden sollen. Laut dem spanischen Aussenminister José Manuel Albares haben sich «fast alle EU-Staaten» bereit erklärt, Flüchtlinge aus dem Lager aufzunehmen. Die Afghanen sollen zunächst eine «befristete Einreiseerlaubnis» für Spanien erhalten, bevor ihnen von den verschiedenen Ländern, in denen sie sich niederlassen sollen, der Flüchtlingsstatus zuerkannt wird.

    Von der Leyen stellte zudem klar, dass es derzeit zwar «operationelle Kontakte» zu den Taliban gebe, «um Leben zu retten». Es gebe aber keinen politischen Dialog und demzufolge auch «keinerlei Anerkennung der Taliban». Die radikalislamischen Kämpfer hatten vor einer Woche die Macht in Afghanistan wieder an sich gerissen, seitdem versuchen unzählige Menschen verzweifelt, das Land zu verlassen.

  • 17.22 Uhr

    Italien hat bislang mehr als 1600 Afghanen evakuiert

    Das italienische Militär hat über seine Luftbrücke bislang mehr als 1600 Afghanen aus Kabul ausgeflogen. Das Verteidigungsministerium berichtete von einem Flug mit knapp 200 afghanischen Staatsbürgern, der am Flughafen Fiumicino in Rom landete. Am Freitagabend kam nach Angaben der Armee ein Flug mit 103 Menschen dort an. Auf Fotos der Luftwaffe waren zahlreiche Menschen zu sehen, die in einer Transportmaschine auf dem Boden sassen. In Rom kümmerte sich die Polizei nach eigenen Angaben mit Malbüchern und Stiften um einige Kinder, die dort wegen des Einreiseverfahrens warten mussten.

    Italien hatte nach der Einnahme Kabuls durch die Taliban eine Luftbrücke eingerichtet, um italienische Staatsbürger und frühere afghanische Mitarbeiter samt deren Familien aus dem Land über Kuwait auszufliegen. An dem Einsatz sind etwa 1500 Soldaten und mehrere Transportflugzeuge beteiligt.

  • 17.16 Uhr

    Bewegendes Foto zeigt aus Kabul gerettetes Baby im Arm eines Soldaten

    Das Foto eines Babys im Arm eines norwegischen Soldaten an Bord eines Evakuierungsflugs aus Afghanistan hat in den sozialen Medien für Erschütterung gesorgt. Das Bild, das eine Korrespondentin des US-Senders CBS News auf Twitter teilte, zeigt den in eine helle Decke eingewickelten Säugling auf dem Schoss eines Soldaten in voller Uniform. Ein Sprecher des norwegischen Militärs bestätigte dem Sender NRK die Echtheit des tausendfach geteilten Fotos, wollte aber keine weiteren Informationen geben.

    Dem Norweger Terje Watterdal zufolge, der nach eigenen Angaben an Bord desselben Fliegers war, sollen etliche Kinder an Bord des Fluges ins georgische Tiflis gewesen sein. Auch er selbst habe zeitweise einen kleinen Jungen in den Armen gehabt, erzählte Watterdal dem Sender NRK. Die CBS-Journalistin schrieb auf Twitter ebenfalls von «einer grossen Zahl an Kindern, von Babys bis hin zu Teenagern, die alleine reisten». Etliche Twitter-Nutzerinnen und -Nutzer zeigten sich erschüttert über die Szene und sprachen den Eltern des Kindes ihr Mitgefühl aus.

    Die norwegische Aussenministerin Ine Eriksen Søreide bestätigte am dem Sender NRK zufolge, dass Kinder aus Afghanistan ausgeflogen worden seien. Zuvor seien diese in Kabul in einem norwegischen Lazarett behandelt worden. Nun würden sie vom Kinderhilfswerk betreut und medizinisch behandelt. Weitere Details — etwa zu den Angehörigen — wollte die norwegische Regierung nicht herausgeben, um die Privatsphäre der Betroffenen zu schützen.

