ImageSüdafrika steht gut da – aber keiner will es glauben
Von Ralf E. Krüger, dpa
17.4.2021 - 15:12
Nach dem Fall der Apartheid am Kap hat sich Südafrika ein sympathisches Image aufgebaut. Touristen aus aller Welt strömten ins Land. Doch dann kamen mit Corona die Restriktionen. Nun hat das Land längst zur Normalität zurückgefunden – doch niemand mag es glauben.
Von Ralf E. Krüger, dpa
17.04.2021, 15:12
17.04.2021, 15:27
dpa
Der 19. Februar war ein grosser Tag für die Mediclinic in Südafrikas Touristenmetropole Kapstadt: «Zero Covid Patients today» hiess es auf grossen Transparenten – Heute null Covid-Patienten». Seit Monaten rutschen in Südafrika die Infektionszahlen auf neue Tiefststände – und der Trend hält an. Gerade mal 1372 Neuinfektionen und 73 Todesfälle gab es diesen Donnerstag, bei einer Bevölkerung von rund 60 Millionen Menschen. Zum Vergleich: Deutschland zählt weit über 20'000 Neuinfektionen pro Tag.
Dennoch gilt Südafrika aus deutscher Sicht weiter als Hochrisikoland und unterliegt damit strengen Einreisebeschränkungen, die auch den Tourismus am Kap ausbremsen. Dagegen macht sich nun zunehmend Unmut breit. Denn in dem Land hat das Leben fast wieder Normalität erreicht. Angesichts der konstant niedrigen Corona-Neuinfektionen werden daher Forderungen nach einer Lockerung der deutschen Reise-Restriktionen lauter. Tourismusministerin Mmamoloko Kubayi-Ngubane erklärte, dass ihr Ministerium deswegen bereits das Gespräch mit Staaten suche, die solch drastische Reiserestriktionen erlassen hätten.
Dabei entsprechen die 4,4 Millionen Infektionen, die seit Ausbruch der Pandemie in ganz Afrika bisher dokumentiert wurden, global gesehen gerade mal einem Anteil von 3,3 Prozent. Rund 117'000 Menschen starben laut der panafrikanischen Gesundheitsorganisation Africa CDC bisher an den Folgen der Infektion. Auch wenn nach Ansicht von Experten die Dunkelziffer höher liegen könnte, so ist der gesamte afrikanische Kontinent im globalen Vergleich am wenigsten betroffen.
«Dass der afrikanische Kontinent bislang besser durch die Corona-Krise kam als erwartet, hat auch Fachleute überrascht; die Ansteckungszahlen blieben deutlich unter den Prognosen», heisst es auch in einer Studie des Afrika-Zentrums der Hochschule Flensburg. Auch der wirtschaftliche Einbruch halte sich noch in Grenzen. «Etwas mehr als zwei Prozent betrug der Einbruch des Bruttoinlandsprodukts (BIP) im vergangenen Jahr; der Rückgang des BIP in Europa lag dagegen bei sieben Prozent», heisst es in der Studie. Zentrumsdirektor Kay Pfaffenberger sagt: «Wir gehen daher davon aus, dass spätestens im kommenden Jahr das Vorkrisenniveau wieder erreicht sein wird.»
Warum nun dieser Imageschaden? Man traut den Afrikanern kaum zu, dass sie effizient mit der Pandemie umgehen können und zweifelt ihre Angaben an, meint die Frankfurter Unternehmerin Hanna Kleber, deren PR-Firma Südafrikas Tourismusindustrie beraten hat. «Die Glaubwürdigkeit Südafrikas wird leider stets infrage gestellt: man glaubt der Regierung dort kaum, dass sie seriös testen kann», sagt sie.
Seit Beginn der Pandemie wurden in dem am stärksten betroffenen Land Afrikas knapp 1,6 Millionen Infektionen registriert, rund 53'500 Menschen starben an den Folgen. Doch sank die Zahl der Neuinfektionen zuletzt drastisch. Die Heilungsquote liegt bei über 95 Prozent, die Regierung hob daher die meisten Restriktionen auf. Selbst das Risiko einer drohenden dritten Welle in Südafrika wurde in einem Modell der Johannesburger Witwatersrand-Universität grade als gering eingestuft. «Der Tourismus ist eine der Industrien, die von der Covid-19-Pandemie am schwersten getroffen wurde», sagte Südafrikas Präsident Cyril Ramaphosa vor kurzem in seiner Rede an die Nation.
Dabei stellt die Tourismusindustrie mit rund neun Prozent Anteil am Bruttoinlandsprodukt eine wichtige Wirtschaftsstütze dar und sicherte vor Corona-Zeiten Hunderttausenden Südafrikanern ein Einkommen. Auch bei der grossen Reisemesse «Africa Travel Weeks» Anfang April in Kapstadt seien die Beschränkungen ein grosses Thema gewesen, sagt die südafrikanische Tourismusexpertin Natalia Rosa. «In mindestens acht der Diskussionsforen wurde der schlechte Ruf thematisiert», sagt sie und betont: «Afro-Pessimusmus ist ein Problem.»
Südafrika habe ungerechtfertigt ein Image-Problem – obwohl es bei der Pandemie vergleichsweise gut da stehe. Besonders schlecht für das Image sei der Name «südafrikanische Variante». «Viren-Mutationen gibt es immer wieder; aber wenn das in New York oder irgendwo in Deutschland entdeckt wird, spricht niemand von einer New Yorker oder deutschen Variante», meint Rosa. Auch die Tourismusministerin bestätigt in einem Interview: «Das hat die Marke Südafrika ziemlich beschädigt.» Südafrika hat seit August 2020 seine Grenzen geöffnet – doch der internationale Tourismus bricht weg. Viele Lodgebesitzer können Schulden oder Fixkosten nicht mehr decken.
Die Lufthansa hat ihr Flugangebot von und nach Südafrika aufgestockt, nachdem sie es zu Jahresbeginn aufgrund von Einschränkungen beim Reiseverkehr wegen einer neuen Coronavirus-Variante reduziert hatte. Wegen dieser ansteckenderen Variante stufte die Bundesregierung Südafrika als Corona-Risikogebiet mit besonders gefährlichen Virusmutationen ein. Aus Sicht des am Kap wohnenden Deutschen Franz-Josef Link (59) ist das Unfug. Er brachte daher eine Online-Petition auf den Weg mit der Forderung, Südafrika von der Restriktionsliste zu streichen. «Ich hatte sie am (vergangenen) Samstag gestartet», sagte der aus Aschaffenburg stammende Link. Innerhalb kurzer Zeit fand er Hunderte Unterstützer.