«Park Hotel» Flüchtende hoffen, dass Djokovic der Welt von ihrer Unterkunft erzählt

Von Maximilian Haase

7.1.2022

Iranischer Flüchtling im Quarantäne-Hotel: «Novak, du bist nicht alleine»

Iranischer Flüchtling im Quarantäne-Hotel: «Novak, du bist nicht alleine»

Im Hotel, in dem der Weltrangliste-Erste Novak Djokovic auf das Gerichtsurteil am Montag wartet, sind zahlreiche Flüchtlinge einquartiert. Sie leben dort teilweise seit Monaten unter unzumutbaren Bedingungen.

07.01.2022

Nach dem Eklat um seine Einreise nach Australien soll Tennisstar Novak Djokovic in einem Hotel für Asylsuchende ausharren. Viele Migranten beschweren sich über die Zustände dort. 

Von Maximilian Haase

Wie «im Gefängnis eingesperrt» worden sei sein Sohn nach der Landung in Australien, beklagte der Vater von Tennisstar Novak Djokovic bei einer Pressekonferenz. Weil der serbische Spieler keine Corona-Impfung nachweisen konnte, war sein Einreisevisum storniert worden, nun droht die Abschiebung. Seither soll er in einem Melbourner Hotel für Asylsuchende auf einen Gerichtstermin warten.

Die Debatte hat sich mittlerweile zu einem diplomatischen Eklat ausgeweitet; das serbische Aussenministerium bat gar den australischen Botschafter zu einem Gespräch über den «unangemessenen und unmenschlichen Umgang» mit dem Weltranglisten-Ersten. Immer wieder geht es in der Debatte auch um die Unterkunft, vor der sich demonstrierende Fans des Tennisstars versammelt haben.



Nach aktuellem Stand muss Djokovic, der in der Pandemie schon zuvor als Impfskeptiker Schlagzeilen gemacht hatte und mit einer medizinischen Ausnahmegenehmigung eingereist war, bis zur Gerichtsanhörung noch bis Montag ausharren. «Seine Unterkunft ist schrecklich. Es gibt Kakerlaken, es ist dreckig und das Essen ist schlecht», hatte sich auch Djokovics Mutter über die dortigen Zustände beschwert. «Sie halten ihn wie einen Gefangenen. Das ist nicht fair, das ist unmenschlich.»

Doch was ist dran an den Vorwürfen?

Die australische Regierung jedenfalls widerspricht zumindest den Anschuldigungen, der Tennisstar sei eingesperrt worden: «Herr Djokovic wird in Australien nicht gefangen gehalten, er kann jederzeit gehen, und der Grenzschutz wäre dabei behilflich», stellte Innenministerin Karen Andrews beim Sender ABC News klar.  

Demonstranten haben sich vor dem Hotel in Melbourne versammelt, in dem sich Tennisstar Novak Djokovic angeblich aufhält. 
Demonstranten haben sich vor dem Hotel in Melbourne versammelt, in dem sich Tennisstar Novak Djokovic angeblich aufhält. 
AP/Hamish Blair/Keystone

Keine frische Luft, schlechtes Essen

Ein wenig anders verhält es sich mit den Bedingungen, die in der Unterkunft namens «Park Hotel» im Melbourner Viertel Carlton herrschen, in dem Djokovic untergebracht sein soll. Regelmässig gab es schon im vergangenen Jahr Beschwerden über das Hotel, das der australischen Regierung seit Ende 2020 als Unterbringungsort für Geflüchtete und Asylsuchende dient. So habe es laut Medienberichten im September und Oktober einen Corona-Ausbruch gegeben, erst kürzlich habe es im dritten und vierten Stock gebrannt.

Besonders heikel: Das einstige Hotel Rydges sei dem «Guardian» zufolge zuvor aus dem Quarantänehotel-Programm entfernt worden, mit der Begründung, dass «die Standards zur Infektionsprävention und -kontrolle nicht ausreichend berücksichtigt» worden seien. Bedenken habe es vor allem mit Blick auf «Zugang zu frischer Luft, Zugang zu qualitativ hochwertigen Lebensmitteln und dem Sauberkeitszustand der Anlage» gegeben. Später sei es verkauft, in «Park Hotel» umbenannt und als Beherbergung für Asylsuchende genutzt worden.

Geflüchtete berichten über die engen Wohnverhältnisse, manche sprechen gar von «Folterzellen», wie der «Guardian» einen Bewohner zitiert. «Wir werden an einem Ort festgehalten, der überhaupt kein Sonnenlicht hat, keine frische Luft, keinen Ort, an dem wir uns bewegen können», beschreibt ein anderer Asylsuchender der britischen Zeitung die Zustände, «wir verbringen 23 Stunden am Tag in einem Einzelzimmer ohne Fenster». Über 30 Asylsuchende sollen in dem Hotel leben.

Ein anderer Asylsuchender führte den TV-Sender ITV durch seine Bleibe  im Hotel. Dabei handelt es sich allerdings um ein Zimmer mit Fenster. «Wir stehen rund um die Uhr unter Bewachung und die Fenster können zu keinem Zeitpunkt geöffnet werden», wird Adnan Choopani zitiert. «Wir bekommen schimmliges Brot, das Essen ist ekelhaft und wir haben keinen Zugang zu frischer Luft.»

Immer wieder ist das schlechte Essen Thema. Ein Bewohner postete auf Twitter gar Bilder von Maden, die er auf dem Abendessen gefunden habe. Selbst die Wachleute hätten zugestimmt, dass es «nicht essbar» sei.

«Inhuman, zutiefst grausam und illegal»

Viele Geflüchtete hoffen, dass Djokovics Fall den weltweiten Fokus auf ihr Anliegen lenken könnte. «Ich habe noch nie so viele Kameras gesehen, so viel Aufmerksamkeit. Ich hoffe, dass Novak Djokovic von unserer Situation hier erfährt und dass er darüber spricht», zitiert etwa der «Guardian» in einem weiteren Artikel einen Bewohner des Hotels. Sehen könne er den Tennisstar aufgrund der Isolation und Wachleute allerdings nicht.

Ob man das Sportidol tatsächlich unter denselben Bedingungen wie die anderen Bewohner im Hotel untergebracht hat, ist ohnehin fraglich. Djokovic habe «Glück», dass er nicht wie sie behandelt werde, zitiert der «Guardian» einen Asylsuchenden. Nach übereinstimmenden Berichten befragter Bewohner des Hotels sei der Tennisstar ein Stockwerk unter ihnen untergekommen. 



Djokovic habe nur eine Nacht in Einwanderungshaft verbracht, schrieb auch die Journalistin und «Human Rights Watch»-Aktivistin Sophie McNeill am Donnerstag bei Twitter, manche seien dort jedoch jahrelang. Australiens Behandlung von Asylsuchenden sei «inhuman, zutiefst grausam und nach internationalem Gesetz illegal».

Der serbische Präsident Aleksandar Vucic hat sich derweil dafür eingesetzt, dass Djokovic der Umzug in ein gemietetes Haus erlaubt werde, am besten mit Zugang zu einem Tennisplatz.

Fans jubeln, ein Priester betet und ein Flüchtling spendet Djokovic Trost

Fans jubeln, ein Priester betet und ein Flüchtling spendet Djokovic Trost

Der Fall des in australischer Quarantäne befindlichen Tennisstars schlägt weiter Wellen. Seine Fans unterstützen ihn. Die Regierung Australiens weist den Vorwurf zurück, der 34-Jährige sei eingesperrt.

07.01.2022