  • 17.11 Uhr

    Keine Reise nach Wilmington —Biden ändert Wochenendpläne

    Vor dem Hintergrund der Lage in Afghanistan hat US-Präsident Joe Biden seine Wochenendpläne geändert. Der Präsident werde heute nicht mehr in das Haus der Familie nach Wilmington im US-Bundesstaat Delaware reisen, teilte das Weisse Haus mit. Biden hatte bereits am Freitagnachmittag nach Wilmington fliegen wollen, das Weisse Haus hatte seine Abreise dann aber auf heute verschoben. In Abänderung seiner ursprünglichen Pläne hatte Biden sich am Freitag dann zur Situation in Afghanistan und den Evakuierungsbemühungen der US-Streitkräfte dort geäussert. Biden steht wegen des Chaos in Afghanistan unter massivem Druck.

  • 16.50 Uhr

    Flughafen meiden — auch deutsche Botschaft warnt

    Die deutsche Botschaft in Kabul hat dazu aufgerufen, angesichts der unübersichtlichen Lage am Flughafen und in der Stadt zu Hause oder an einem geschützten Ort zu bleiben. «Der Zugang zum Flughafen Hamid Karzai International Airport ist derzeit nur sehr eingeschränkt möglich. Das North Gate ist bis auf weiteres geschlossen», hiess es in einem Landsleutebrief. «Derzeit ist es grundsätzlich sicherer, zu Hause oder an einem geschützten Ort zu bleiben.» Es seien aber weiterhin Evakuierungsflüge der Bundeswehr geplant.

    Die Bundeswehr hat heute mit zwei Flügen lediglich 15 Menschen von Kabul in die usbekische Hauptstadt Taschkent bringen können. Ein Augenzeuge berichtete der Deutschen Presse-Agentur von Tausenden Menschen, die am Flughafen in Kabul ausharrten. Laut Verteidigungsministerium waren für heute bis zu sechs Evakuierungsflüge geplant. Es war allerdings zunächst unklar, wie Passagiere angesichts des weiter geschlossenen Zugangstores und der Menschenmassen dort diese Flüge erreichen können.

    Vor knapp einer Woche hatten die Taliban Kabul eingenommen und die Macht übernommen. Seitdem fürchten Oppositionelle, Journalisten, Menschenrechtsaktivisten und auch Ortskräfte, die für westliche Staaten tätig waren, Racheaktionen an sich. Es ist weitgehend unklar, wie die Islamisten dieses Mal herrschen werden. Es wird befürchtet, dass die Extremisten wieder ein islamisches «Emirat» errichten wollen und dabei mit drakonischen Strafen gegen Andersdenkende vorgehen.

  • 16.07 Uhr

    Bundeswehr-Helikopter eingetroffen

    Für ihren gefährlichen Evakuierungseinsatz in Afghanistan hat die deutsche Bundeswehr ihre Kräfte verstärkt und zwei Helikopter an den Flughafen Kabul verlegt. Nach Angaben des Verteidigungsministeriums können die Helikopter vom Typ Airbus H145M für die Rettung einzelner Bundesbürger oder auch einheimischer Ortskräfte aus Gefahrenlagen eingesetzt werden.

    Bei den beiden nach Kabul verlegten Helikoptern handelt es um leichte Mehrzweckhelikopter. Es sei geplant, damit in Kabul «kleinere Gruppen zu Evakuierender im Stadtgebiet aufzunehmen und sicher zum Flughafen zu transportieren», teilte die Bundeswehr mit. Die Helikopter dienten grundsätzlich dazu, Kräfte auf engen Landeplätzen abzusetzen, auch im innerstädtischen Raum und in Gebieten mit schlechter Infrastruktur.

    Die Helikopter der deutschen Bundeswehr des Typs H-145M werden normalerweise zum Absetzen von Spezialkräften genutzt. Sie können in dicht besiedelten Gebieten manövrieren.
    Die Helikopter der deutschen Bundeswehr des Typs H-145M werden normalerweise zum Absetzen von Spezialkräften genutzt. Sie können in dicht besiedelten Gebieten manövrieren.
    Marius Becker/dpa

    Die beiden Maschinen sind Spezialkräften zugeordnet und wurden von den USA angefordert. Die US-Truppen flögen hauptsächlich mit grossvolumigen Hubschraubern und benötigten im städtischen Umfeld eine kleinere Maschine, sagte Generalinspekteur Eberhard Zorn am Freitag in Berlin. Im Einsatz sollen die Bundeswehrmaschinen immer von Helikoptern der USA begleitet werden. «Das ist eine wirkliche Luftoperation. Das ist kein ‹Taxi-Service›, sagte Zorn. Die Helikopter des Kommandos Spezialkräfte (KSK) seien eigentlich auf die Befreiung von Geiseln ausgerichtet und sehr beweglich.

