Brasilien Bolsonaro auf Tauchstation, seine Anhänger auf den Barrikaden

dpa

1.11.2022 - 04:44

Brasilien vor Machtwechsel

Brasilien vor Machtwechsel

STORY: Aus Protest gegen die Wahlniederlage des Präsidenten Jair Bolsonaro haben brasilianische Lastwagenfahrer am Montagmorgen Autobahnen im Süden des Landes blockiert. Die Bolsonaro-Anhänger verbrannten Reifen auf einer Autobahn-Zufahrt im Bundesstaat Mato Grosso, der für seine Getreideproduktion bekannt ist. Während sich hingegen viele Einwohner in Sao Paulo am Montagfrüh zufrieden über den Ausgang der Wahl äusserten: «Ich denke, dass es ein gutes Ergebnis ist und die Interesse aller Brasilianer widerspiegelt. Auch wenn das Ergebnis sehr knapp und fast 50:50 war. Ich hoffe, dass es in Brasilien jetzt wieder Frieden geben wird.» «Ich bin glücklich über Lulas Sieg. Und hoffe, dass er all das macht, was Bolsonaro in 4 Jahren nicht gemacht hat. Ich hoffe, dass Lula die Dinge verbessert, zumindest ein bisschen. Vielleicht macht er keine riesigen Veränderungen, aber eventuell bekommt er ein paar Dinge besser hin.» Laut dem Obersten Wahlgericht in Brasilien hat Lula da Silva am Sonntag 50,9 % der Stimmen erhalten, während Jair Bolsonaro 49,1 % erhielt. Die Amtseinführung Lulas ist für den 1. Januar geplant. Daher wird nun mit grosser Anspannung auf die kommenden Wochen geschaut. Und darauf, wie Bolsonaro und seine Anhänger mit der jüngsten Niederlage umgehen werden.

01.11.2022

Auch einen Tag nach dem Sieg seines Herausforderers Lula hüllt sich Brasiliens rechter Staatschef noch in Schweigen. Schon vor der Wahl gab es die Befürchtung, Bolsonaro könne das Ergebnis nicht anerkennen und das grösste Land Lateinamerikas damit in eine Krise stürzen.

1.11.2022 - 04:44

Nach seiner Niederlage bei der Präsidentenwahl in Brasilien ist Staatschef Jair Bolsonaro abgetaucht. Am Montag (Ortszeit) zeigte sich der amtierende Präsidenten weder in der Öffentlichkeit, noch äusserte er sich zu dem knappen Wahlsieg seines Herausforderers Luiz Inácio Lula da Silva. Medienberichten zufolge verbrachte er den Morgen in seiner Residenz in Brasília und fuhr dann zu Gesprächen in den Amtssitz des Präsidenten. Demnach versuchten mehrere Minister und Berater ihn davon zu überzeugen, seine Niederlage einzuräumen.

Lastwagenfahrer protestieren auf einer Autobahn gegen das Ergebnis der Präsidentenwahl.
Lastwagenfahrer protestieren auf einer Autobahn gegen das Ergebnis der Präsidentenwahl.
Bild: Keystone/ZUMA Press Wire/Igor Do Vale

Bei der Stichwahl am Sonntag hatte Lula 50,9 Prozent der Stimmen erhalten, der rechte Amtsinhaber kam nach Angaben des Wahlamtes auf 49,1 Prozent. Bolsonaro hatte bereits vor der Abstimmung immer wieder Zweifel am Wahlsystem gestreut und angedeutet, das Ergebnis möglicherweise nicht anzuerkennen.

Anhänger des abgewählten Präsidenten Jair Bolsonaro blockieren am Montag aus Protest gegen seine Wahlniederlage Strassen in Brasilien.
Anhänger des abgewählten Präsidenten Jair Bolsonaro blockieren am Montag aus Protest gegen seine Wahlniederlage Strassen in Brasilien.
Bild: Keystone/EPA/Andre Coelho

Die befürchteten Gewaltausbrüche blieben zunächst zwar aus, allerdings blockierten am Montag Fernfahrer im ganzen Land Hunderte Strassen, um gegen den Wahlsieg Lulas zu protestieren. Der Präsident des Obersten Wahlgerichts, Alexandre de Moraes, wies die Polizei daraufhin an, die Blockaden zu beenden.

Regierungswechsel ohne Bolsonaros Mithilfe

Zumindest mehrere seiner Verbündeten, darunter der mächtige Parlamentspräsident Artur Lira, erkannten Bolsonaros Niederlage an. Auch US-Präsident Joe Biden oder der französische Präsident Emmanuel Macron, der deutsche Kanzler Olaf Scholz (SPD), die deutsche Aussenministerin Annalena Baerbock (Grüne) und der deutsche Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier  gratulierten Lula bereits zu dessen Sieg.

Argentiniens Präsident Alberto Fernández reiste sogar gleich am Montag in das Nachbarland, um Lula persönlich zu beglückwünschen. Die beiden Männer trafen sich in einem Hotel in São Paulo und umarmten sich, wie am Montag in einem von Fernández auf Twitter veröffentlichten Video zu sehen war. «Meine ganze Liebe, Bewunderung und Achtung, lieber Genosse», schrieb der argentinische Staatschef.

Lulas Team bereitete sich unterdessen bereits auf einen Regierungswechsel ohne die Mithilfe des amtierenden Staatschefs vor. «Ich hoffe, dass zum Wohle Brasiliens und des brasilianischen Volkes Normalität Einzug halten wird. Wenn der Präsident, wenn Jair Bolsonaro nicht teilnehmen möchte, ok», sagte die Vorsitzende von Lulas Arbeiterpartei (PT) und Leiterin der Wahlkampagne, Gleisi Hoffmann, am Montag im Fernsehsender Globo News.

Telefonate mit Bolsonaro-Verbündeten

Zumindest auf der Arbeitsebene gab es erste Kontakte. So sprachen Medienberichten zufolge der Kommunikationschef von Lulas Wahlkampagne, Edinho Silva, am Montag mit Bolsonaros Kabinettschef Ciro Nogueira. Zudem telefonierte Lulas künftiger Vize-Präsident Geraldo Alckmin mit Bolsonaros Stellvertreter Hamilton Mourão.

«Der Regierungswechsel ist gesetzlich geregelt. Das ermöglicht uns, die Machtübergabe zu vollziehen, unabhängig von der Beteiligung des Präsidenten», sagte PT-Chefin Hoffmann. Lula wird am 1. Januar 2023 sein Amt antreten.

dpa