Atom-U-Boote in Ostsee und Pazifik Das steckt hinter Russlands Hightechwaffen

Von Herbert Aichinger

23.7.2022

Das Atom-U-Boot TK-208 Dmitry Donskoy, hier bei einer Parade nahe St. Petersburg, gehört zu den grössten russischen U-Booten. 
Das Atom-U-Boot TK-208 Dmitry Donskoy, hier bei einer Parade nahe St. Petersburg, gehört zu den grössten russischen U-Booten. 
Archivbild: Igor Russak/NurPhoto via Getty Images

Russische Atom-U-Boote kreuzen in Ostsee und Pazifik. Manche Experten sprechen von der grössten Gefahr für die NATO. Was hat es mit Putins geheimen Waffen auf sich?

Von Herbert Aichinger

23.7.2022

Geheime Operationen mit U-Booten gehörten schon immer zu den Strategien des Kreml, um Nachbarstaaten oder die westlichen Alliierten zu verunsichern. Und angesichts des bevorstehenden NATO-Beitritts von Finnland und Schweden lässt Russland in der Ostsee die Muskeln spielen.

Am vergangenen Dienstag war mit der Severodvinsk eines der modernsten russischen Atom-U-Boote im Fehmarn-Belt der Ostsee unterwegs – eskortiert von zwei Schiffen. Ziel war St. Petersburg. Dort soll das U-Boot Wladimir Putin Ende Juli zum «Tag der Marine» präsentiert werden.

2010 lief das russische Atom-U-Boot Severodvinsk vom Stapel. Zuletzt kreuzte das Schiff in der Ostsee. 
2010 lief das russische Atom-U-Boot Severodvinsk vom Stapel. Zuletzt kreuzte das Schiff in der Ostsee. 
Archivbild: Sasha Mordovets/Getty Images

Die dänische Marine hat die Verlegung des U-Boots der Yasen-Klasse verfolgt und begleitet. Die Severodvinsk ist etwa 130 m lang und gehört zur Nordmeerflotte. Das U-Boot soll für die unterschiedlichsten Kampfeinsätze ausgelegt sein und hat im Weissen Meer bereits erfolgreich einen Marschflugkörper vom Typ Zirkon gezündet haben.

Ein deutliches Signal an die NATO

«Die Bewaffnung besteht aus weitreichenden Flugkörpern, die mit einem Schlag fast alle Nachschubhäfen der NATO in Nordeuropa angreifen kann», sagt Johannes Peters den «Kieler Nachrichten». Der Abteilungsleiter Maritime Strategie und Sicherheit am Institut für Sicherheitspolitik an der Universität Kiel betont, dass die Verlegung der Severodvinsk zur Parade in St. Petersburg ein deutliches Signal an die NATO sei.

Der Bau begann bereits 1993, die ersten Probefahrten wurden aufgrund von Budgetproblemen jedoch erst 2011 durchgeführt. U-Boote dieses Typs werden im Ukraine-Krieg im Schwarzen Meer eingesetzt, um beispielsweise Ziele in Odessa anzugreifen.

Russische Hightechwaffe im Pazifik

Etwa zur selben Zeit, in der sich die Severodvinsk in der Ostsee auf die Reise nach St. Petersburg begab, wurde nach 20 Jahren Entwicklungs- und Bauzeit mit der «Belgorod» ein weiteres Super-U-Boot der russischen Marine übergeben. Es handelt sich dabei mit einer Länge von 184 Metern um das grösste U-Boot der Welt.

Ursprünglich als U-Boot der Oscar-II-Klasse geplant, wurde die Belgorod schliesslich noch einmal vergrössert und verstärkt nunmehr die russische Pazifik-Flotte. Zwei OK-650-V-Reaktoren treiben das 30'000 Tonnen schwere Schiff an.

Die Belgorod trägt selbst keine strategischen Atomraketen, dient aber als Dock für Unterwasserfahrzeuge wie U-Boote der Paltus- und Losharik-Klasse mit einer Länge von bis zu 70 Metern. Diese können in grosser Tiefe Bojen aussetzen, um den Schiffsverkehr zu überwachen, oder auch gezielt Sprengladungen zu platzieren – etwa um in der westlichen Welt Internet-Verbindungen lahmzulegen. Am Schiffsbauch kann ferner das autonome Unterwasserfahrzeug Harpsichord 2P-PM andocken.

Nuklearer Tsunami

Die grösste Gefahr geht jedoch von den neuartigen Poseidon-Torpedos aus: Die Belgorod kann bis zu sechs dieser mehr als 20 Meter langen Geschosse transportieren, die jeweils einen thermonuklearen Sprengkopf tragen.

Belgorod und die Poseidon-Torpedos scheinen als Drittschlagwaffe für einen Atomkrieg konzipiert zu sein. Sie können einen massiven nuklearen Tsunami auslösen, der nicht nur Küstenregionen, sondern auch das Hinterland radioaktiv verseucht. Die Belgorod sollte schon 2020 der Marine übergeben werden. Die Corona-Epidemie verzögerte die Fertigstellung jedoch.