  • 15.13 Uhr

    Merkel räumt Fehleinschätzungen in Afghanistan ein

    Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel hat Fehleinschätzungen im Zusammenhang mit der Lage in Afghanistan eingeräumt. «Die afghanische Regierung und Armee sind in einem atemberaubenden Tempo kollabiert», sagte Merkel bei einer Wahlkampfveranstaltung von CDU und CSU. «Wir haben diese Widerstandskraft stärker eingeschätzt — das gehört zur Wahrheit.» Die unerwartete Machtübernahme in Afghanistan habe gezeigt, «wie dramatisch sich die Dinge von einem Tag auf den anderen ändern können».

    Derzeit gehe es nun vor allem darum, Menschenleben zu retten und die Gefährdeten ausser Landes zu bringen, sagte Merkel. Sie äusserte ihren «tiefen Dank» an alle Bundeswehrangehörigen, die mit der Evakuierungsmission befasst sind. Die Kanzlerin sprach von einer «extrem schwierigen Mission» und fügte hinzu: «Wir möchten, dass sie gesund nach Hause kommen.»

    Merkel bekräftigte, dass eine kritische Bilanz des langjährigen internationalen Einsatzes in Afghanistan gezogen werden müsse: «Natürlich wird im Anschluss an diese Rettungsmission darüber zu reden sein, was ist geschafft und was ist nicht geschafft in Afghanistan?»

  • 14.38 Uhr

    Abdullah führt Gespräche zur Zukunft des afghanischen Pandschir-Tals

    In Afghanistan laufen Gespräche zur Zukunft der einzigen Provinz, die bisher noch nicht unter Kontrolle der militant-islamistischen Taliban steht. Der bisherige Vorsitzende des Rates für Nationale Versöhnung, Abdullah Abdullah, traf sich dazu mit Ältesten, Religionsgelehrten, Vertretern und Kommandeuren der Provinz Pandschir, wie er auf Twitter mitteilte. Man habe die aktuellen Entwicklungen im Land und die Möglichkeiten zur Unterstützung von Frieden und Stabilität diskutiert, schrieb Abdullah weiter.

    Die Provinz Pandschir konnte von den Taliban auch während ihrer ersten Herrschaft zwischen 1996 und 2001 nicht erobert werden. Das lag teils auch an der geografischen Lage — der Eingang zum Tal ist eng und gut zu verteidigen. Während die Islamisten in den vergangenen Monaten praktisch in allen Provinzen angriffen, gab es nur vereinzelte Angriffe auf Pandschir.

    Zuletzt sagten prominente Afghanen aus dem Tal, sie würden einen zweiten Widerstand gegen die Islamisten aufbauen und sprachen davon, die Taliban nicht als rechtmässige Führer des Landes anzuerkennen. Es gab zudem Berichte über Scharmützel in einer Nachbarprovinz, offenbar initiiert durch Kräfte aus Pandschir. Vonseiten der Pandschiris hiess es aber auch, man wolle politische Gespräche abwarten. Taliban-Kreise sprechen von Verhandlungen, die zur Kapitulation der Pandschiris führen sollen.

    Achmad Schah Massud, der legendäre verstorbene Führer der Nordallianz die in den 1990er-Jahren gegen die Islamisten kämpfte, stammt aus Pandschir. Abdullah Abdullah war einer seiner engsten Weggefährten.

  • 14.21 Uhr

    Amerikaner sollen Flughafen Kabul meiden

    Die US-Botschaft hat amerikanische Staatsbürger am Samstag dazu aufgerufen, den Flughafen Kabul zu meiden. Aufgrund möglicher Sicherheitsbedrohungen rund um die Eingänge rate man US-Bürgern, nicht zum Flughafen zu fahren und die Gates zu meiden, heisst es in einer Mitteilung der Botschaft. Ausnahme sei, wenn der Bürger oder die Bürgerin eine individuelle Anweisung von einem Vertreter der US-Regierung erhalten habe.

    Erst vor zwei Tagen hatte die Botschaft in einer Aussendung mitgeteilt, US-Bürger sollten zum Flughafen kommen, wenn sie es selber für sicher hielten. Sie sollten versuchen, an jedem geöffneten Gate den Flughafen zu betreten.

