Kampf gegen illegale Goldminen Bolsonaro stört Schattenwirtschaft nicht

Von Sam Cowie und David Biller, AP

12.1.2022 - 23:55

Goldgeschäfte säumen eine Strasse in Boa Vista im brasilianischen Bundesstaat Roraima.
Goldgeschäfte säumen eine Strasse in Boa Vista im brasilianischen Bundesstaat Roraima.
Bild: AP Photo/Andre Penner

Abbau von Gold ist in Brasiliens Staat Roraima schon lange ein Problem. Stark gestiegene Goldpreise haben es in jüngster Zeit nochmals verschärft. Die Behörden versuchen jetzt durchzugreifen. Präsident Bolsonaro macht nur halbherzig mit.

DPA, Von Sam Cowie und David Biller, AP

In der sengenden Sonne am Amazonas inspizieren Beamte den Rumpf eines schwarzen Helikopters. In der Nähe, im Hinterhof des Hauptquartiers der Bundespolizei in Boa Vista, stehen mehr als 20 Flugzeuge, alle beschlagnahmt. Einige sind beschädigt, offensichtlich bei einem Absturz, die Cockpits verbeult, die Tragflächen abgebrochen. In anderen fehlen Passagiersitze, man hat sie abmontiert, damit sich mehr Leute an Bord unterbringen lassen und zusätzliche Motoren, Treibstoff, Essen und andere Fracht.

Die Flugzeuge werden zur Unterstützung des Goldbergbaus in entlegenen indigenen Schutzgebieten im brasilianischen Bundesstaat Roraima eingesetzt, so in Yanomami, dem grössten im Land. Die Förderung des kostbaren Metalls ist in Roraima zwar strikt verboten, aber trotzdem blüht und gedeiht sie. Umweltaktivisten und Gruppen, die für die Rechte der indigenen Bevölkerung kämpfen, schätzen, dass in dem Reservat – ungefähr so gross wie Portugal – rund 20'000 Bergarbeiter illegal im Einsatz sind. Regierungsbeamte sprechen von um die 3500. 

«Wir können ableiten, dass eine Menge Geld involviert ist»

Die Behörden versuchen jetzt verstärkt, diese Schattenwirtschaft auszurotten. «Wir haben im vergangenen Jahr die Logistik des illegalen Goldabbaus ins Visier genommen», sagte der Chef der Polizei von Roraima, José Roberto Peres, der Nachrichtenagentur AP in einem Interview im November. «Dies sind teure Maschinen, wir können daraus ableiten, dass eine Menge Geld involviert ist.»

Von den Behörden beschlagnahmte Flugzeuge.
Von den Behörden beschlagnahmte Flugzeuge.
Bild: AP Photo/Andre Penner

Hat die Polizei ihre Bemühungen verstärkt, für die illegalen Aktivitäten eingesetzte Flugzeuge zu identifizieren und einzuziehen, ist es oft schwierig, die Besitzer ausfindig zu machen. Denn die Maschinen sind zumeist unter den Namen von Verwandten, Ehepartnern oder Arbeitern registriert, die sich weigern, die wahren Eigentümer zu benennen. Diese sind in der Regel Angehörige örtlicher Eliten, die ihr Geld in Hotels, Restaurants, Fitnesszentren und Tankstellen in Boa Vista waschen, wie Polizeivertreter schildern.

Jair Bolsonaro will Goldabbau legalisieren

Ist die illegale Goldförderung seit Langem ein Problem, hat es sich in den vergangenen Jahren noch deutlich verschärft. Tausende Bergleute sind in das Yanomami-Gebiet geströmt, angelockt durch hohe Goldpreise und ermutigt durch verringerte Kontrollen der Behörden sowie der Haltung von Rechtsaussen-Präsident Jair Bolsonaro: Er tritt für neue Gesetze ein, die den Goldabbau in Schutzgebieten legal machen würden.

