Zensur in China Er filmt die alltägliche Armut, das Video geht viral – dann wird es gelöscht

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4.5.2023

Eine chinesische Familie vor ihrem Mietshaus. (Archivbild)
Eine chinesische Familie vor ihrem Mietshaus. (Archivbild)
Bild: EPA / Wu Hong / Keystone

Ein Chinese filmt den Einkauf einer verarmten Rentnerin und landet damit einen viralen Hit. Dann schreitet die Regierung ein: Sie löscht das Video. Denn offiziell gibt es keine Armut mehr in der Volksrepublik.

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Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Die chinesische Regierung geht gegen im Internet kursierende Aufnahmen vor, die Szenen von Armut zeigen.
  • Zuletzt wurde das virale Video eines Chinesen gelöscht, der eine verarmte Rentnerin bei ihrem Einkauf begleitet hat.
  • Die Regierung unter Xi Jinping behauptet, den Kampf gegen Armut gewonnen zu haben.
  • Aufgrund der Stagnation der chinesischen Wirtschaft fürchtet der chinesische Mittelstand vielerorts um seine finanzielle Sicherheit. Dieser Furcht versucht der Staat mit seinen Zensurmassnahmen entgegenzuwirken.

Eigentlich wollte Hu Chenfeng nur mit ein paar selbst gedrehten Videos Geld im Internet verdienen. Doch das Vorhaben brachte ihm Ärger mit den chinesischen Behörden ein.

In einem seiner Videos begleitet Hu eine pensionierte Frau bei ihrem Einkauf. Gerade einmal 100 Yen stehen der 78-jährigen Rentnerin monatlich zur Verfügung, das sind umgerechnet nicht einmal 13 Franken.

Unter Tränen sagt sie, sie habe geplant, nur Reis zu kaufen, mehr könne sie sich kaum leisten. Sie kaufen dann etwas mehr: Reis, Eier, Schweinefleisch und Mehl. Am Ende besteht Hu darauf zu zahlen.

«China hat die Armut eliminiert»

Das Video wurde ein viraler Hit. Dann wurde es von der chinesischen Regierung aus den beiden grossen Videoplattformen des Landes entfernt, Hus Accounts wurden gelöscht. Auch eine Diskussion darüber, warum China keine Videoaufnahmen von armen Menschen zulässt, fiel der Schere der Behörden zu Opfer.

Zuvor hatte ein User die Frage so beantwortet: «Weil es theoretisch keine armen Menschen in China gibt. China hat die Armut eliminiert.» Auch andere Videoaufnahmen, die arme Menschen zeigen, sind von der Regierung gelöscht worden.

Das nämlich ist die offizielle Position der Regierung. 2021 erklärte Machthaber Xi Jinping, das Land habe «einen allumfassenden Sieg im Kampf gegen Armut» errungen. Darstellungen, die dieser Aussage widersprechen, werden unterdrückt – und arme Menschen von den Strassen grosser Städte entfernt.

Mittelstand in Sorge

Dass das Video so viel Aufmerksamkeit auf sich zog, könnte, wie die «New York Times» schreibt, auch daran liegen, dass die ökonomische Blütezeit Chinas zu einem Halt gekommen ist: Die Wirtschaft stagniert und viele, die vom Wirtschaftswachstum profitiert haben, fürchten, wieder in die Armut zurückzufallen.

Massnahmen wie im Falle Hus oder wie bei der Zensur eines Popsongs des Künstlers Kong Yiji über Jugendarbeitslosigkeit könnten demnach nicht nur einer Beschönigung der Gegenwart dienen, sondern auch der Beseitigung von Zukunftsängsten, besonders in der Mittelschicht.

Denn das soziale Sicherheitsnetz Chinas bietet kaum Halt. Die Renten beispielsweise berechnen sich strikt nach dem Geburtsort einer Person. Speziell zwischen Menschen in den Städten und denen in den Provinzen gibt es eklatante Unterschiede in der Altersversorgung.

Ausserhalb Chinas sind Hus Videos indes weiterhin abrufbar.