Die Impfpflicht in Österreich wird am 1. Februar starten. Nach der Vorstellung des Gesetzesentwurfs sind Gegner wie Befürworter unzufrieden. Wird die Impfpflicht zur «österreichischen Lösung»?
Bundeskanzler Karl Nehammer — frisch genesen von einer Erkrankung mit der Omikron-Variante — gab sich bei der Medienkonferenz grosse Mühe, das Wörtchen «Pflicht» nicht allzu oft in den Mund zu nehmen. Letztlich gehe es um Freiheit, die man durch das Gesetz wieder erlangen könne, sagte Nehammer.
Und um auch den letzten Zweifel zu nehmen, worum es eigentlich geht, fügte er hinzu: Wer der Politik misstraue — «und das kann man niemandem verübeln» — könne eine Ärztin oder einen Arzt fragen.
Richtig los geht es erst im März
Die Regierung hat sich selbst einen engen Zeitplan verordnet, dem sie schon zu Beginn hinterherhinkt. Der Gesetzesentwurf kam mit Verspätung, dennoch soll es wie geplant am 1. Februar losgehen. Gestern Montag passierte das Gesetz bereits den Gesundheitsausschuss. Voraussichtlich am Donnerstag soll es dann im Parlament beschlossen werden.
Die Impfpflicht wird von einer breiten Koalition aus Regierungs- und Oppositionsparteien getragen, lediglich die rechtspopulistische FPÖ lehnt das Gesetz kategorisch ab.
In Phase 1 werden zunächst alle österreichischen Haushalte über die Massnahme informiert, bis Mitte März sollen weder Kontrollen durchgeführt noch Bussen verhängt werden. Richtig losgehen soll es erst in der anschliessenden Phase 2. Dann wird die Weigerung, sich impfen zu lassen, zu einem sogenannten Kontrolldelikt.
Kontrollen bei jeder Amtshandlung
Kontrollen sollen bei jeder Amtshandlung der Polizei, etwa einer Verkehrskontrolle, durchgeführt werden. Neu im Gesetzesentwurf befindet sich Phase 3, die allerdings im besten Fall gar nicht erst eintreten soll und von Parlament beschlossen werden müsste.
Sie ist abhängig von der epidemiologischen Lage. Steigen die Spitaleintritte drastisch an, werden Erinnerungsschreiben mit Impftermin — und auch Strafverfügungen — automatisiert an Umgeimpfte verschickt. Noch immer unklar ist, ob es einen Abgleich zwischen dem Melde- und Impfregister kommen soll.
Bis zu 3750 Franken Busse
Eine Pflicht ohne Sanktionen ist wertlos. Deshalb waren diese im Vorfeld besonders umstritten. Die Regel soll ein abgekürztes Verfahren darstellen, bei dem eine Busse in Höhe von 600 Euro (rund 625 Franken) verhängt wird. Bei einem Einspruch kommt es zu einem ordentlichen Verfahren, bei dem die Bussen maximal 3600 Euro (rund 3750 Franken) betragen — abhängig von Einkommen und Vermögen.
Maximal viermal im Jahr kann die Busse ausgesprochen werden. Wer sich innert zwei Wochen nach Erhalt des Schreibens doch noch immunisieren lässt, muss die Busse nicht bezahlen. Am 31. Januar 2024 soll die Impfplicht in Österreich dann ausser Kraft treten.
Die Impfgegner von der FPÖ machen bereits seit Monaten gegen die Pflicht mobil. Auch einige Abgeordnete der Regierungskoalition haben aus verschiedenen Gründen bereits angekündigt, dem Gesetz nicht zuzustimmen.
Die eigentlichen Befürworter hatten sich zumeist mehr erhofft, das geflügelte Wort «österreichische Lösung» macht schon länger die Runde. Als solche bezeichnet man beim östlichen Nachbarn kurz gesagt einen Kompromiss, mit dem eigentlich keiner der Beteiligten so richtig zufrieden ist.
Ob auch die Impfpflicht in diese Kategorie fällt, wird sich zeigen müssen. Es deutet aber Manches darauf hin. Denn während es kaum erstaunt, dass radikale Impfgegner auch am Wochenende wieder demonstrierten, wird der Gesetzentwurf auch von der Gegenseite als «Impfpflicht light» bezeichnet, die zu harmlos daherkomme.
Denn die Pflicht wird nicht wie ursprünglich geplant schon ab 14, sondern erst ab 18 Jahren gelten. Expert*innen verweisen zudem darauf, dass auch die derzeitigen Corona-Massnahmen häufig an mangelnden Kontrollen scheitern würden.
Ab Mitte März soll die Polizei den Impfstatus bei jeder Amtshandlung prüfen. Deshalb laufen die Gewerkschaften Sturm gegen den Gesetzesentwurf und fordern, der Status solle von Beamten der Gesundheitsämter kontrolliert werden.
Verfassung könnte im Weg stehen
Als Hürde für die Impfpflicht könnte sich noch die Verfassung erweisen. Es besteht weitgehend Uneinigkeit darüber, ob die vielen Bestimmungen einer Überprüfung standhalten würden.
So zweifelten am Montag die Verfassungsjuristen Benjamin Kneihs von der Uni Salzburg sowie Peter Bußjäger aus Innsbruck im ORF die Verfassungsmässigkeit an. Im Zentrum steht sie Regelung zu den Bussen. Laut Kneihs sei es unzulässig, diese nach einem Einspruch zu erhöhen.
Über 100'000 Stellungnahmen
Dass sich das oberste Gericht mit der Impfpflicht wird befassen müssen, gilt als sicher. Auch auf die Verwaltungsgerichte dürfte lauf Jurist*innen eine Klagewelle zukommen.
Schon vor einer Woche hatte das sogenannte Begutachtungsverfahren zum Entwurf alle Rekorde gebrochen. Bis zum Ende der Frist gingen über 100'000 Stellungnahmen zur Impfpflicht ein, heisst es aus dem Parlament. Der Grossteil bestehe aus Einsprüchen von Privatpersonen — mit gleichlautenden Texten.