Eine AP-Untersuchung unter Einschluss von Gesprächen mit Staatsanwaltschaften, Angehörigen der Bundespolizei und Branchen-Insidern zeigt, dass die ungenehmigten Flugzeuge so etwas wie das Rückgrat dieser illegalen Aktivitäten in Roraima sind. Unlängst trafen Dutzende Piloten aus anderen Staaten in Boa Vista ein, auf der Suche nach Arbeit in Zeiten schwerer wirtschaftlicher Probleme im Land – und einem gleichzeitigen Anstieg der Goldpreise gepaart mit weniger Inspektionen wegen der Corona-Pandemie.

Das Geld, das winkt, ist für die Piloten die Risiken wert, die sie eingehen: eine mögliche Festnahme etwa oder die Gefahr, sich in der unberührten Weite des Amazonas-Gebietes zu verirren. Im vergangenen Jahr stürzte ein Pilot ab, schlug sich fünf Wochen alleine durch und verlor dabei rund 25 Kilogramm an Gewicht. Ein anderer verschwand auf dem Flug zwischen zwei Regionen des Yanomami-Territoriums, die für illegalen Goldabbau bekannt sind. Örtliche Medien haben wiederholt über verschollene Piloten berichtet.

Kleinere Flugzeuge werden häufig für längere Strecken eingesetzt, für die Beförderung von Vorräten in das Yanomami-Gebiet und den Transport von illegal abgebautem Gold aus der Region, die an Venezuela angrenzt. Helikopter dienen zumeist der internen Logistik, fliegen innerhalb des Reservats zwischen den Minen hin und her. Sie können, wenn nötig, schnell über die Grenze verschwinden und damit der brasilianischen Polizei entkommen. Ein anderes Problem für die Strafverfolgungsbehörden ist, dass die Piloten oft niedrig fliegen, um nicht vom Radar entdeckt zu werden. 

Auch manche ansonsten legitime Firmen sind in die kriminellen Geschäfte verwickelt. Und eine ganze Reihe von verschiedenen Bundesstellen versucht, ihnen einen Riegel vorzuschieben. So ermittelt Brasiliens Behörde für zivile Luftfahrt gegen ein Lufttaxi-Unternehmen, das Aufträge von der Regierung zur Beförderung von indigenen Patienten und medizinischer Ausrüstung erhalten hatte. Untersucht wird, ob es die Flugzeuge auch zum Transport von Goldsuchern und Ausrüstung verwendet hat.

Die Behörden haben auch umgerechnet 1,5 Millionen Euro an Vermögenswerten einer Gruppe eingefroren, die im Verdacht logistischer Unterstützung illegaler Goldbergbau-Projekte steht. 

Auch Brasiliens Umweltregulierungsbehörde geht verstärkt gegen die illegalen Operationen vor. So wurden im vergangenen September 59 geheime Flugpisten, fünf Helikopter-Landeplätze und drei Fluss-Anlegestellen für Boote im Yanomami-Reservat geschlossen. Die Behörde beschlagnahmte ausserdem elf Flugzeuge, acht Fahrzeuge und drei Traktoren.

Flugzeuge im Regenwald versteckt

Mehr als 300 von Polizeibeamten erstellte Videos – Teil eines von der AP eingesehenen Untersuchungsberichts – zeigen unter Gebüsch und Abdeckplanen versteckte Flugzeuge und im dichten Dschungel verborgene Treibstoffvorräte. In vielen von Helikoptern aus aufgenommenen Videos sind Menschen zu sehen, die in Autos, auf Motorrädern oder in kleinen Booten fliehen.

Alisson Marugal, ein Bundesanwalt, steht in seinem Büro in Boa Vista neben einer Landkarte des Yanomami-Reservats und zeigt auf dessen Grenze. Hier, so sagt er, seien «viele weitere» illegale Landepisten, zumeist auf privaten Grundstücken wie Bauernhöfen. Die illegalen Minen im Reservat hätten einen grossen Bedarf an Versorgungsgütern wie Essen und Treibstoff, sagt Marugal. Und «solch ein Bedarf garantiert fast immer, dass es willige Lieferanten gibt».