«Friendly Fire»? Russland verliert A-50: «Das ist ein riesiger Verlust»

Von Philipp Dahm

26.2.2024

Eine A-50 fliegt im Juni 2020 über Moskau: Russland hat am 23. Februar ein weiteres Exemplar des Frühwarnflugzeugs verloren.
Eine A-50 fliegt im Juni 2020 über Moskau: Russland hat am 23. Februar ein weiteres Exemplar des Frühwarnflugzeugs verloren.
EPA

Der Verlust eines weiteren Frühwarnflugzeugs vom Typ A-50 stellt den Kreml vor Probleme: Sollte Moskau weitere Exemplare verlieren, fehlt Russland auf dem Schlachtfeld der Durchblick.

Von Philipp Dahm

26.2.2024

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Am 23. Februar ist erneut ein russisches Frühwarnflugzeug vom Typ A-50 abgestürzt, nachdem erst im Januar ein Exemplar zu Boden gegangen war.
  • Moskau spricht von «Friendly Fire» als Ursache – wie bei 75 Prozent aller russischen Abstürze.
  • Zur Ursache gibt es weitere Thesen. Denkbar ist, dass Kiew eine umgebaute S-200 für den Abschuss genutzt hat.
  • Die A-50 ist für Russlands Militär enorm wichtig, um die Radarlücke auf der Krim zu schliessen und Ziele in der Ukraine zu markieren.

Die ukrainischen Streitkräfte haben es getan. Schon wieder. Erst am 14. Januar ist es ihnen gelungen, über dem Asowschen Meer ein russisches Aufklärungsflugzeug abzuschiessen. Und nun ist erneut eine A-50 vom Himmel gefallen: Der Absturz am 23. Februar ist ein herber Schlag für Moskau.

Mit der A-50U kann der Kreml tief in den ukrainischen Luftraum hineingucken: Gegnerische Flugzeuge können in bis zu 600 Kilometer und Bodenziele in bis zu 300 Kilometer Entfernung gesichtet werden. Das russische AWACS-Flugzeug ist nicht gerade billig: Der Wert wird mit 350 Millionen Dollar taxiert.

Im Gegensatz zum Vorfall im Januar flog die A-50 diesmal näher am russischen Kernland – und dennoch ging sie zu Boden, wobei zehn Besatzungsmitglieder ums Leben gekommen sein sollen. Es handelt sich um Experten für Radar- und Luftaufklärung, die nicht ohne Weiteres ersetzt werden können.

Eines ist den beiden Abstürzen gemein: Moskau behauptet jeweils, die eigene Luftabwehr hätte die Flugzeuge abgeschossen. Während im Januar wahrscheinlich eine Patriot-Flugabwehr für den Crash verantwortlich war, scheint auch im aktuellen Fall «Friendly Fire» eher unwahrscheinlich.

75 Prozent der Abschüsse sind laut Kreml «Friendly Fire»

Nach russischer Darstellung war die eigene Luftabwehr am 23. Februar damit beschäftigt, zwei Raketen abzufangen, die angeblich aus der Ukraine abgefeuert worden waren. Dabei sollen sie versehentlich die A-50 erwischt haben. Angesichts der Grösse des Frühwarnflugzeugs, seiner Flughöhe und Geschwindigkeit wirkt das aber unrealistisch.

Russland stehen je nach Quelle noch sechs bis zehn Exemplare der A-50 zur Verfügung.
Russland stehen je nach Quelle noch sechs bis zehn Exemplare der A-50 zur Verfügung.
Commons/IRONHIDE – VVO_0724

Immerhin versorgt die A-50 die eigene Luftabwehr mit Koordinaten. Zudem soll sie sich vom russischen Territorium entfernt haben, was weiter gegen diese Möglichkeit spricht. Nicht zuletzt hat der Kreml bei 75 Prozent aller Flugzeugverluste behauptet, es habe sich um «Friendly Fire» gehandelt.

Ein Patriot-Treffer ist wegen der Entfernung aber auch unwahrscheinlich: Der Absturz erfolgte rund 250 Kilometer von der Frontlinie entfernt. Es bleiben zwei Szenarien als Ursache: Entweder ukrainische Spezialeinheiten operieren auf russischem Boden und nutzen schultergestützte Flugabwehrraketen – oder eine Waffe wurde modifiziert, um auf lange Strecken wirken zu können.

Traf eine umgebaute S-200 die A-50?

Es geht dabei um die ukrainische S-200: Die Sowjetunion hat die Boden-Luft-Rakete, die Ziele in bis zu 300 Kilometer Entfernung bekämpfen kann, bereits in den 70ern entwickelt. Angeblich wurde jedoch einige Exemplare von Kiews Experten modernisiert – und haben nur noch die Hülle mit dem Original gemein.

Eine S-200V im militärhistorischen Museum der Luftwaffe der ukrainischen Streitkräfte in Winnyzja.
Eine S-200V im militärhistorischen Museum der Luftwaffe der ukrainischen Streitkräfte in Winnyzja.
Commons/George Chernilevsky

Wie auch immer die A-50 vom Himmel geholt wurde: Der Verlust wird für Russland zum Problem. Moskau braucht die Flieger dringend, um den Luftraum zu überwachen, nachdem ukrainische Streitkräfte systematisch Lücken in die Luftabwehr auf der Krim gerissen haben.

Wladimir Putins Problem: Die A-50 ist im eigenen Arsenal inzwischen rar geworden – und sie kann wegen der Sanktionen derzeit nicht neu gebaut werden. «Sie haben nur noch sechs [dieser] Flugzeuge übrig», sagt Kyrylo Budanow, der Direktor des ukrainischen Militärnachrichtendiensts, am 25. Februar beim Kiewer Forum Ukraine Year 2024.

Das Satellitenbild vom 28. Februar 2023 zeigt eine A-50, die zwei Tage zuvor von Partisanen auf einem Militärstützpunkt nahe Minsk in Belarus beschädigt wurde.
Das Satellitenbild vom 28. Februar 2023 zeigt eine A-50, die zwei Tage zuvor von Partisanen auf einem Militärstützpunkt nahe Minsk in Belarus beschädigt wurde.
AP

Und weiter: «Wenn eine weitere A-50 ‹fällt›, muss der Rund-um-die-Uhr-Betrieb eingestellt werden.» Ein anonymer Experte spricht dagegen bei der «New Voice of Ukraine» von zehn A-50, die Moskau noch verbleiben. Doch auch der Fachmann sagt: Ohne das Flugzeug könne Russland keine Luft- und Bodenziele erkennen. «Das ist ein riesiger Verlust für Russland.»