    In Kabul belagern weiterhin Tausende Menschen die Eingänge zum Flughafen. Sie hoffen auf einen Platz in einem Flugzeug, um nach der Machtübernahme der militant-islamistischen Taliban aus dem Krisenstaat zu fliehen. Es herrschen chaotische Zustände. Augenzeugen berichten von Schüssen von Sicherheitskräften in die Luft oder dem Einsatz von Tränengas. Taliban sollen Menschen zudem mit Peitschen schlagen.

  • 13.05 Uhr

    Vizechef der Taliban in Hauptstadt Kabul eingetroffen

    Der Vizechef der militant-islamistischen Taliban ist in der afghanischen Hauptstadt eingetroffen. Mullah Abdul Ghani Baradar sei am Samstag nach Kabul gekommen, um mit Taliban-Mitgliedern und weiteren Politikern über die Bildung einer neuen Regierung zu sprechen, bestätigten Taliban-Kreise der Nachrichtenagentur DPA.

    Der Mitbegründer der Taliban war nach der Machtübernahme der Islamisten als bislang höchstrangigster Vertreter am Dienstag zunächst in der Stadt Kandahar im Süden des Landes eingetroffen, aus Katar kommend. Mullah Baradar ist Vize-Chef der Bewegung und Leiter des politischen Büros der Taliban in Doha. Es ist unklar, wo sich der Taliban-Führer Haibatullah Achundsada und seine zwei weiteren Stellvertreter Mullah Jakub und Siradschuddin Hakkani befinden und wann sie in Kabul eintreffen könnten.

    Diese Woche hatten sich schon mehrere höherrangige Taliban-Vertreter mit Ex-Präsident Hamid Karsai und dem bisherigen Vorsitzenden des nationalen Versöhnungrates, Abdullah Abdullah, in Kabul zu Gesprächen über eine künftige Regierung getroffen. Die Taliban sagen bisher, sie wollten auch andere politische Kräfte in die Regierung mit einbeziehen.

  • 13.01 Uhr

    Briten wollen Biden von längerer Mission überzeugen

    Die britische Regierung will einem Bericht zufolge US-Präsident Joe Biden überzeugen, die Rettungsmission aus Afghanistan über Ende August hinaus fortzusetzen. Das berichtete die «Times» am Samstag unter Berufung auf britische Regierungskreise.

  • 12.59 Uhr

    US-Stützpunkt Ramstein Drehkreuz für Afghanistan-Flüge

    Der weltweit grösste US-Luftwaffenstützpunkt ausserhalb der Heimat ist nun auch ein Drehkreuz für Flüchtlinge aus Afghanistan: Nach rund 300 Evakuierten am Freitagabend sind inzwischen viele weitere Afghanen auf der Air Base im pfälzischen Ramstein im Südwesten Deutschlands gelandet.

    «Insgesamt sind es mit Stand 11.15 Uhr am Samstag rund 1550 Evakuierte, die mit elf Maschinen gekommen sind», sagte ein Sprecher des US-Stützpunkts der Deutschen Presse-Agentur. Auch in den Folgetagen würden weitere Flüge erwartet. Ihre Zahl lasse sich vorerst noch nicht genau sagen.

  • 11.40 Uhr

    Flug nach Taschkent «wegen schwieriger Sicherheitslage» verschoben

    Der für Samstag geplante Flug der Swiss nach Taschkent zur Rückführung von Schweizer Staatsangehörigen, die aus Afghanistan evakuiert worden waren, ist verschoben worden. Grund sei die «schwierige Sicherheitslage» rund um den Flughafen Kabul.

    Diese habe sich in den letzten Stunden «deutlich verschlechtert», teilte das Eidg. Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) am Samstag mit. Vor dem Flughafen hielten sich viele Menschen auf und es komme zu teilweise gewalttätigen Ausschreitungen. Damit werde der Zugang praktisch verhindert.

    Deswegen könnten auch nur wenige Personen von Kabul nach Taschkent ausgeflogen werden. Und so sei «der Bedarf von Evakuierungen im Moment nicht gegeben», hiess es weiter. Auch Deutschland habe seine Flüge in die usbekische Hauptstadt abgesagt. Das EDA arbeite weiterhin «mit Hochdruck an verschiedenen Evakuierungs-Optionen».

  • 11.24 Uhr

    Keller-Sutter verteidigt Flüchtlingsentscheid zu Afghanistan

    Justizministerin Karin Keller-Sutter hat den Entscheid des Bundesrats gegen die Aufnahme von Kontingentsflüchtlingen aus Afghanistan verteidigt. Derzeit gebe es keine Massenflucht aus Afghanistan, sagte sie in einem Interview.

    Die Schweiz habe zudem gar keine Möglichkeit, solche Menschen ausser Landes zu bringen, sagte Keller-Sutter den Zeitungen des «CH Media»-Verlags . «Wir können auch nicht einfach willkürlich 10'000 Menschen auswählen und aus dem Krisengebiet evakuieren.»

    Erste Priorität für den Bundesrat sei es, die eigenen Landsleute zu evakuieren, die Entwicklungshelfer des Bundes und deren Angehörige, insgesamt rund 230 Personen. Bislang war dies jedoch nicht gelungen. Die Schweiz will am Samstag ein Flugzeug in die usbekische Hauptstadt Taschkent schicken, um aus Kabul evakuierte Menschen abzuholen.

    Bundesrätin Karin Keller-Sutter spricht an der Seite von Bundesrat Ignazio Cassis an einer Medienkonferenz des Bundesrates zur aktuellen Lage in Afghanistan, am Mittwoch, 18. August 2021, in Bern. 
    Bundesrätin Karin Keller-Sutter spricht an der Seite von Bundesrat Ignazio Cassis an einer Medienkonferenz des Bundesrates zur aktuellen Lage in Afghanistan, am Mittwoch, 18. August 2021, in Bern. 
    Bild: KEYSTONE

    Weil die Schweiz kein Nato-Staat und nicht mit eigenen Streitkräften vor Ort sei, sei das Aussendepartement auf die Zusammenarbeit mit anderen Staaten angewiesen, erklärte die Bundesrätin.

    Die Schweiz will sich der Ministerin zufolge für humanitäre Hilfe vor Ort und in den Nachbarstaaten Afghanistans einsetzen. Die Schweizer Landesregierung vertritt laut Keller-Sutter damit die gleiche Position wie viele EU-Staaten, wie sich diese Woche an einem ausserordentlichen Treffen der EU-Innenminister gezeigt hatte.

    Der Bundesrat hatte am Mittwoch beschlossen, dass die Schweiz vorerst keine afghanischen Kontingentsflüchtlinge aufnimmt. Auch die Vergabe von humanitären Visa sollte vorerst nicht erleichtert werden.

    Linke Parteikreise und Hilfswerke dagegen forderten eine unbürokratische Aufnahme von bis zu 10'000 gefährdeten Flüchtlingen. Besonders verletzlichen Menschen sei ein schneller Zugang zu humanitären Visa zu ermöglichen, hiess es in einem von rund 38'000 Menschen unterzeichneten Appell.

  • 10.50 Uhr

    Die Taliban brauchen Geld

    Nach der Machtübernahme ist vor der nächsten Krise: Afghanistans Wirtschaft steht ein schwerer Einbruch bevor, im Land sind Armut und Hunger verbreitet, der Regierung geht das Geld aus. Die Taliban haben in Kabul das Zepter übernommen, aber nun müssen die selbst ernannten Gotteskrieger erstmals seit einer Generation wieder ein Land regieren.

    Die Taliban müssen versuchen, für Stabilität zu sorgen und für geschätzt 37 Millionen Menschen eine Grundversorgung sicherzustellen. Die gestürzte Regierung konnte dafür auf massive Hilfe aus dem Ausland bauen. Die Taliban hingegen könnten eher auf das brutale Eintreiben von Steuern und auf den Handel mit Opium setzen.

    Lies dazu hier auch den Text unseres Redaktors Philipp Dahm.

  • 8.40 Uhr

    Ehemalige Deutsche Soldaten traumatisiert

    Auch die Evakuierungsaktion der deutschen Bundeswehr läuft weiter. In der Nacht zu Samstag hoben in Kabul erneut mehrere Militärmaschinen vom Typ A400M ab, um Schutzbedürftige in die usbekische Hauptstadt Taschkent auszufliegen, wie die Bundeswehr auf Twitter schrieb.

    Die Machtübernahme der Taliban geht auch an vielen Bundeswehr-Soldaten, die am Hindukusch im Einsatz waren, nicht spurlos vorbei. «Die dramatischen Ereignisse in Afghanistan haben bei etlichen Veteraninnen und Veteranen zu einer Retraumatisierung geführt», sagte der stellvertretende Vorsitzende des Bundes Deutscher Einsatzveteranen, David Hallbauer, den Zeitungen der Funke Mediengruppe.

    Viele frühere Soldatinnen und Soldaten stellten die Sinnfrage, sagte Hallbauer. «Sie haben den Eindruck, dass ihr monatelanger, harter Einsatz – oft unter Todesangst – letztlich vergebens war, und Erfolge aus 20 Jahren Afghanistan-Einsatz jetzt von den Taliban mit einem Schlag zunichte gemacht werden.»

  • 8.32 Uhr

    Lage in Kabul bleibt chaotisch

    Rund um den Flughafen herrschen seit der Machtübernahme der Taliban chaotische Zustände, die Lage ist extrem gefährlich. Auch zwei Deutsche wurden in der Nähe des Geländes verletzt. Einer der beiden wurde bereits ins usbekische Taschkent ausgeflogen. Der andere war transportfähig, hielt sich aber am Freitagabend nach Angaben des Auswärtigen Amts weiterhin in Kabul auf.

    Rund um den Flughafen herrschen seit der Machtübernahme der Taliban chaotische Zustände.
    Rund um den Flughafen herrschen seit der Machtübernahme der Taliban chaotische Zustände.
    Bild: Keystone

    Um das gefährliche Gedränge vor den Einlasspunkten zu umgehen, sollen US-Medienberichten zufolge 169 Amerikaner mit Helikoptern aus einem Hotel in unmittelbarer Nähe zum Flughafen gebracht worden sein. Doch selbst dort mussten Tausende Menschen weiter ausharren, weil die Evakuierungsflüge zwischenzeitlich gestoppt worden waren.

    Grund dafür war nach Angaben des US-Verteidigungsministeriums, dass es in Katar keine Kapazität mehr gegeben habe, die Ankunft und Weiterreise weiterer Reisender abzuwickeln. Deshalb versuchen die USA weitere Länder dafür zu gewinnen, aus Afghanistan ausgeflogene Menschen vorübergehend aufzunehmen und eine sichere Durchreise zu organisieren.

    Die Bundesregierung hatte mit den USA vereinbart, dass deren Truppen den US-Militärstützpunkt im pfälzischen Ramstein als Drehkreuz für die Evakuierungsflüge nutzen können. Erste Flüge seien dort bereits gelandet, sagte ein Sprecher des US-Aussenministeriums.

    Es seien Hunderte Menschen verschiedener Nationalitäten angekommen, darunter auch afghanische Staatsangehörige, sagte eine ranghohe Militärvertreterin dem Sender CNN. Ramstein sei aber nur eine Zwischenstation – eine langfristige Unterbringung sei nicht geplant.

  • 8.30 Uhr

    Biden setzt Taliban unter Druck

    US-Präsident Joe Biden will die Taliban unter Druck setzen und Hilfen für Afghanistan während ihrer Herrschaft an «harte Bedingungen» knüpfen. So werde man genau verfolgen, wie die Islamisten ihre Landsleute und dabei speziell Frauen und Mädchen behandeln, sagte Biden in einer Ansprache am Freitag (Ortszeit).

    Die USA würden sich mit ihren Verbündeten abstimmen, um auf die Taliban internationalen Druck auszuüben. Zugleich sei es auch im Interesse der Islamisten, die Afghanen nicht gegen sich aufzubringen. «Sie versuchen, eine gewisse Legitimität zu gewinnen. Sie werden einen Weg finden müssen, wie sie das Land zusammenhalten.»

    Biden zufolge stehen die USA in Kontakt mit den Taliban, um den Zugang zum Flughafen der Hauptstadt Kabul zu gewährleisten. Sollten die Islamisten die Evakuierungsaktionen stören oder US-Truppen angreifen, werde es eine «starke Reaktion» geben, drohte er.

    Zwar würden US-Amerikaner an Checkpoints zum Flughafengelände nicht aufgehalten. Allerdings sei die Situation rund um den Flughafen eine andere. Bis man es dorthin geschafft habe, gelte «das Überleben des Stärkeren», schilderte CNN-Reporterin Clarissa Ward, die bis zuletzt zu den wenigen ausländischen Journalisten vor Ort zählte und am Freitag ebenfalls ausgeflogen wurde.